Filmfest 2025

Das Sommerbuch

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Eine kleine Insel im finnischen Meerbusen, Tochter, Vater und Großmutter – und ganz viel Zeit und Ruhe. Im Film „Das Sommerbuch“ bietet ihr Sommerurlaub den Dreien den Raum, den sie brauchen um zu verarbeiten und sich näherzukommen.

„Das Sommerbuch“ ist ein ruhiger Film. Neben den wenigen Dialogen steht das Bildliche und die Natur im Zentrum. Um mit der Tod seiner Frau umzugehen, hat sich der Vater vorgenommen, einen blühenden Garten auf der Insel zu Erschaffen. Im Zentrum davon eine Pappel, der Lieblingsbaum seiner Frau. Tagelang bearbeitet er die felsige Landschaft und schafft es nach und nach, in den Ritzen der Steine, kleine blühende Flecken zu schaffen. 

Ich mag es, wenn er arbeitet. Dann weiß ich wo er ist.

Das Sommerbuch

Tochter Sophia macht sich Sorgen. Mehr darum, dass ihr Vater scheinbar nichts mehr mit ihr unternehmen will als über den Verlust ihrer Mutter. Den gesamten Film über versucht sie, Anschluss zu finden. Sie hängt sich an ihre Großmutter, gespielt von Glenn Close, die die Insel seit Jahrzehnten besucht, redet ununterbrochen um die Stille zu füllen und stellt große philosophische Fragen auf.

 

Vater (Anders Danielsen Lie) auf dem Hausdach mit Wetterfahne, Bild: Roxanna Reiss

Sogar die Katze, die der Postbote eines Tages vorbeibringt, weist Sophia ab. 

Je mehr ich sie liebe, desto mehr hasst sie mich.

Das Sommerbuch

„Das Sommerbuch“ von Filmemacher Charlie McDowell ist bisher nur in wenigen Ländern in den Kinos erschienen, darunter das Produktionsland Finnland. Es basiert auf dem gleichnamigen Roman der finnlandschwedischen Autorin Tove Jansson. Seit dem Release 2024 ist „Das Sommerbuch“ auf zahlreichen Filmfestivals für Preise nominiert und gespielt worden. Beim Filmfest München ist der Film für den CineKindl-Award nominiert, also einen Kinderfilmpreis. „Das Sommerbuch“ ist zwar kindgerecht gestaltet, die Tiefe der Themen und die sehr impliziten Gefühlszustände der Figuren entfalten ihre Wirkung jedoch eher für ein älteres Publikum. Auch ist die Handlung eher zweitrangig, neben wenigen und eher kurzen Spannungsmomenten liegen die Stärken des Films in den Gedankengängen und Gefühlen, die er beim Publikum auslöst. 

Trauer

Jede der drei Figuren hat mit Trauer zu kämpfen. Vater und Tochter trauern Sopias Mutter nach, Sophia zusätzlich dem Verlust von Anschluss in ihrer Familie. Sophias Großmutter hingegen kämpft mit dem älter werden. Sie wird vergesslicher und trauert den Erinnerungen nach, die sie nicht mehr hat. All das geschieht jedoch ohne viele Worte und eher implizit. Das gibt dem Publikum Raum, die eigenen Gefühle auf die Leinwand zu projezieren.

Natur

Auf ihrer Insel sind die Charaktere der Natur gnadenlos ausgesetzt. Den Kontrollversuchen des Vaters beugt sie sich nur wiederwillig, Sophia darf die Insel jeden Tag neu entdecken, während die Großmutter in vollem Einklang mit der Natur lebt. Die Klänge der Insel sind eine Konstante durch den Film. Mal sind es Vögel, oft jedoch das Wetter, also Regen oder Wind, die unter jedem Dialog, jeder Musik zu hören sind. Sobald die Sonne untergeht ist auch das Atmen der Großmutter präsent. Schwer und angestrengt und im Einklang mit den Wellen. Bildlich arbeitet der Film mit langen Einstellungen. Als Zuschauer:in kann man mit Musik untermalte Sonnenauf- und untergänge genießen, sowie Shots vom Sommerhaus in der Nacht oder den Wellen am Ufer.

Großmutter (Glenn Close) mit Schirm auf Fels, Bild: Roxanna Reiss

Menschlichkeit

Die Stärke des Films liegt in der unheimlich menschlichen Darstellung der Charaktere. Nicht nur die verschiedenen Gefühlswelten, sondern auch im Schauspiel sind die Charaktere überraschend realistisch. Im Gegensatz zu der sehr romantischen visuellen Darstellung des Films. Mit nur wenigen Schnitten pro Szene wirken die Bewegungen der Drei natürlicher. Die Großmutter dreht sich ächzend im Bett hin und her, Atmer sind nicht stumm sondern bekommen Raum. Die Großmutter kämpft mit ihren dritten Zähnen, ebenso wie dem nächtlichen Toilettengang neben dem Haus. 

„Das Sommerbuch“ ist ein Film zum Versinken und die Gedanken treiben lassen, angestoßen von Sophies Fragen an ihre Großmutter. Er berührt, auch weil er dem Publikum die Freiheit gibt, die eigenen Gefühle in die Charaktere zu legen.

“Das Sommerbuch” wurde am 28. sowie dem 30. Juni auf dem Filmfest München als Nominierter Film des CineKindl Awards gezeigt.