Interview mit Clemens Wickler

Wenn die Hauswand zum Beachpartner wird

/ / Bild: FIVB

Clemens Wickler (24) und Julius Thole (22) sind Deutschlands bestes Beachvolleyball-Duo. Das Nationalteam steht in der Weltrangliste auf Rang sechs. Nach ihrem Durchbruch im vergangenen Jahr (Vize-Weltmeister bei der Heim-WM, Zweiter beim World Tour Finale, Silber Den Haag (4-Sterne) und Bronze Moskau (4-Sterne)) zählen sie inzwischen zur Weltelite. Olympia 2020 in Tokio wäre ihre olympische Premiere gewesen. Doch dieser Traum wurde wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben.

Der Starnberger Clemens Wickler im Gespräch mit M94.5 über alternativlose Entscheidungen, neue Zielsetzungen und unverhofften Urlaub.

Hallo Clemens, wie geht es dir im Moment in Zeiten des Coronavirus‘?

Mir geht es sehr gut soweit. Ich habe keine Symptome und auch in meinem Umfeld weiß ich von niemandem, ich bin also noch nicht betroffen.

Das bisher letzte Beachvolleyball-Turnier des Jahres 2020 in Doha vom 09. bis 13. März musstest du auslassen. Wieso?

Ich hatte Fußprobleme und war noch nicht zu 100 Prozent fit. Ich hätte zwar wieder spielen können, aber wir wollten im Olympia-Jahr nichts riskieren. Da wussten wir noch nicht, wie sich das alles entwickelt.

Heim-WM 2019, Wickler und Fans. Bild: FIVB

Wie hast du von der Olympia-Absage erfahren?

Am Tag vor der offiziellen Mitteilung hat sich bereits IOC-Mitglied Dick Pound verplappert. Daher kam die endgültige Nachricht nicht überraschend. Ich hab es am nächsten Morgen dann von einigen Leuten erfahren, unter anderem von unserem Trainer und unserer Psychologin. Sie haben mir einen Artikel geschickt und ich war noch etwas ungläubig, ob das alles wirklich stimmt, aber es stimmte.

Was war deine erste Reaktion?

Ich war im ersten Moment, wie alle Athleten denke ich, etwas enttäuscht. Aber es ist alternativlos und war die einzig richtige Entscheidung. Wir haben jetzt ein Jahr länger Zeit uns vorzubereiten und sind im nächsten Jahr dann topfit am Start.

Wie geht dein Partner Julius Thole damit um?

Normalerweise bin ich eigentlich eher der emotionale Typ von uns beiden, wenn es um so etwas geht. Komischerweise ist es hier jedoch genau anders. Julius war erstmal geknickt. Ihn hat es emotional mehr mitgenommen als mich. Das ist das worauf man seit Jahren hinarbeitet. Darauf haben wir alles ausgerichtet und plötzlich fällt das größte Ziel weg, zumindest vorübergehend. Jetzt müssen wir wieder neue Ziele setzen. Dennoch sehen es sowohl ich als auch Julius als die richtige Entscheidung an.

Ihr seid Beachvolleyball-Profis, Training und Wettkämpfe sind euer Job. Wie sieht euer Alltag im Moment aus?

So wie bei vermutlich allen Sportlern zurzeit. Unser Home Office ist unsere Wohnung. Nur sitzen wir nicht am Laptop, sondern machen unsere Sportübungen zuhause. Wir haben keine Möglichkeiten gemeinsam in Beach-Hallen zu trainieren. Daher machen wir vieles individuell wie Läufe, Stabilisationsübungen oder ein wenig Balltraining mit meinem Partner, der Hauswand. Ich würde mir aber wünschen, dass wir in kleinen Gruppen trainieren dürften. Julius, ein Trainer und ich. Ich finde das sollte uns eingeräumt werden. Zumindest solange es noch keinen kompletten Shutdown gibt, dann natürlich nicht mehr.

Die deutsche Beachvolleyball-Serie „Die Techniker Beach Tour“ ist komplett abgesagt worden. Wie sieht es mit den internationalen Turnieren über den Sommer hinweg aus?

Noch sind nicht alle Turniere abgesagt, aber die Beach Volleyball Major Series hat schon ihre großen Turniere abgesagt. Jetzt warten wir noch auf ein offizielles Statement des Weltverbands FIVB (Fédération Internationale de Volleyball). Wir gehen aber davon aus, dass bis September keine internationalen Turniere gespielt werden, da das Virus auf der ganzen Welt zu unterschiedlichen Zeiten auftritt.

Im Vergleich zu den meisten anderen Sportarten hätte eure Saison erst so richtig im April angefangen. Keine Saison, keine Turniere, kein Preis- und kein Sponsorengeld. Wie sieht es finanziell bei euch aus?

Ich habe das Glück, dass ich Sportsoldat bei der Bundeswehr bin. Da bekomme ich weiterhin meinen monatlichen Sold. Auch von der Sporthilfe Team Hamburg und unserem Verein ETV Hamburg erhalten wir eine monatliche finanzielle Unterstützung. Und zudem haben wir noch tolle Sponsoren an unserer Seite. Die unterstützen uns weiterhin. Also sind wir tatsächlich gut aufgestellt, da geht es einigen Menschen schlechter. Viele Menschen kämpfen um ihre Existenz. Das ist bei uns nicht so, daher will ich mich überhaupt nicht beschweren.

Die Qualifikation für Olympia im Beachvolleyball war noch nicht beendet und wäre noch bis Juni gelaufen. Wie geht es dahingehend weiter und ist sogar eure Qualifikation in Gefahr?

Wir haben im vergangenen Jahr so viele Punkte gesammelt, dass es für uns sehr gut aussieht. Alle Punkte, die im bisherigen Qualifikationszeitraum gesammelt wurden bleiben erhalten. Wie es genau weiter geht wissen wir auch noch nicht, auch hier warten wir jetzt auf ein offizielles Statement der FIVB. Ich gehe aber davon aus, dass der Qualifikationszeitraum ab Januar 2021 wieder eingesetzt wird. Dann hat man im Grunde genommen den gleichen Zeitraum nur eben um ein Jahr versetzt.

Hier steht Wickler nicht im Sand, sondern fliegt. Bild: FIVB

Dein letztes Turnier war das World Tour Finale in Rom im September 2019. Das ist ein gutes halbes Jahr her. Jetzt fällt vermutlich die ganze Saison aus. Das bedeutet, dass es im kommenden Jahr sein kann, dass du eineinhalb Jahre lang keinen Beachvolleyball auf Wettkampf- und Weltniveau mehr gespielt hast. Wie sehr bedrückt dich das?

Ich will eigentlich nur im Sand stehen und spielen. Ich habe mich den ganzen Winter über auf den Wettkampf gefreut. Das ist für den Kopf dann jetzt nicht so leicht zu verarbeiten. Mir würde es aber auch schon reichen, mal wieder im Sand trainieren zu dürfen, weil ich auch gerne trainiere. Aber der Wettkampf ist natürlich nicht zu ersetzen. Daher kann ich mir auch vorstellen, dass ich mit Julius im Spätsommer – falls die Corona-Pandemie in Deutschland bis dahin etwas abgeebbt ist – vielleicht ein paar Landesverbandsturniere spiele.

Du meintest einmal, dass es dein Traum sei mal ein großes Turnier in deiner Heimat – also Stadt oder Umkreis München – zu spielen. Heißt das, dass man euch in diesem Sommer vielleicht auch mal in München bei Turnieren sehen kann?

Unser großes Ziel ist weiterhin Wettkampfpraxis zu sammeln. Da macht es dann keinen Unterschied, ob es Landesverbandsturniere oder internationale Turniere sind – Hauptsache Wettkampf. Ob wir uns splitten oder gemeinsam an den Start gehen ist noch nicht klar.

Hast du schon Pläne dafür was du mit deiner vielen Freizeit in diesem Sommer anstellst? Machst du Urlaub

Ich werde viel in Deutschland sein, mein Urlaub wird Heimaturlaub sein. Meine Hoffnung ist, dass die Pandemie zumindest in Deutschland so stark eingedämmt wird, dass man sich bald wieder frei bewegen darf. Dann würde ich mal wieder nach München kommen, Freunde treffen und das machen wofür ich sonst nicht so viel Zeit habe.
Wer mich aber kennt, der weiß: Nur, weil Olympia jetzt verschoben wurde ist es nicht aus meinem Sinn. Ich werde natürlich weiter trainieren und Gas geben für Tokio 2021.