Ballettkritik

Paradigma: Fragmente von zeitgenössischem Tanz

/ / Bild: W. Hösl

Vier Choreograf:innen, drei Stücke und 19 Tänzer:innen – das braucht es angeblich, um die aktuellen tänzerischen Ausdrucksformen im zeitgenössischen Ballett widerzuspiegeln. Zumindest ist dies das Ziel des Ballettabends “Paradigma” im Live-Stream der Bayerischen Staatsoper

Hell und dunkel, schnell und schleichend, fallen und gefangen werden: Die vielen Elemente und Ausdrucksformen innerhalb der Aufführung von “Paradigma” sind kaum zählbar und doch bleiben sie in Erinnerung. Diese verschiedenen Impulse stecken auch hinter der Namensgebung des Ballettabends. Sie sollen entweder der vorgegeben Struktur des jeweiligen Paradigmas folgen oder diesem entgegenwirken. Hierfür hat das Bayerische Staatsballett drei Stücke unterschiedlicher Choreograf:innen auf die Bühne gebracht. Doch wie gestalten sich die verschiedenen Ausdrucksformen? Und welchen Eindruck hinterlassen sie?

Broken Fall

Broken Fall, J. Zhang, J. Cook, J. Kakareka © W. Hösl

Der Abend beginnt mit einer Choreografie aus dem Jahr 2003. In grauem Licht werden hier zwei Tänzer und eine Tänzerin von der choreografischen Handschrift des Briten Russel Maliphant geführt. Gewicht wird gegeben und genommen, während die Tänzer:innen vom starren Rhythmus der Musik getragen werden. Mal entsteht eine Spannung, man erwartet etwas, vielleicht den “Broken Fall”, doch der Funkenschlag bleibt schlussendlich aus.

Bedroom Folk

Ensemble © Katja Lotter

Was bei Broken Fall fehlt, wird hier nachgeholt: die Leidenschaft. Hierfür sorgt neben der Choreografie von Sharon Eyal und Gai Behar auch die Musik von Ori Lichtik. Teils in Gruppen geballt, teils als individuelle Figuren, beginnen die acht Tänzer:innen eine geladene Atmosphäre zu schaffen. Es kommt einem vor wie eine Fusion aus Techno und Tango, was da auf der Bühne passiert. Fast schon ekstatisch und doch dem Rhythmus treu wurde so ein kleines Feuer entzündet.

With A Chance Of Rain

Ensemble © W. Hösl

Statt vor dem Feuer kommt sie in Paradigma danach: die Flut. Beziehungsweise ist es in dem Stück von Liam Scarlett der Regen. Und ob dieser wirklich fällt, möchte der Choreograf in “With a Chance of Rain” der Beobachter:in überlassen. Passend zu der möglichen Wetterlage schafft das warme Licht zusammen mit den Grautönen der Bühne den Eindruck, als wären dunkle Wolken aufgezogen. Man wartet also zu den Klavier-Präludien von Sergei Rachmaninow auf die ersten Tropfen, während auf der Bühne ein ästhetisches Bild nach dem anderen entsteht. 

Verbindung oder Kontrast? 

Die Eindrücke, die hinterlassen werden sind viele: angespannt, impulsiv, leidenschaftlich, melancholisch und romantisch. Teilweise ist es auch langweilig. Was fehlt, ist schwer zu sagen. Entweder ein stärkerer roter Faden, welcher die einzelnen Elemente zusammenhält, oder eben ein größerer Bruch in Stil und Ausführung. Denn so befindet sich “Paradigma” in einem Zwischenraum – doch vielleicht war auch genau das die Intention: genug Gemeinsamkeit und Unterschiede, um einen eigenen Bereich zu eröffnen. 

Paradigma war am 4. Januar als achtes Montagsstück im Live-Stream der Bayerischen Staatsoper zu sehen. Aktuell wurde noch nicht bekanntgegeben, ob und wann es den Ballettabend erneut zu sehen gibt. Trailer und Bildmaterial gibt es auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper zu sehen.