Musical-Kritik

Six – Ein Musical für eine neue Generation

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Der Vorhang geht auf. Wo normalerweise ein aufwändig gebautes Set zum Vorschein kommt, sehen wir sechs markante Silhouetten. Geht das Licht an, erkennen wir das beeindruckend originelle Kostümdesign. Jede der Figuren hat ein farblich abgestimmtes Kostüm, das aussieht wie eine Mischung aus dem Prunk der Tudor-Ära und den bunten Glitzerlooks einer Drag-Show.

“Divorced, Beheaded, Died, Divorced, Beheaded, survived.” 

So lautet der Reim, mit dem wir uns die Schicksale der sechs Frauen von Heinrich dem Achten merken, und diese stehen nun vor uns – jede einzelne mit der Bühnenpräsenz eines modernen Pop-Sternchens. Im Verhältnis dazu ist das Bühnenbild quasi nicht existent. Wo sonst ganze Szenerien hinter dem Vorhang auftauchen, sehen wir hier nur das, was sonst immer verdeckt wird: eine Bühne. 

In einem schlauen Twist schafft Six es, die vierte Wand zu brechen – wir sehen ein Musical, dessen Plot ein Konzert ist. Die sechs Königinnen sind nämlich eine Girl-Group, die gemeinsam auf Tour ist, aber sich darüber streiten, wer das meiste Rampenlicht verdient. Dies soll nun von uns, dem Publikum, entschieden werden. Gewinnerin ist jene, die vom König am schlimmsten behandelt wurde.

Eine gute Balance zwischen Witz und Ernst

Die vielleicht zuerst absurd klingende Geschichte funktioniert besser als sie sollte und beschert dem Publikum mehr als nur einen tiefgründigen Twist. Die schwereren Themen bekommen den Respekt, den sie verdienen, werden aber auch, sobald das Timing stimmt, humoristisch wieder abgefangen, ob mit einem durchdachten One-Liner oder einem so plumpen Wortwitz, dass man nicht anders kann, als zu lachen.

Perfekt im Zeitgeist

Das Musical ist eigentlich schon ein paar Jahre alt, fängt aber den Zeitgeist perfekt auf – ein bisschen feministisch, ein bisschen absurd, super campy und erwartungsbrechend geht man mit einem ähnlichen Gefühl aus diesem Musical wie man letzten Sommer aus dem Barbie-Film ging. Und obwohl es in vielen Bereichen Regeln des klassischen Musical-Theaters bricht, funktioniert es fantastisch: das angelnde Drumherum lässt alle Augen auf den Königinnen, deren Performance auf die letzte Bewegung perfekt sitzt. Die meisten Songs sind schnell, poppig und eingängig, es gibt keine Pause, kaum Zeit zwischendrin durchzuatmen. Am Publikum erkannten wir, dass diese Taktik die Musical-Bühne auch einer ganz neuen Zielgruppe schmackhaft machen konnte. Das Publikum ist jünger, alternativer angezogen, trägt kleine Tiaras oder die Farbe der Lieblingskönigin. 

Ein Wandel in der Welt des Theaters?

Six scheint ein gutes Maß zu sein, um zu sehen, wohin sich die Musical-Welt in den nächsten Jahren entwickeln könnte. Und wir schauen positiv auf diese Zukunft, weil das Deutsche Theater noch nie so vor viel Gen Z-aphiner Energie und Spaß getrotzt hat. Jede einzige der Königinnen könnte mit ihrer Bühnenpräsenz und dem Gesangstalent genauso gut das Olympiastadion Entertainen. Wir sind froh, dass sie es für uns im Deutschen Theater getan haben. 

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