M94.5 Filmkritik

Sunset

/ / Bild: Laokoon Filmgroup

Mit seinem aufwühlenden Film “Son of Saul” sorgte der ungarische Regisseur László Nemes 2016 für Begeisterung. Sein neues Werk “Sunset” ist hingegen leider enttäuschend.

Budapest, 1913. Die junge Frau Iris Leiter, die als Waisenkind aufgewachsen ist, kehrt in ihre Geburtsstadt zurück, um in dem ehemaligen Hutgeschäft ihrer Eltern zu arbeiten. Die sind bei einem Brand in eben jenem Laden ums Leben gekommen. Doch der jetzige Inhaber Oskar Brill weist Iris ab. Denn mit dem Namen Leiter scheint etwas Unheilvolles verbunden zu sein, mit dem keiner in Berührung kommen möchte. Wo auch immer Iris hingeht, trifft sie auf Ablehnung, Warnungen, mysteriöse Anzeichen. Aus der Stadt lässt sich die junge Frau davon aber nicht vertreiben. Sie beginnt Nachforschungen über ihre Vergangenheit anzustellen.

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Trailer zu Sunset.

In der Dunkelheit liegt allerlei verborgen

Schon während der ersten halben Stunde des Films fällt eines auf: sehr viele Szenen sind nicht gut beleuchtet. Die Räume, in denen sich Iris bewegt, sind dämmrig oder ganz dunkel. Gesichter bleiben zumeist im Schatten oder werden nur partiell gezeigt, alles ist in die Farben dunkelrot, orange oder schwarz getaucht. Von Anfang an wirkt alles recht unergründlich und mysteriös. Auch die Personen, denen die Protagonistin begegnet, sind manchmal nur zu erahnende Gesichtszüge in der Dämmerung, die so schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Durch das Spiel mit Hell und Dunkel entsteht eine seltsam geheimnisvolle Atmosphäre, die sich über die Stadt und ihre Figuren legt. Was ist hinter diesen Schatten, in den dunklen Räumen und den kaum zu erkennenden Personen verborgen? Auch Iris weiß das nicht. Sie irrt durch die Stadt, spürt Leuten nach, sammelt Hinweise und doch wird für den Zuschauer nie ganz klar, was hier eigentlich die Story ist und was es mit all den merkwürdigen Hinweisen auf sich hat.

Konfuses Versteckspiel mit Andeutungen

Regisseur Nemes nimmt sich für Iris’ Irrfahrt durch Budapest sehr viel Zeit. Immer wieder lässt er Andeutungen fallen, die auf eine bedeutungsvolle Geschichte hinauslaufen könnten, aber dann nie richtig aufgelöst werden. So scheint Iris einen Bruder zu haben, der im Untergrund lebt und in den Mord an einem Grafen verstrickt gewesen sein soll. Die Witwe dieses Grafen wiederum hat eine merkwürdige Beziehung zu einem Wiener. Außerdem plant eine Bande finsterer Männer einen großen Überfall und der Inhaber des Hutgeschäfts Brill scheint auch nicht der zu sein, für den er sich ausgibt. Verschachert er etwa seine weiblichen Angestellten an den österreichischen Hof?

Zwischen all diesen Fragen rennt und taumelt Iris durch eine konfuse Welt, der der erste Weltkrieg kurz bevor steht. Sie wird gewarnt, weggezerrt und bedroht, begegnet verschiedenen Gestalten, die der Zuschauer nie ganz exakt einordnen kann und läuft doch immer weiter. Schauspielerin Juli Jakab stattet ihre Figur dabei mit einem zunächst verwirrten und dann immer entschlosseneren Blick aus, der dem Zuschauer in vielen Close-ups nahe gebracht wird. Sie spielt nicht schlecht, aber auch sie kann am Ende diese undurchsichtige, zweieinhalbstündige Irrfahrt durch das halbdunkle Budapest nicht tragen.

“Sunset” ist ab dem 13. Juni 2019 in den deutschen Kinos zu sehen.