Kommentar

Das Lehramt muss attraktiver werden!

/ / Bild: M94.5/Andre Wengenroth

Der Lehrkräftemangel in Bayern ist bereits seit Jahren zu hoch. Der Freistaat Bayern muss deshalb auf pensioniertes Lehrpersonal und Lehramtsstudierende zurückgreifen. M94.5-Redakteur Phillip Reinhardt findet, dass das nicht die langfristige Lösung sein kann und der Lehrberuf wieder attraktiv gemacht werden muss. 

Verkürzter Unterricht, fehlende Förderstunden an Grund- und Mittelschulen, sowie größere Schulklassen. Das sind die Folgen von einem seit Jahren bestehenden Lehrkräftemangel an bayerischen Schulen. Denn laut dem bayerischen Philologenverband arbeitet die Hälfte der Lehrkräfte nur noch in Teilzeit. Die Gründe: Steigende Belastungen für die Lehrkräfte und ein höheres Bewusstsein für die Gefahr von Burnout und Depressionen.   

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Vor allem beim Grund- und Mittelschullehramt ist der Lehrermangel deutlich zu groß. Ich finde, dass Bayern neue Lehrkräfte anwerben muss und nicht die bereits Pensionierten anbetteln sollte, ihren Ruhestand nach hinten zu verzögern. Dafür muss der Freistaat den Beruf aber wieder attraktiv machen.  

Mehr Geld und Mehr Pädagogik

Das beginnt bereits beim Gehalt. In Bayern verdient eine frisch verbeamtete Real- oder Gymnasiallehrkraft knapp 700 Euro brutto mehr, als die Kolleg:innen an den Grund- und Mittelschulen. Die bayerische Staatsregierung begründet diesen Gehaltsunterschied mit einem vertiefteren Studium. Dies bedeutet aber keineswegs mehr Pädagogik, sondern reines Fachwissen. Der Fokus auf der Erziehungswissenschaft ist beim Grund- und Mittelschullehramt hingegen deutlich höher. 

Durch Gespräche mit Gymnasiallehrkräften entsteht aber der Eindruck, dass sich viele genau das auch für ihre Ausbildung wünschen. Mehr Pädagogik statt überflüssig viel Fachwissen. 

Ich selber studiere Lehramt für das Gymnasium im 6. Semester. Zwar habe ich noch einige Jahre Fachstudium vor mir. Meine Pädagogik Ausbildung habe ich aber jetzt schon fast abgeschlossen. Trotzdem fühle ich mich nicht gut vorbereitet. Ich sehe mich noch nicht in einem Klassenzimmer mit pubertierenden Jugendlichen, die sich relativ wenig für das “Present Perfect” interessieren. Kein Wunder also, wenn viele Lehrkräfte wegen Überforderung und Stress lieber in Teilzeit arbeiten oder den Beruf ganz hinschmeißen.   

Das Staatsexamen reformieren

Angst und Stress erleben Lehrkräfte aber schon viel früher. Bei allen Schulformen wird das Staatsexamen immer wieder von Studierenden kritisiert. Häufig müssen Studierende den Stoff für die 1. Lehramtsprüfung neu erlernen. Zum Beispiel im Fach Geschichte liegt der Fokus des Studiums überhaupt nicht auf den Anforderungen des Staatsexamens. Laut dem bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband sind die Prüfungen außerdem nicht transparent genug.  

Den Quereinstieg vereinfachen

Die wohl wirksamste Maßnahme, um kurzfristig die fehlenden Stellen zu besetzen wäre mehr Quereinsteiger:innen anzuwerben. Zwar hat das Kultusministerium die Hürden für einen Schulartwechsel – beispielsweise von der Realschule zur Mittelschule – reduziert. Für Menschen, die aber aus anderen Berufen in das Lehramt wechseln wollen, hat der Freistaat aktuell nur Stellen am Gymnasium ausgeschrieben. Genau da, wo das Personal am wenigsten gebraucht wird.  

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Wie sollen also neue Lehrkräfte angeworben werden, wenn bereits das Studium abschreckt?  Wenn Lehrkräfte zu schlecht auf ihren Beruf vorbereitet werden? Wenn die Gehaltsunterschiede die Grund- und Mittelschulen unattraktiv machen? Der Freistaat sucht sich lieber kurzfristige Lösungen, als das Problem endlich langfristig anzugehen. Für viele Lehrkräfte ist der Beruf eine Berufung, wird in der aktuellen Situation aber zum Albtraum.