Fynn Kliemann im Interview

“Dieser Vollgas-Modus erfüllt mich”

/ / Bild: Matze Hielscher

Wen inteviewt man eigentlich, wenn man es mit Fynn Kliemann zu tun hat? Klar, einen Musiker, aber auch einen Unternehmer, Designer, Youtube-Tüftler und Schauspieler. Im Grunde ist Fynn einfach der aufgeweckte bis hyperaktive Junge von nebenan, der nie aufgehört hat, mit seinen Freunden im Wald ein Lager zu bauen. Er hat lediglich das Draußen-im-Dreck-Wühlen auf eine neue Ebene gehoben. Im Interview hat er mit uns über traurige Musik, Bratwürste und den “Joko-und-Klaas-Effekt” gesprochen.

Fynn Kliemann im Interview

VON AUTHENTIZITÄT UND INTENSITÄT

Das Kliemannsland ist ein Hof im Norden Deutschlands, auf dem alles erlaubt ist. Dort dreht Fynn seine Do-It-Yourself-Youtube-Videos, in denen er sich als Heimwerker austobt, ohne aber perfekt sein zu wollen oder überhaupt Ahnung von der Materie zu haben. Was Umsetzung und Arbeitssicherheit angeht, könnte man fast von Stümperei sprechen. Aber so ist es ja auch gedacht: Leute, die Bock haben, eine Idee umzusetzen, begegnen sich im Kliemannsland und packen selbst mit an. Fynn nennt es seinen eigenen kleinen Staat. Freunde und andere eingetragene Kliemannsland-Bürger und Bürgerinnen gehen dort ein und aus.

Der Sänger scheint ein Gespür dafür zu haben, was die Leute heute sehen wollen und genießt quasi als König seines kleinen Staats völlige Narrenfreiheit. Er labert einfach ungefiltert und unverstellt drauf los, ohne irgendeine Rolle zu spielen, die ihm TV-Produzenten aufgedrückt haben. Die einzigen Medienhäuser, mit denen er zusammenarbeitet (NDR und Funk), unterstützen sein Konzept finanziell, lassen ihn aber trotzdem machen wie und was er will. Für Fynn ist diese Freiheit was Besonderes:

“Diese ständig wachsende und sich verändernde Idee wird jetzt von einer Seite finanziert, die da nicht mit reinredet, sondern die sagt: Wir vertrauen euch da, macht einfach! Und wir machen dann so, wie wir glauben, dass es für das Format, die Idee und den Ort am besten ist.

Und diese Freiheit, die hast du fast nirgends. Ich glaube, wenn du Menschen diese Freiheit gibst, dann strahlen die eine andere Intensität aus und das wiederum kommt bei den Leuten besser an. Die Leute wollen ehrliche Freude über die Verwirklichung von ehrlichen, echten Träumen sehen.”

IN DER MUSIK ZU HAUSE

Auch wenn sich Fynn selbst als Webdesigner bezeichnet, weil das nun mal sein gelernter Beruf sei, schlägt sein Herz für die Musik. Da sei er am perfektionistischsten und da störten ihn Fehler am meisten. Fynn hat schon immer Musik gemacht, sein Onkel hat ihn dazu angestoßen, mit einem Freund hat er im Duo gespielt, ehe er sich Solo versuchte. Sein Debütalbum Nie hat er – wie sollte es ander sein – in Eigenarbeit produziert. Fynn hatte anfangs nicht damit gerechnet, dass es irgendwann mal fertig werden würde (ergo der Albumtitel).

In seiner Musik schlägt die nordische Frohnatur aber eher ruhigere, oft melancholische Töne an. Auf die Frage hin, ob traurige Menschen bessere Musik machen, muss Fynn kurz lachen und die Aussage dann doch etwas widerwillig bestätigen:

“Dem Output nach zu urteilen ist es schon so. Jedes Thema hat irgendwie einen schweren Ursprung. So Gute-Laune-Musik – ich kann das irgendwie gar nicht. Meistens fängt alles immer so gut gelaunt an mit so einem schönen Riff, das totoal happy klingt, und dann sitze ich immer bis spät in die Nacht die ganze Zeit alleine da und dann kippt irgendwann die Stimmung. Da entstehen die Texte und dann wirds auf einmal wieder Grufti.”

Fynns Song “Zuhause” ist zwar auch eher “Grufti”, die Botschaft ist aber keine traurige. Er widmet das Lied seiner Freundin Franzi, zu der er einfach gerne nach Hause kommt. Und auch musikalisch ist er seiner Meinung nach zu Hause angekommen.

“Zuhause” ist aber nicht nur hörenswert, sondern auch sehenswert. Für das Video zum Song hat Fynn 43 seiner Freunde selbst tätowiert. Dafür hat er sich unter der Anleitung mehrerer professioneller Tätowierer über längere Zeit in das Business eingefuchst, weil er das auch unbedingt richtig machen wollte.

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Fynn Kliemann – Zuhause

Fynn selbst hat übrigens keine Tattoos. Er hat schon oft drüber nachgedacht, wüsste aber auch nicht so recht, welches Motiv es werden sollte. Außerdem findet er es ganz cool, noch so “blank” zu sein.

DER “JOKO-UND-KLAAS-EFFEKT”

TV-Angebote lehnt Fynn generell ab. Solange es nur um Berichterstattung über seine Sache geht, ist er gerne dabei. Aber TV-Kooperationen sind nicht sein Ding. Ihm ist durchaus bewusst, dass der Hype um seine Person auch ganz schnell vorbei sein kann. Fände er aber auch okay. Schließlich ist es ganz normal, dass irgendwann eine Sättigung eintritt, wenn bestimmte Personen dauerhaft über-präsent sind. Er nennt das den “Joko-und-Klaas-Effekt”, ohne aber dieses Phänomen negativ zu werten. Weil ihm das genauso passieren könnte, hat er sich immer sein zweites, ursprüngliches Standbein als Webdesigner bewahrt.

“Ich will mein Ding machen und es ist cool, wenn Leute dabei sind und Lust haben, sich das mit anzugucken. Aber es ist aber überhaupt kein Problem, wenn die mich alle nicht mehr gut finden und ich das nur wieder mit meinen Freunden mache.”

DER TRAUM VON DER HÜPFBURG UND DEM LKW-FÜHRERSCHEIN

Auch wenn die Leute Fynn irgendwann uninteressant finden sollten, hätte er immer noch genug tun. Gerade hat er sich eine Hüpfburg gekauft, macht einen LKW-Führerschein und super viel Musik, nächstes Jahr launcht er zwei Start-Ups und demnächst will er endlich mal sein Boot fertig bekommen (Fynn hat sich zusammen mit Olli Schulz Gunter Gabriels altes Hausboot “gegönnt”), einen Flugschein machen, einen Acker kaufen und ein paar Minischweinchen anschaffen.

Joah, diese Pläne würden auch für drei Leben reichen. Fynn schätzt: für die nächsten sechs Monate vielleicht.