#freeszfe

Kampf um eine freie Kunst

/ / Bild: M94.5/Amelie Hörger

StudentInnen besetzen seit Mittwoch die angesehene Film- und Theaterhochschule SZFE in Budapest. Sie kämpfen für eine Ausbildung ohne die Kontrolle der Regierung Victor Orbáns.

“Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.”

Art. 5 Abs. 3 GG

Dieser kurze Satz in unserem Grundgesetz regelt etwas, wofür viele StudentInnen in Ungarn diese Woche verzweifelt kämpfen: eine Trennung von Staat und Kunst, von Wissenschaft und Befehlsgewalt. Denn diese Trennung verwischt in Ungarn momentan durch die rechtskonservative Regierung von Victor Orbán immer mehr.

Mehr Kontrolle über die Kunst

Schon seit Jahren baut Orbán und seine Regierung die staatliche Macht in vielen Bereichen aus. Unter anderem wurde 2010 der ungarische Medienrat neubesetzt, selbstverständlich mit Fidesz-Mitglieder, also Personen Orbáns eigener Partei. 2012 trat ein neues Grundgesetz in Kraft, geschrieben von der Regierungspartei ohne Zustimmung der Opposition oder des Volkes. Und auch die Universitäten haben mit zunehmender staatlicher Kontrolle zu kämpfen, denn schon seit 2013 wird jede Universität des Landes von einem, vom Ministerium ernannten Kommissar überwacht. Dieser entscheidet unter anderem über Investitionen der Hochschule.

Ende letzten Jahres begann dann ein Streit zwischen der Kunstszene und der Regierung. In einem umstrittenen Gesetzesentwurf kürzte die Regierungskoalition Zuschüsse für unabhängige Kultureinrichtungen. Zudem sicherte sie sich ein Mitspracherecht bei der Ernennung neuer TheaterintendantInnen, sollte dieses Theater staatliche Subventionen beantragen. Die Opposition kritisierte den Entwurf scharf. Gréczy Zsolt von der Oppositionspartei DK erklärte, die BürgerInnen von Budapest hätten in der vergangenen Kommunalwahl klar gemacht, dass sie sich künstlerische Freiheit ohne die Kontrolle von Parteien wünschten. Trotz Protesten und einer Petition, die von über 50.000 Menschen unterschrieben wurde, verabschiedete das Parlament den Gesetzesentwurf.

Was passiert gerade an der Uni?

Nun scheint die Orbán-Regierung einen weiteren Plan entwickelt zu haben, die Kulturlandschaft nach ihrer Vorstellung zu verändern und in neue, regierungskonforme Bahnen zu lenken. Dafür setzt sie nun erstmals beim künstlerischen Nachwuchs und dessen Ausbildung an. Zumindest schien dies der Gedankengang als Orbán Ende Mai bekannt gab, dass die renommierte Film- und Theaterhochschule SZFE in Budapest unter die Aufsicht der staatlichen Stiftung für Theater und Filmkunst gestellt werden soll. Die Leitung der Hochschule wurde nun am 1. September an ein Kuratorium dieser Stiftung übertragen. Dieser Beschluss entwickelte sich schnell zum Protestauslöser für StudentInnen und Dozierende der Hochschule. Der Knackpunkt: Alle Mitglieder des Kuratoriums sind regierungsnah und sprechen davon, die Hochschule “christlicher” und “nationaler” gestalten zu wollen. Die Regierung möchte die Hochschule durch diese Änderung so vermeintlich moderner machen und weiterentwickeln.

Protest an der SZFE

Diese Entwicklung kam an der Hochschule gar nicht gut an. Schon vor dem offiziellen Amtsbeginn des Kuratoriums trat die vorherige Leitung der Hochschule aus Protest geschlossen zurück. Jetzt ist die Universität mit rot-weißem Absperrband gesichert und StudentInnen weigern sich, die Schule zu besuchen, sollte die Automomie der Lehreinrichtung nicht weiterhin gewährleistet werden. Sie fordern den Rücktritt des Gremiums und die Garantie unabhängig von der Regierung Kunst ausüben zu dürfen.

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Unter dem Hashtag #freeSZFE teilen StudentInnen ihre Erlebnisse an der Uni. Mit Bildunterschriften wie “Ich bin bei dir.” oder “Was hast du heute für FREIHEIT getan?” protestieren sie für eine Uni ohne Aufsicht der rechtkonservativen ungarischen Regierung. Und dabei bekommen sie nicht nur von ProfessorInnen und der ehemaligen Leitung der SZFE Unterstützung, sondern auch von anderen BürgerInnen Budapests, die die StudentInnen mit Essen versorgen.

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Wie geht es jetzt weiter?

Auch aus Deutschland gibt es Unterstützung. So hat sich unter anderem das Deutsche Schauspielhaus Hamburg zu Wort gemeldet:

“Wir glauben an die Demokratie und die Freiheit der Kunst und versichern allen, die momentan an der SZFE dafür einstehen, unsere vollste Unterstützung.”

Karin Beier – Intendantin Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Das Berliner Ensemble sagte aus Protest sogar ein Gastspiel in Budapest im nächsten Jahr ab. Auch viele Prominente, wie Sir Ian McKellen oder Cate Blanchett haben sich über die Sozialen Medien zu Wort gemeldet und schaffen so Aufmerksamkeit für das Thema. Inzwischen haben auch die Münchener Kammerspiele unter der neuen Leitung von Intendantin Barbara Mundel ihre Solidarität gegenüber der Film- und Theatherhochschule visuell deutlich gemacht.

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Seit Beginn des Protests gibt es Gespräche zwischen Attila Vidnyánszky, dem Vorsitzenden der regierungsnahen Stiftung, und der ehemaligen Leitung der Universität, welche die StudentInnen wieder einsetzen möchten. Auch fast zwei Wochen später konnte bislang kein Kompromiss gefunden werden.