Kommentar

Für ein neues, modernes Männerbild

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Der Rasierer-Hersteller Gillette hat kürzlich einen neuen, zweiminütigen Werbespot veröffentlicht. Eigentlich erwartet man da nur zwei Minuten voller halbnackter, starker Männerkörper. Dieses Mal war alles anders: Es sind zwei Minuten voller Kritik an stereotyper Männlichkeit. Die Reaktionen darauf sind aber teils verheerend. Was ist nur los mit unserem Männerbild?

Im Frauenbild hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan, die moderne Frau lebt inzwischen weit entfernt von der Frauenrolle des letzten Jahrhunderts. Und wie sieht es mit unserem Männerbild aus? Das hat sich nie verändert. Es basiert nach wie vor auf festgefahrenen, traditionellen Vorstellungen. Es ist ein Männerbild, das unglücklich macht.

Bloß nicht unmännlich

Männlichkeit ist in unserer Gesellschaft geprägt von Machtdemonstration und körperlicher Stärke. Männer dürfen keine Gefühle zeigen, keine Unsicherheit zulassen. Männer weinen nicht, haben keine Probleme. Die Männlichkeit ist ein heiliges Gut, eine Identität, die niemand anfassen darf. Die Verletzung der Männlichkeit wäre ein Identitätsverlust. Dass dieses Männlichkeitsideal zu großen Problemen führt, wird dabei bisher ignoriert. Schwächen zugeben, das ist „unmännlich“. So kommt es, dass viele Männer vor ihren Problemen und Ängsten flüchten. Sie verstecken ihre Probleme, ertränken sie zum Beispiel in Alkohol, anstatt darüber zu reden. Diese extreme innere Unsicherheit kann auf Dauer keiner aushalten. Sie wird nach außen verlagert, auf die Umwelt. Frauen oder queere Menschen bekommen das besonders zu spüren.

Toxische Maskulinität

Auf diese Weise entstand der Begriff der „toxischen Maskulinität“, eines Männerbildes, das alle vergiftet. Spätestens durch die #MeToo-Bewegung wurden die Abgründe der toxischen Maskulinität für alle sichtbar. Dieses Männlichkeitsbild geht einher mit einer hohen Gewaltbereitschaft, einer Abwertung des Weiblichen, großer Kriminalität. Das Schlimme dabei: Schon in jungen Jahren werden Jungs nach diesem Männerbild erzogen – sie sollen nicht weinen, müssen stark sein, Probleme wie Mobbing oder Depressionen totschweigen, dürfen nur Wut als Emotion zulassen.

Steht die Männlichkeit also in einer existenziellen Krise? Die traditionelle Männlichkeit wird inzwischen immer öfter infrage gestellt, und das ist dringend notwendig. Sie ist ein veraltetes Konstrukt der Gesellschaft. Wir brauchen eine neue, moderne, vielfältige Männlichkeit. Eine Männlichkeit, die von einer ganz anderen Stärke lebt: Der Stärke, sich seinen Gefühlen und Ängsten zu stellen. Es ist die Stärke, sich zu trauen, man zu sein… Also man selbst zu sein.