Filmkritik

Nope

/ / Bild: Universal Studios

Jordan Peele ist mit seinem Regiedebüt Get Out (2017) ein Überraschungserfolg gelungen. Mit Nope (2022) will er jetzt an das Erfolgsrezept aus Horror abseits der Norm und subtiler Gesellschaftskritik anknüpfen. Gelingt die Mischung aus Der weiße Hai (1975) und dem Western-Genre oder zieht der Film doch genauso schnell wieder an den Zuschauer:innen vorbei wie die ominöse Wolke?

Nope beginnt ganz gemächlich: Ein Geschwisterpaar leitet zusammen mit ihrem Vater die Haywood Pferderanch. Das hat auch einen Grund: Einer ihrer Ur-Ur-Großväter war die erste Person of Colour im frühen Film und ritt dabei auf einem Pferd. Doch als eines Tages Schlüssel aus einer Wolke regnen und den Vater schwer verletzen, machen sich OJ (Daniel Kaluuya) und seine Schwester Emerald (Keke Palmer) daran, herauszufinden, was es damit auf sich hat. Was verbirgt sich hinter der mysteriösen Wolke in der Nähe der Ranch, die sich nicht zu bewegen scheint?

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Der Trailer zu Nope

Eine Packung Genre-Mix

Auf dem Weg zur Auflösung, was genau hinter der mysteriösen Wolke steckt, erwartet das Publikum bei Nope ein wilder Genre-Mix. Mal fühlt sich der Film wie ein Neo-Western, mal wie ein ein Action-Thriller an. Peele zementiert dabei erneut seine Stellung als Schöpfer von frischen und unkonventionellen Horrorfilmen. Statt Angst vor der unbekannten Wolke zu haben, wird diese von den Protagonist:innen fast schon beiläufig abgetan. Der Regisseur hält hier also der Aufmerksamkeitsgesellschaft, die durch die mediale Reizüberflutung weitestgehend abgestumpft ist, den Spiegel vor. Das alles klingt auf dem Papier nach einem Erfolgsrezept, die Ausführung ist jedoch nicht immer gelungen.

Statt dem Grauen ins Auge zu Blicken, reitet OJ (Daniel Kaluuya) einfach weg – getreu dem Motto des Films/Bild: Universal Studios

Masse statt Klasse

Denn Nope ist voll von Subtext und wirkt dadurch in vielen Momenten überfrachtet. Auffällig ist allen voran die Konsum- sowie Kapitalismuskritik der westlichen Gesellschaften, die sich in abgewandelter Form auch in Peeles Vorgängerwerk Wir (2019) findet. Die Wolke verkörpert dabei die Aufmerksamkeitsökonomie, bei der es nur noch darum geht, gesehen zu werden – egal welchen Preis die Menschen dafür zahlen müssen. Ein weiteres Beispiel wäre die Umkehr des Western-Genres. Fast keine der Protagonist:innen, die im Film auf den Ranches arbeiten, sind weiß. Das sind alles interessante Themen, doch setzt der Regisseur hier nicht zwingend auf Qualität sondern eher auf Quantität. Teilweise werden einige Thematiken derart unsubtil gezeigt, dass sich die Zuschauer:innen durchaus beim Augenrollen erwischen könnten.

Der ehemalige Kinderstar Ricky Park (Steven Yeun) fordert die klassischen Western-Konventionen heraus/Bild: Universal Studios

Geltungsdrang und Familienprobleme

Bei diesem bunten Themenkaleidoskop bleiben die grundlegende Story und allen voran die Figuren auf der Strecke. Denn charakterliche Tiefe bekommen im Endeffekt nur ein paar der wenigen Protagonist:innen. Daniel Kaluuya spielt OJ als tiefenentspannten Rancher, der an dem Erbe seines Vaters zu knabbern hat, während seine Schwester Emerald versucht, Tradition und Moderne zu vereinen. Dann wäre da noch die interessanteste Figur des Films, der ehemalige Kinderstar Ricky Park (Steven Yeun). Gerade dessen charakterliche Zerrissenheit, die durch sein Kindheitstrauma geprägt ist, wird fantastisch dargestellt. So versucht Park dieses durch die gelebte Illusion eines Vergnügungsparks in Form einer Ranch vergeblich zu unterdrücken. Gerade deswegen ist es so schade, dass dieser vielschichtigen Figur in Nope nur wenig Raum gegeben wird.

Stattdessen treten zwei weitere Charaktere auf den Plan, die flacher und stereotyper nicht sein könnten. Doch so unterschiedlich sie sind, verbindet alle Figuren dabei das große Leitmotiv des Films: Die Geltungssucht in Form von Reichtum und Ruhm. Diese Eigenschaft bringt aber ein großes Problem mit sich: Im Endeffekt wirkt keine der Figuren, abseits von OJ, sympathisch. Dadurch kommt oftmals kein wirkliches Mitgefühl für deren Schicksal auf, weshalb der Film in vielen Momenten vor sich hin plätschert, anstatt mitzureißen.

Regisseur Jordan Peele setzt zusammen mit Kameramann Hoyte van Hoytema bei Nope auf große Bilder/Bild: Universal Pictures

Die Renaissance des Neo-Westerns

Was Nope jedoch sehenswert macht, ist die brillante Kameraarbeit von Hoyte van Hoytema (Tenet). Denn dieser fängt die Weiten der Western-Landschaft mit einer Leichtigkeit ein, die an alte Klassiker wie High Noon (1952) erinnert. Gleichzeitig gelingt es van Hoytema aber auch immer wieder, von Blockbuster-Bildern hin zu kleinen, detailreichen Momentaufnahmen zu wechseln. Beispielsweise als OJ im Stall nach Eindringlingen sucht: Hier spielt die Kamera mit wechselnder Tiefenschärfe, um Spannung und eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen. Das ist genauso erfrischend, wie fantastisch zum Ansehen – hier machen sich die knapp 70 Millionen Dollar Budget definitiv bemerkbar.

Minimalismus statt Blockbuster

Nope ist ein Film, der aufgrund seines hohen Budgets vieles auf einmal sein möchte und so zu einem Wust von Ideen verkommt. Zwar ist die Kameraarbeit brillant und das Spiel mit den Genres und Subtexten durchaus gekonnt, doch täuschen sie nicht über die Probleme des Films hinweg. Weitestgehend uninteressante Figuren, der ein oder andere Jumpscare zu viel, oder die deutlich zu lange Laufzeit des Films. Letztendlich hätte der Regisseur in vielen Momenten lieber auf Minimalismus setzen sollen, statt großen Blockbustern nachzueifern. Das Potenzial, dass Peeles neuestes Werk besitzt, ist in vielen Momenten spürbar – nur schade, dass er dieses oftmals nicht voll ausnutzt.

Nope von Regisseur Jordan Peele läuft ab dem 11.08.2022 in den Kinos.