M94.5 Serienkritik

The Circle

/ / © Netflix

Netflix setzt mit Serien wie Finger weg! und Liebe macht blind neuerdings auf Reality-TV Shows. Eine sticht dabei heraus: The Circle. Die Show verbindet den Unterhaltungsfaktor solcher Formate mit Tiefgang und spart auch nicht mit Kritik an Social-Media-Plattformen.

Spielregeln

Getrennt nur durch wenige Türen und Flure ziehen acht Teilnehmer in ein großes Haus. Dort werden sie die nächsten Wochen gemeinsam verbringen, sich kennenlernen und immer wieder bewerten. Der Twist: Sehen und hören werden sie sich dabei nämlich nicht. Kommuniziert wird nur über die sprachaktivierte Social-Media-Plattform „Circle.“

Die Teilnehmer*innen erstellen ein Profil, posten Fotos und updaten ihren Status. Zusätzlich liken und chatten sie natürlich. Das Ziel ist es, so viele der anderen Menschen von sich zu überzeugen und die besten Bewertungen zu erhalten, um am Ende als populärster Spieler eine ganze Menge Geld abzuräumen. Die unbeliebtesten Teilnehmer werden geblockt, aus dem Haus geworfen und durch neue ersetzt. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter den Profilen?

Who is the Catfish?

Online ist nicht alles so wie es scheint. Jeder kann sein, wer er will. Die meisten treten als sie selbst an, manche als veränderte Version von sich und einige erschaffen sich sogar eine komplett neue Figur. Es ist alles erlaubt, um die anderen zu überzeugen. Das erschafft nicht nur interessante Dynamiken zwischen den Bewohner*innen, sondern lässt für sie auch immer die Frage offen, wer vertrauenswürdig ist und wer einen hinters Licht führen möchte. Die Spieler*innen, die als jemand anderes antreten, müssen dafür immer darauf achten, sich nicht in ihrem Lügennetz zu verstricken und dem Druck standhalten, anderen Menschen etwas vorzuspielen. Egal wie sicher es sich anfühlt, es wartet immer schon der nächste Twist, der das Kartenhaus zum Einstürzen bringen könnte.

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Wenn sich zwei “Catfishe” daten.

Reality TV – aber in gut!

Jede/r bekommt ein eigenes kleine Apartment sowie alles was er oder sie braucht zur Verfügung gestellt. Sogar Fitness- und Yogaräume, eine kleine Oase auf dem Dach und Spiele um die Zeit zu vertreiben, versüßen den Aufenthalt. Immer wieder werden die Spieler*innen auch mit kleinen Naschereien und Geschenken überrascht, die ihnen in Kombination mit Gruppenspielen helfen, die anderen Teilnehmer besser kennenzulernen. Klar wird auch in the Circle immer wieder etwas Drama geschaffen oder vielleicht ein paar Geheimnisse herausgelockt. Das aber immer in Kombination mit Aspekten, die einem täglich auf Social Media begegnen, wie zum Beispiel, was Anonymität mit einem macht. So bleibt das Ganze unterhaltsam, aber auch tiefgründiger, als man es von ähnlichen Formaten kennt. Trotzdem gibt es wie immer das Problem, dass man das Gefühl hat, dass nur wenige Chats gezeigt werden. Außerdem wird dem Publikum schnell klar, dass recht viel Material herausgeschnitten wurde – schade eigentlich.

Seit Anfang des Jahres haben es inzwischen schon drei verschiedene Versionen des neuen Formates auf Netflix geschafft. Neben der amerikanischen Variante bieten auch die brasilianische und französische Variation komplett neue Spieler*innen und Strategien. Bis auf ein paar Unterschiede, die das Spiel auf die kulturellen Hintergründe anpasst, bleiben die Regeln gleich. Auch hat jede Serie eine eigene Moderatorin, die nicht nur erklärt, sondern auch immer wieder lustige Kommentare abgibt. Ein Manko bleibt aber die Übersetzung. So gibt es für die brasilianische Version zwar eine deutsche aber keine englische Synchronisation. Bei der französischen Version kann man sich zwischen Polnisch, Französisch und Türkisch entscheiden und muss sich ansonsten mit deutschen Untertiteln begnügen, was aber auch daran liegen könnte, dass es die Neueste der drei Versionen ist.

Strategie oder Herz?

So unterschiedlich wie die Teilnehmer sind, so sind es auch ihre Strategien. Manche der Spieler schmücken ihre Wände dafür mit Hinweisen und Listen der Verdächtigen à la Sherlock Holmes, während andere schreiben wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und ihre Entscheidungen frei nach dem Herzen treffen. Auch untereinander wurde die ein oder andere tiefe Freundschaft geknüpft und vielleicht sogar etwas Liebe entfacht. Letztendlich haben jedoch alle das gleiche Ziel: als populärster Spieler das Preisgeld abräumen.

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Auch nach der Show scheinen einige der Freundschaften weiter zu bestehen.

Soziales Experiment

Relativ schnell fängt man an, mit den Teilnehmern mitzufiebern und vielleicht auch Parallelen zum eigenen Verhalten auf Social Media zu ziehen. Vor allem, wenn man die Gründe hört, warum einige der Spieler bestimmte Fotos auswählen. Demnach muss man nämlich attraktiv und angepasst sein, um Erfolg zu haben – und am besten auch noch Single. Aus der Angst heraus, gar nicht erst richtig wahrgenommen zu werden, setzen die meisten deswegen zwar durchaus auf den eigenen Charakter, versehen diesen aber lieber mit einem Bild von einer Person, die sie selbst als begehrenswerter empfinden. Nur so glauben sie eine Chance im Beliebtheitswettbewerb zu haben. Und das ist im realen Leben eigentlich nicht wirklich anders, oder? Man versucht sich doch immer von einer guten Seite zu präsentieren, lädt das Foto hoch auf dem man besonders hübsch oder sympathisch rüberkommt oder schmeißt doch noch einen Filter drüber, um besser auszusehen. Die meisten wollen einfach perfekt sein, vor allem dann, wenn es um so viel Geld geht.

Die Serie lässt die Zeit verfliegen und macht sofort Lust auf mehr. Ein Glück, dass man dann ja noch zwei weitere Versionen zum Anschauen hat. Danach kann man sonst auch noch auf das Original aus dem britischen Fernsehen zurückgreifen. Mit genügend Material ist die Serie mit sozialem Isolationsfaktor somit perfekt geeignet für die Corona Zeit.

The Circle gibt es auf Netflix.