Der perfekte Chef

Filmkritik

Der perfekte Chef

/ / Bild: Alamode Film

Eine rote Wand mit sehr vielen Auszeichnungen für die Firma, alle einzeln angestrahlt. Ein leuchtender Kreis ist noch frei. Die preisgekrönte spanische Kinosatire Der perfekte Chef hinterfragt Ideale von “perfekten” Arbeitsverhältnisse und einem “väterlichen” Chef.

Kennt ihr diese Filme und Serien, in denen eine Autoritätsperson sich in die privaten Probleme einmischt, die Menschen dann Zuhause besucht und sich fast wie ein Familienmitglied postuliert? Häufig handelt es sich dabei um Lehrkraft und Schüler:innen, wie etwa bei Fack Ju Göthe. Wie dieses vielleicht problematische Verhältnis – statt im Ausbildungskontext – in der Arbeit aussehen könnte, erzählt der Kinofilm Der perfekte Chef.

Javier Bardem, u.a. aus den Pirates of the Caribbean oder No Country for Old Men bekannt, spielt Julio Blanco. Dieser ist der Chef einer Fabrik für Industriewaagen in einer spanischen Provinzstadt. Eine Auszeichnung für hervorragende Geschäftsergebnisse steht an und dafür soll alles perfekt laufen. Nach und nach geht aber immer mehr schief – doch der Schein muss gewahrt werden.

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Trailer zu Der perfekte Chef

Das rissige Bild der perfekten Familie

Der Film beginnt mit Blanco, der auf einem Kran erhöht zu seinen Arbeitnehmer:innen in der Halle spricht: Er fühle sich als Vater seiner Mitarbeiter:innen und all dem, was sie gemeinsam schaffen. Die anwesenden Jounalist:innen sind umringt von den lächelnden Gesichtern der Angestellten – die PR-Aktion gelingt.

Ein guter Chef bemüht sich um ein gutes Arbeitsklima und nimmt die Probleme seiner Mitarbeiter:innen ernst. Genau das versucht auch Blanco. Sein Büro ist dafür die perfekte Metapher: ein Raum mit Glaswänden, die Transparenz und Nahbarkeit darstellen. Doch das Sorgen um die Angestellten zieht sich auch in den privaten Bereich fort: Dabei werden Grenzen überschritten, die im wirklichen Leben als problematisch angesehen werden könnten. Die Figuren im Film scheinen die privaten Fragen aber weniger zu stören.

Aber durch das Bild der perfekten Arbeitsfamilie zieht sich ein Riss: Ein Arbeitnehmer wurde entlassen. Er protestiert fortan vor den Toren der Firma. Für Ablenkung sorgt eine neue Praktikantin, welcher der verheiratete Blanco häufiger hinterherschaut. Doch ihr Ehrgeiz und sein Gedanke an eine nur kurzzeitige Affäre stehen einander im Weg.

Die Praktikantin (Bild: Almode Film)

Manipuliertes Gleichgewicht

Durch den Handlungsstrang mit der Praktikantin setzt der Regisseur Fernando León de Aranoa einen Fokus auf Manipulation und Ungleichgewicht. Dies zeigt sich auch besonders gut, durch die Waage am Sicherheitstor der Firma. Ein Vogel setzt sich besonders gern auf die eine Seite, wodurch das Gleichgewicht gestört ist. Blanco ist es sehr wichtig, dass das perfekte Funktionieren der Firma schon an der Waage dargestellt wird und gibt verschiedenes dafür in Auftrag. Die Liebe zu bildlichen Metaphern – wie die der Waage und des gläsernen Büros – ist eine der großen Stärken des Films. So trägt die Hauptfigur sogar einen sprechenden Namen: Blanco – wie sein um Perfektionismus und das Bemühen um eine weiße Weste.

Fleiß, Balance, Treue- das Firmenmotto (Bild: Almonde Films)

Vergötterung eines nahbaren Chefs – doch wenig Liebe für andere Figuren

Welche Stellung der Film zu seiner Hauptfigur bezieht, bleibt einen Großteil der Satire schwammig. Denn die Figuren vergöttern ihn – mit wenigen Ausnahmen. Problematisiert wird seine Art fast ausschließlich durch die Praktikantin und den Demonstranten. Während Blanco als Hauptfigur in seinen Charaktereigenschaften gut durchleuchtet wird, verlieren viele andere Figuren an Eigenleben. Alle Charaktere des Films sind zudem stark an Stereotype angelehnt – Stichwort Praktikantin. Dadurch kann schnell das Interesse für die einzelnen Handlungsstränge des Films verloren gehen.

Komik, die spanische Preise absahnt

Die spanischen Kritiker:innen scheinen die kaum ausgearbeiteten Figuren weniger gestört zu haben: El buen patrón hat unter anderem 20 Nominierungen und 6 Preise bei den Goyas, den spanischen Oscars, erhalten. Die Auszeichnung als besten männlichen Schauspieler hat sich Javier Bardem definitiv verdient. Zuletzt entlockt der kluge, bissige Humor des Films zumindest einige Schmunzler, wenn auch lautes Lachen selten im Kinosaal zu hören ist.

Der perfekte Chef läuft seit dem 26. Juli 2022 in den deutschen Kinos und dauert 120 Minuten.