Frank Turner im Interview

DER MR. NICEGUY DES PUNK ROCK

/ / Bild: Anna Weiß

Frank Turner scheint sich gerade im Umbruch zu befinden. Als wir ihn auf dem Southside Festival zum Interview treffen, ist ihm der Rock’n’Roll nach wie vor anzusehen: Den Körper voller Tattoos, der gelegentliche Kraftausdruck in der Sprache und den Schalk in den Augen. Doch bei genauem Hinsehen und -hören stellt man fest: Da passiert was. Nach jahrelangem Kettenrauchen erscheint er mit E-Zigarette zum Interview (mittlerweile könne er sich nämlich eingestehen, dass das Rauchen seiner Stimme schadet), er hat sich mit seiner Verlobten in London niedergelassen und überhaupt könnte man bei seiner Musik von einer Propaganda der Nächstenliebe sprechen. Uns hat er verraten, warum für ihn Englands Politiker “fucking useless idiots” sind, wie es ihn vom renommierten Eton College zur Punk Musik verschlagen hat und was seine Mama davon hält.

Frank Turner im Interview

MAMA IST DIE BESTE

Anhand Franks Schulausbildung hätte man nicht unbedingt darauf schließen können, dass er eine Musikerkarriere einschlagen würde. Er hat Englands renommierteste Knabenschule besucht, das Eton College, wo auch sämtliche männliche Royals schon immer zur Schule gegangen sind. Seine Mama wird sich da wohl einen zuverlässigeren Berufsweg für ihren Sohn gewünscht haben. Anfangs war das auch so – aus gutem Grund, findet Frank:

“For a long time, I was completely fucking broke, and I had a drug problem, and I was sleeping on the floor and playing to five people every night. I can see, as a mother, why that might be worrying.”

Heute ist Franks Mama sein treuster und stolzester Fan. Sie kommt zu all seinen Konzerten, wird sogar von seinen Fans in der Masse erkannt und muss für Selfies und Autogramme herhalten, was sie aber gerne tut.

BE MORE KIND

Letztes Jahr hat Frank Turner sein siebtes Studioalbum Be More Kind veröffentlicht. Der Albumtitel stammt aus einem Gedicht von Clive James, einer von Franks Lieblingsdichtern. Am Ende seines Lebens wünscht sich das lyrische Ich in Clive James’ Gedicht, dass es gütiger durchs Leben gegangen wäre.

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Frank Turner – “Be More Kind”

Frank Turner scheint diese Aufforderung wie ein Mantra verinnerlicht zu haben. Er ist überzeugt davon, dass es eine Rolle spielt, wie wir unsere Mitmenschen behandeln und dass die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, viel über uns als Mensch aussagt. Frank stellt eine allgemeine Tendenz fest: Die Leute würden sich in Wut und Hass suhlen und diese Negativität allmählich sogar genießen. Deshalb mahnt er in seiner Musik wie auf seinen Konzerten zu Empathie und Rücksicht.

MIT VORSICHT ZU GENIESSEN

Die sozialen Medien empfindet Frank als eine der vielen Wurzeln allen hasserfüllten Übels. Es gab eine Zeit, da wurde er im Netz nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst, sodass er sich zurückgezogen hat. Mittlerweile nutzt er Facebook & Co. zwar wieder, allerdings in Maßen und mit dem nötigen Abstand.

“Social media is a tool. I don’t read comments on facebook, because there is just an insane amount of negativity. When you’re talking to a human there is a huge amount of physical cues that you read. And when you’re sitting at a computer, all of that goes away. There are some phrasings – a person would never say that to another person in a room, but somehow they think that’s okay on the internet and I don’t want any part of that. Fuck that shit!”

DIE DREI DISZIPLINEN DES MUSIKERTUM

Als wir mit Frank auf dem Southside im Interview sprechen, bleiben ihm noch ein paar Stunden bis zu seinem Auftritt. Obwohl er sich tags zuvor nach seinem Auftritt auf dem Hurricane übergeben musste (die Sonne hatte keine Gnade mit ihm), juckt es ihn schon wieder in den Fingern. Seine Musik schreibt er zwar alleine, geht aber meistens mit seiner Live-Band, den Sleeping Souls, auf die Bühne. Mittlerweile hat Frank erkannt, dass Performance ein riesiger Bestandteil des Jobs ist. Das sei aber keineswegs selbstverständlich.

Frank hat da eine Theorie: Sein Job besteht aus drei Disziplinen, die völlig unabhängig voneinander stehen und die einander nicht notwendigerweise bedingen. Demnach kann man ein guter Musiker und Songwriter sein, was aber nicht bedeutet, dass man auch ein guter Performer ist – und umgekehrt. Frank ist stolz auf die Live-Show, die er mit den Sleeping Souls abliefert und man merkt ganz deutlich, dass er sich auch für einen guten Songwriter und Musiker hält. Völlig zurecht!

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Frank Turner – “Recovery” Live

MUSIK UND GESCHICHTE VEREINT

Für sein nächstes Album No Man’s Land, das am 16. August erscheint, wird für Frank ein Traum wahr. Er kann seine nerdige Begeisterung für Geschichte mit seiner Musik verbinden. No Man’s Land ist ein Geschichtsalbum, das in jedem Song von einer historisch bedeutenden Frau erzählt, die aber in der breiten Pop Kultur nicht genug Anerkennung gefunden hat. Mag also der sympathische Punkrocker etwas weicher werden, die Ideen gehen ihm noch lange nicht aus.