Döll im Interview

Das Debüt des Routiniers

/ / Bild: LANDSTREICHER BOOKING GMBH

Vor vier Jahren veröffentlichte Döll mit Weit Entfernt eine gefeierte Debüt-EP, nach der ihm Kritiker*innen und Fans eine große Zukunft vorausgesagt haben – nur um sich dann in Dendemann’scher Art erst einmal zurückzuziehen. Bis er vor eineinhalb Jahren mit seinem Bruder, dem Rapper Mädness die Platte „Ich und Mein Bruder“ rausbrachte, über die die Fachpresse das sagte, was auch auf die kommende Solo-Platte Nie oder Jetzt zutrifft: „Dieses Album musste ­irgendwann passieren.“

Vier Jahre, keine Solo-Veröffentlichung – und trotzdem ist der Rapper in den letzten Jahren nicht gerade faul gewesen: Tour-Support von Audio88 & Yassin, ein Kollabo-Album mit seinem Bruder Mädness, diverse weitere Singles und eine Tour mit seinem Bruder, Features mit Audio88 & Yassin und sogar ein Podcast. Wer so viel veröffentlicht und featured, für den sollte so ein Solo-Debüt keine große Sache, ja fast schon Routine sein, aber es ist Dölls erste Platte auf Albumlänge. Und die fühlt sich mit einer ganzen Menge Eigeninitiative auf jeden Fall wie ein Solo-Debüt an, erklärt er uns im Interview.

Den Unterschied zur Zusammenarbeit mit seinem Bruder oder anderen Künstlern sieht er vor allem in der Arbeitsweise: „Dadurch, dass ich allein bin im Produktionsprozess ist es so, dass ich alle Entscheidungen selbst treffen muss. Das fängt beim Beat-Picking an, geht über die Lyrics bis dahin, wie Songs ausproduziert werden. Plus der große Vorteil an ´nem Kollabo-Projekt ist, dass man sich die Bälle zuspielen kann. In dem Moment, in dem man das Solo macht, ist man halt auf sich allein gestellt. Vielleicht der offensichtlichste, aber auch der deutlichste Unterschied.“

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Döll – All Day Pt. 1

Gegenentwurf zum Mainstream

Mit dem Album hält sich Döll fern von Autotune und Cloud-Rap, also dem, was Rapper heutzutage veranstalten, um in die Charts zu kommen. „Das ist jetzt kein bewusster Gegenentwurf aber man kann es auf jeden Fall als Gegenentwurf verstehen. […] Der Sound ist alles andere als das, was gerade auf den Playlists funktioniert.“ Und trotzdem entscheidet sich Döll dafür, sein Ding und vor allem seinen Sound durchzuziehen. Den Grund sieht er auch darin, dass die Motivation Rap zu machen für ‚seine Generation‘ eine andere ist, als für die heutige. „Die meisten Leute, mit denen ich aufgewachsen bin, die angefangen haben zu rappen oder Beats zu machen, die haben das einfach gemacht, weil die extrem Bock drauf hatten. Es gab nichts, was mir ansatzweise so viel Spaß gemacht hat wie rappen. Heute sind die Leute in erster Linie motiviert, weil sie wissen, das ist eine Möglichkeit so schnell wie möglich reich zu werden.“

Zwischen aufgeben und weiterkämpfen

Döll wirkt getrieben, seine Texte und sein Flow, der sich immer passend auf die Beats legt, scheinen so, als würde er darum rappen, endlich gehört zu werden. Das Album bewegt sich in einer Stimmung zwischen Aufgeben und Weiterkämpfen.

„Manchmal glaub’ ich
Es fehlt nur ein Schritt noch bevor ich fall’
Ich verlor den Halt, den Kampf mit mir
Doch die Fäuste sind noch geballt“
(Döll – Für den Fall)

Endlich seine Qualitäten als Solo-Künstler zeigen, sich selbst beweisen und da ankommen, wo ihn die Kritiker*innen schon vor vier Jahren gesehen haben, scheint Dölls Ziel zu sein. Die Solo-Platte ist für ihn aber nicht nur ein Werk in einer langen Reihe von Veröffentlichungen, sondern auch eine Art Anfang: „Auch wenn ich schon ein paar Platten gemacht habe ist es immer noch nicht so, dass ich sage, ok ich hab‘ mich schon 100-prozentig gefunden, ich bin auf jeden Fall da angekommen, wo ich sein wollte.“

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Döll – Für den Fall

Selbstfindungstrip

Während Ich und Mein Bruder noch beim Major-Label Four Music erschienen ist, veröffentlicht Döll Nie oder Jetzt alleine. Zwar wäre die Möglichkeit da gewesen, mit diversen Labels zusammenzuarbeiten, so Döll, aber das Solo-Debüt selbst zu veröffentlichen, „hat sich am richtigsten angefühlt“. Solo auf ganzer Linie also, denn auch Features sind auf dem Album nicht zu finden – im heutigen Rapgeschäft eigentlich undenkbar, kommt doch keine Veröffentlichung mehr ohne mindestens einen Feature-Gast aus. Für Döll war der Alleingang aber Teil des Weges zum Debüt: „Gerade, weil es sich für mich wie ein Solo-Debüt anfühlt – was es ja auch ist – wollte ich das einfach so machen. Weil ich immer noch so’n bisschen das Gefühl hab‘, dass ich den Leuten mich selbst als Solo-Künstler präsentieren will. Ich hab‘ auch überhaupt gar nichts gegen Features, wie man jetzt in dem Jahr gesehen hat, ich mach das total gerne, nur für mein erstes richtiges Solo Album hat sich das für mich nicht richtig angefühlt.“

Nie oder Jetzt

Der Titel des Albums „Nie oder Jetzt“, passt laut Döll perfekt: „Ich weiß, dass ich so ein bisschen, vielleicht auch in der Mukke, zu Pathos neige aber [das Album] hat eine sehr, sehr krasse Bedeutung für mich. Weil der Titel, dieses ,Nie oder Jetzt’, für mich sinnbildlich für die komplette Platte bzw. die Veröffentlichung derer steht: Entweder ich mach es jetzt, oder ich mach es nie. Ich hab‘ relativ lang an der Platte gearbeitet, ein paar Songs sind echt über 3 oder 4 Jahre gewachsen und dementsprechend war‘s so, entweder ich bring das jetzt raus, oder ich werd‘ das einfach nicht mehr rausbringen. Und es hat eine krasse Bedeutung für mich, gerade emotional.“

Genau diese Emotionalität findet man auch auf der Platte und wenn man Döll dabei zuhört, wie er über seine Musik und das Debüt spricht, merkt man: Hip-Hop ist nicht nur für seinen Bruder Mädness „die Liebe seines Lebens“. Gut möglich, dass Döll mit seinem Debüt-Album die Hip-Hop Szene genauso aufwirbelt, wie mit seiner ersten EP. Die Platte bleibt hoffentlich nur ein erster Schritt in einer Reihe von Soloalben, denn wie hat Döll selbst schon gerappt? „Talent zu verschwenden ist ein Bitchmove“.

“Nie oder Jetzt” erscheint am 11.01.2019

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Döll – 64