Geothermieanlage in Sauerlach

Geothermie

Ein Hoffnungsschimmer in der Energiekrise?

/ / Geothermieanlage in Sauerlach. Bild: Stadtwerke München

Geothermie ist das Stiefkind unter den Technologien der Energiewende. Dabei ist das Potenzial groß – gerade in München.

Dreitausend Meter tief unter München brodelt das heiße Thermalwasser. Von der Glühhitze des Erdkerns erwärmt, erreicht es Temperaturen von bis zu 100 Grad Celsius. Kilometerdicke Gesteinsschichten, gebildet in Äonen, trennen es von uns Erdkrustenbewohner:innen. Es liegt ein flüssiger Schatz in der Tiefe verborgen – ein Schatz, den die Menschheit nutzen kann.

Geothermie in München

Und das tut sie auch, zum Beispiel in München. Die Stadt gewinnt an verschiedenen Standorten Wärme und Energie durch Geothermie. Im Jahr 2004 ging in Riem die erste Anlage der Stadtwerke München in Betrieb – seitdem sind fünf weitere hinzugekommen und noch mehr sind geplant. Darunter ist auch die leistungsstärkste Geothermieanlage Deutschlands in Sendling, die rund 80.000 Münchner:innen mit klimaneutraler Wärme versorgt. 

Münchens erste Geothermieanlage in Riem. Durch die Rohre wird das Thermalwasser aus der Tiefe und wieder zurück gepumpt. Bild: Stadtwerke München

Die Technik dahinter ist simpel: Durch Bohrlöcher wird das heiße Thermalwasser in der Tiefe angezapft und an die Oberfläche befördert. Dort fließt es durch Wärmetauscher und erhitzt das normale Trinkwasser, das schließlich aus unseren Wasserhähnen und Duschköpfen sprudelt oder unsere Zimmer wärmt. Das abgekühlte Thermalwasser strömt nach dem Wärmetausch zurück ins Erdinnere. Und allzu schnell droht es uns nicht auszugehen: Allein in den obersten drei Kilometern der Erdkruste ist theoretisch genug Wärmeenergie gespeichert, um den menschlichen Bedarf der nächsten 100.000 Jahre zu decken.

Energiewende durch Geothermie

Geothermie zählt zu den erneuerbaren Energien und kann eine Lösung für das zentrale Problem der Energiewende sein: Die konstante Energieverfügbarkeit. Andere Erneuerbare wie Wind und Sonne produzieren zu manchen Zeitpunkten sehr viel, zu anderen überhaupt keinen Strom. Wenn die Sonne gerade nicht scheint, kann auch keine Photovoltaikanlage Energie erzeugen. Die Geothermie kann jedoch – ähnlich wie beispielsweise Atomkraftwerke – Tag und Nacht einen Grundbedarf an Energie decken; mit dem Unterschied, dass sie dabei keinen toxischen Atommüll produziert. Und dieser Vorteil wird schon jetzt konsequent genutzt: Selbst am Weihnachtsabend sitzt ein:e Mitarbeiter:in der Stadtwerke in der zentralen Schaltstelle, damit die Münchner Geothermieanlagen Energie aus der Tiefe gewinnen können.

Geothermieanlagen haben keinen großen Platzbedarf und sind emissionsfrei. Bild: Stadtwerke München.

Eine saubere Energieform, die ständig und praktisch grenzenlos verfügbar ist: Es scheint, als könnte die Geothermie all unsere Energieprobleme lösen. Und dennoch fristet sie ein Nischendasein in unserem Energiesystem und ist auch öffentlich weit weniger bekannt als Windkraft oder Photovoltaik. Stefan Birle, Verantwortlicher für dezentrale Energieversorgung der Stadtwerke München, nennt einen wichtigen Grund:

“Die Anfangsinvestition, die Bohrungen, die sind sehr teuer und aufwendig. Man muss auch die richtigen Gebiete finden. Das ist so das Hauptthema, warum Geothermie bisher noch nicht so genutzt worden ist, weil wir bis jetzt eben günstige andere Energien hatten.” 

Es sind also vor allem ökonomische Bedenken, die den breiten Ausbau der Geothermie bisher verhinderten. Denn wenn sich herausstellt, dass eine teure Probebohrung an einer ungünstigen Stelle durchgeführt wurde, an der kein heißes Wasser angezapft werden kann, waren die Bohrungen nutzlos – und riesige Summen an Geld gehen verloren. Billigere Energiegewinnungsformen, beispielsweise das Verbrennen von Kohle und Gas, waren deshalb bislang erfolgreicher, trotz ökologisch katastrophaler Konsequenzen.

Die Zukunft der Geothermie

Doch die Zeiten von billigem Öl und Gas liegen in der Vergangenheit und ob die Preise wieder sinken, bleibt fraglich. Das erhöht die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit der Geothermie. Und auch technologisch entwickelt sie sich weiter.

Im Rahmen der Geothermie gibt es auch andere Techniken, die allerdings mehr in der Anfangsentwicklung sind, wo ich auch einfach heißes Gestein nutzen kann, um Wasser dann zu erwärmen.”

Stefan Birle, SWM

Damit würde Geothermie auch an Orten, an denen kein heißes Wasser, sondern nur heißes Gestein in der Tiefe schlummert, möglich.

Die ökologischen und geopolitischen Krisen der Gegenwart verlangen neue Lösungen. In Deutschland herrscht ein nie da gewesener Bedarf an ökologischer Energie, die das Land unabhängiger von ausländischen Energielieferungen macht. Und auch global steigt die Nachfrage nach grüner Energie. Die Geothermie könnte eine Chance sein, diese Ziele zu erreichen.