
Filmfest 2025
Yes
Mit jeder Menge Vorschusslorbeeren kommt Nadav Lapids Yes frisch von Cannes zum 42. Filmfest München. Was erwartet das Publikum bei diesem wilden Genre-Mix aus Musical, Drama und Satire und ist das bisherige Lob der Kritiker:innen verdient?
Was für ein irrer Trip! Das haben sie nicht gerade wirklich gesagt?! Wie verrückt kann es denn noch werden? Das alles sind Fragen, die einem während der Sichtung von Nadav Lapids Yes durch den Kopf gehen. Bereits nach wenigen Minuten ist eines offensichtlich: Dieser Film ist definitiv einer der wildesten Kinoerfahrungen, die man als Zuschauer:in 2025 haben kann!

Kunst ohne Moral
Jazzmusiker Y. liebt – neben seiner Frau Jasmine – vor allem eines: den Rausch, dem er sich allen voran bei Partys hingibt. Die Kamera zieht dabei von Anfang an mit ihm in der Ekstase gleich: Es gibt Reißschwenks von links nach rechts und von oben nach unten, sodass das Publikum nie ganz weiß, ob Lapid sie physisch angreifen oder in seinen filmischen, soghaften Bann ziehen will – vermutlich beides.
Trotz ausufernden 150 Minuten Laufzeit sollten die Zuschauenden keine epische Erzählung erwarten. Im Grunde beschäftigt sich der Film mit den inneren Konflikten seines Protagonisten Y., der mit seinen Gefühlen in Bezug auf den Gaza-Krieg kämpft. Einerseits fühlt er sich den israelischen Opfern verbunden, andererseits verurteilt er das Vorgehen seiner Regierung im Gazastreifen. Da die beiden als Künstler:innen-Ehepaar notorisch knapp bei Kasse sind, freuen sie sich zunächst über den Auftrag eines russischen Milliardärs. Die Sache hat aber einen Haken: Ihre Prinzipien müssen sie dafür komplett über Bord werfen. Denn Y. soll eine neue anti-palästinensische Nationalhymne für Israel schreiben.
Filmisches Feuerwerk der Ideen
Es wäre ein leichtes gewesen, sich bei diesem Thema zu verheben, doch Yes gelingt die Gratwanderung, Raum für das israelische Leid, aber auch das der zivilen Opfer in Palästina einzuräumen, mit Bravour. Dabei tritt Regisseur Nadav Lapid nur in den wenigsten Fällen in die Falle, in die schon vor ihm viele Satiren getappt sind: Vollkommen plump ist der Film nie – dafür aber umso verrückter. So schießt in einer Szene etwa plötzlich ein Hochhaus aus der Erde, auf dem die Figuren danach anfangen zu tanzen und zu singen, als wäre es das normalste der Welt. Wer mit abstrusem Humor und wahnwitzigen Ideen nicht viel anfangen kann, wird daher definitiv Probleme mit Yes haben.
Die unfassbare Energie, mit der der Film wie ein Hyperschallzug auf Drogen über die Leinwand rast, wird ihm aber letzten Endes zum Verhängnis. Das hohe Erzähltempo bremst merklich nach der Hälfte der zweieinhalb Stunden ab. Yes nimmt danach zwar immer wieder an Fahrt auf, aber an die ersten 45 Minuten an filmischem Feuerwerk reicht er selten heran.
Tour de Force
Hauptdarsteller Ariel Bronz trägt ebenfalls zu der Qualität des Werks bei. Er tanzt, kotzt, schreit und vögelt sich frei von jeglicher Moral in einer schauspielerischen Tour de force über die Leinwand, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen. Zur Karikatur verkommt seine Figur Y. aber selten, was sowohl Bronz als auch dem Drehbuch von Lapid zu verdanken ist. So wirkt der Protagonist eher wie ein bemitleidenswerter Mann, der zwischen den verhärteten Fronten des Gaza-Kriegs steht und mit einer Entscheidung für eine der beiden Seiten nur noch tiefer in den moralbefreiten Sumpf hinabsinkt.
Yes ist – kurz gesagt – eine filmische Wundertüte: Nicht alles, aber vieles überzeugt. Der schwarze Humor funktioniert fast durch die Bank und die spielerische Leichtigkeit, mit der der Film die Genres wechselt, sucht ihresgleichen. Das Hangover nach diesem wahnwitzigen Trip setzt zwar schneller ein als gedacht, aber bei so einem filmischen Rohdiamanten wie Yes stürzt man sich als Zuschauer:in jederzeit gerne wieder ins Chaos.
Yes ist im Rahmen der Reihe “Cinemasters” auf dem diesjährigen 42. Filmfest München zu sehen. Der Film kommt zu einem späteren Zeitpunkt im Verleih von Grandfilm ins Kino.