M94.5 Kulturkritik

Ingo Maurer intim. Design or what?

/ / Foto: Anna Seibel

An der Schnittstelle von serientauglichem Design und Lichtkunst hat er angesetzt: Ingo Maurer. Seit den 60ern hat der deutsche Lichtgestalter Pionierarbeit geleistet, wie vor ihm wahrscheinlich nur die Mitglieder des Bauhaus. Maurer hat die allererste serienreife LED-Tischlampe entwickelt, gemeinsam mit dem Unternehmen Osram wegweisende neue Lichtsysteme kreiert und Lichtkonzepte für öffentliche Räume gestaltet – in München besonders bekannt: die U-Bahn-Station Münchner Freiheit. Diesem Lieblingskind des Lichtdesigns widmet die Neue Sammlung der Pinakothek der Moderne nun die Ausstellung „Ingo Maurer intim. Design or what?“.

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Eines der letzten Interviews:
Ingo Maurer in der Neuen Sammlung der Pinakothek der Moderne

Die traurigen Fakten gleich zu Beginn: „Ingo Maurer intim. Design or what?“ ist die letzte Ausstellung, an der der Lichtgestalter noch selbst mitgewirkt hat. Kurz vor Ausstellungseröffnung, am 21. Oktober 2019, ist der Meister des Lichts verstorben – 87-jährig, jedoch bis kurz vor seinem Tod noch im kreativen Einsatz für die Pinakothek. Noch im Mai 2019 hat er in der Rotunde der Pinakothek seine Installation „Pendulum“ eingeweiht. Nun haben Maurer und sein Team der Neuen Sammlung eine Ausstellung hinterlassen, die von den frühesten Arbeiten bis zu hin zu wenige Monate alten Kreationen einen faszinierenden Überblick über das Lebenswerk des Lichtgestalters gibt.

Von Design bis Kunst

Angefangen hat alles mit der ikonischen Leuchte „Bulb“ (1966), die – in Form einer gläsernen Glühbirne – die Glühbirne als Lichtquelle ins Zentrum stellt und zu Design erhebt. Und mit ihr beginnt auch die Ausstellung „Ingo Maurer intim. Design or what?“. Sie stellt die frühen, noch sehr graphischen und noch mehr dem Design als der Kunst verhafteten Entwürfe an den Beginn. Der Aufbau von „Ingo Maurer intim“ ist chronologisch, die Besucher*innen erleben die gezeigten Objekte wie auf einem Zeitstrahl: Meter für Meter wird es moderner, jünger und mehr und mehr Kunst. Die Ausstellung zeigt papierdünne Lichttapeten, die filigrane, leuchtende Muster zeigen, strahlende Sitzbänke oder Hologramme. Egal ob Papier, Porzellan oder Plastik – Maurer bringt jedes Material zum Leuchten.

Zwischen Licht und Schatten

Dass diese Ausstellung die letzte ist, an der der große Lichtgestalter selbst mitpraktiziert hat, gibt der Schau einen wehmütigen Beigeschmack. Jedoch: Kein Licht ohne Schatten – das gilt metaphorisch für diese Ausstellung wie für Ingo Maurers Arbeiten, die stets mit dem Wechselspiel von Leuchte und Schattenwurf, aber auch von Ruhe und Bewegung, spielerischer Optik und hochentwickelter Technik arbeiten. Die gezeigten Objekte zeugen dadurch ganz klar von künstlerischem Geist. Eigentlich wurden die meisten Leuchten ja aber nicht geschaffen, um im Museum zu stehen, sondern um private Räume zu erleuchten. Nicht nur zeugt die luftige, helle Anordnung der Objekte von einer gelungenen Kuration. Sie bestärkt den Traum, eine Maurer-Leuchte auch ins eigene Wohnzimmer zu hängen und somit ein Stück vom lichtgewordenen Glück mit nachhause nehmen zu können ungemein.

Aus dem (Nach-)Leben einer Maurer-Leuchte

Dabei macht Maurer die Besitzer*innen zu künstlerischen Mitgestaltern. Die Leuchte „Zettel’z“ (1997) beispielsweise erhält ihr*e Käufer*in mit leeren weißen Blättern und der Aufforderung, diese zu individualisieren. Die papiernen „MaMo Nouchies“ (1998) müssen sich die Besitzer*innen ebenfalls zuhause erst arrangieren. Außerdem können alle Lampen zum Reparieren immer wieder in die Designerei des Teams Ingo Maurer nach München-Schwabing gebracht werden. Das macht jede der Maurer-Leuchten zu einem Unikat von langer Lebensdauer und seine*n Besitzer*in zum künstlerischen Komplizen. Ingo Maurers höchstes Ziel soll es gewesen sein, mit seinen Arbeiten Menschen zum Lächeln zu bringen.

Anekdotenreiches Begleitprogramm

Über Ingo Maurers Arbeitsweise existieren zahlreiche Anekdoten, die die Kuratorin der Ausstellung und zahlreiche Teammitglieder humorvoll wiederzuerzählen wissen. Dass Maurer die roten Storchenbeine seiner Leuchte „Bibibibi“ angeblich in einem Woolworth-Laden in der Münchner Ludwigstraße stibitzt haben soll. Oder wie die imposante Deckenlampe „Porca Miseria“ (ein ital. Kraftausdruck) zu ihrem Namen kam. Schon allein für solche Geschichten lohnt es sich, an einer der drei raren Führungen teilzunehmen, die Kuratorin Dr. Xenia Riemann-Tyroller in den nächsten Monaten quasi „aus erster Hand“ gibt. Am 04.12.2019, 13.02. und 08.10.2020 finden diese statt. Wer noch tiefer in den Maurer’schen Kosmos eintauchen möchte, kann sogar an einer Stadtführung mit dem Team Ingo Maurer teilnehmen. Termine für 2020 werden unter www.die-neue-sammlung.de angeboten.

Die Ausstellung „Ingo Maurer intim. Design or what?“ ist vom 15.11.2019 bis zum 18.10.2020 in der Neuen Sammlung im Untergeschoss der Pinakothek der Moderne zu sehen.