Bild: ©Luiza Monteiro

Kultur und Corona

“Wir sind noch einmal davongekommen”

/ / Bild: ©Luiza Monteiro

Die diesjährige Abschlussklasse der Theaterakademie August Everding feilt an ihrer finalen Aufführung. Dann kommt Corona – und die Inszenierung wird zum Online-Spektakel.

Die Thematik könnte nicht passender sein.
Die Welt hangelt sich von Krise zu Krise. Krieg, Eiszeit und Pandemien lassen keine sorgenfreie Minute zu. Von der stetigen Angst und ständigen Neuanfängen handelt Thornton Wilder’s Stück Wir sind noch einmal davongekommen.
Es soll die Abschlussinszenierung der Klasse der Theaterakademie August Everding werden. Das steht fest – der Rest noch nicht.

“So hat Theater nie wirklich stattgefunden”

Als am 11. März die Proben beginnen sollen, haben bereits alle Kulturinstitutionen geschlossen und proben ist nur aus dem Homeoffice erlaubt. Zum Spaß heißt es unter den SchauspielerInnen und dem Regisseur der Theaterakademie August Everding: “Ey, lass es einfach per Skype machen, oder so.”
Aus Jux wird schließlich Ernst. Fünf Wochen Probezeit hat die Klasse. Geübt wird jeden Tag für mehrere Stunden, auch samstags.
“Am Anfang war ich überhaupt nicht happy mit der Idee. Ich war total skeptisch” erzählt die Schauspielerin Luiza Monteiro.
“Wir sind einfach einen Kompromiss eingegangen und haben gesagt, dass wir das Beste aus dem Medium machen” , sagt Luiza.

Damit die Liveperformance am Premierentag problemlos über YouTube gestreamt werden kann, werden nötige Vorkehrungen getroffen. Ein Frame positioniert die einzelnen Kästchen der SchauspielerInnen. Je nachdem, wer gerade im Bild ist.

Für die richtige Anordnung der Kästchen wird im Voraus gesorgt. Bild: ©Luiza Monteiro

Auch die Rollen- und Stimmenverteilung wird ausgemacht. Einzelne Tonspuren nehmen die DarstellerInnen zuhause mit dem Handy auf. Tonregisseur Nils Strunk bastelt die Spur für einen reibungslosen Ablauf zusammen, während Luiza und ihre Kommilitonen ihre Zeilen lernen. Textskripte und Rollen wurden dabei immer mit Regisseur Marcel Kohler und Dramaturg Peter Sampel abgesprochen. “Wie man dann mit diesem Text umgeht, haben wir viel selber gemacht, das war sehr cool“, erinnert sich Luiza.

Das Zuhause ist die Bühne – die Bühne das Zuhause

Am 16.04. wird das Endprodukt per YouTube-Livestream zur Verfügung gestellt. Für den Onlineauftritt ist dafür alles neu entstanden – Bühnenbild, Kostüme, Konzept – Jeweils in den eigenen vier Wänden der SchauspielerInnen. Fünf Wochen später ist Premierentag. Luiza Monteiro schmiert sich weiße Schminke ins Gesicht, blaue Farbe kommt auf die Augenbrauen.

Das Stück ist in zwei Akte aufgeteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit Familie Antrobus, bestehend aus Mr. und Mrs. Antrobus, deren Kindern Gladys und Henry und ihrem Hausmädchen Sabina. Stellvertretend für die Menschheit rüstet sich die Familie für eine kommende Eiszeit. Die Fenster werden verriegelt, der Ofen geschürt, fremde Hilfesuchende werden aufgenommen und gemeinsam auf bessere Zeiten gewartet. Ständig schwebt dabei eine Frage über Familie und Asylanten, wie ein Damoklesschwert: “Werden wir noch einmal davonkommen?”.

Im zweiten Akt eröffnen Präsident und Präsidentin Antrobus einen Kongress, der in der Sintflut endet. An dieser Stelle machen die SchauspielerInnen der August Everding eine interessante Wendung zum aktuellen politischen Geschehen. Der Präsident und seine Frau sprechen zu den Menschen, “die ohne zu hinterfragen, einfach applaudieren und Nudeln in sich reinstopfen”, erklärt Luiza. “Die Ideen kamen alle mit Corona dazu.”

Luiza in fertiger Maske für ihre Rolle als Präsidentin Antrobus.
Bild: ©Luiza Monteiro

Zu Luizas Requisiten gehören eine Playmobilmännchen-Maske aus Pappmaschee, die die entindividualisierte Masse verbildlicht. Außerdem eine graue Perücke, die sie im ersten Akt als asylsuchender Richter trägt und eine Flasche Sekt. Mittig positioniert das wichtigste Tool – ihr Laptop.

Requisitentisch für die Premiere. Foto: ©Luiza Monteiro

Der Premieren-Livestream läuft einwandfrei. Die Technik funktioniert und alle DarstellerInnen spielen in perfekter Symbiose.
Das Experiment ist geglückt und die Resonanz zum Stück durchwegs positiv. Luiza freut sich auf weitere Darbietungen, aber sie sagt auch: „Es war schon super interessant, aber ich brauche die Bühne.“

Am 23.05. und am 24.05. tritt die Abschlussklasse noch einmal virtuell auf. Jeweils um 19:30 kann man das Stück auf YouTube streamen. Weitere Infos finden sich außerdem immer auf dem Instagram-Account der Klasse.