
DANCE FESTIVAL 2025
“You make me feel”
Zum 19. mal wird München zum Treffpunkt für internationale Tanzkunst und körperlichen Ausdruck. Das DANCE Festival 2025 unter dem Motto “You make me feel” ist zu Ende getanzt. Was bleibt und was geht in der Flüchtigkeit der Bewegung für immer verloren?
Eine milde Frühlingswoche, ein bisschen grau, verregnet. Zwar kein perfekter Auftakt in einen heißen Sommer am Isarufer, dafür aber ideale Bedingungen für die Tanzbiennale der Landeshauptstadt. Das Festival, erstmals unter der Leitung von Tobias Staab, lädt Künstler:innen als aller Welt ein, um ihre zeitgenössischen Arbeiten zu zeigen. Jeden Tag sind mehrere Veranstaltungen geboten und fast immer geht`s danach noch in den Club.
IM SCHWARM ABTAUCHEN
Das Publikum sitzt auf dem mit schwarzen Gummifliesen ausgelegten Boden um Scheinwerfer herum, die tiefgelbes diffuses Licht spenden. Im Raum sind Matratzen scheinbar willkürlich aufeinandergestapelt. Die neun Tänzer:innen des Tanzabends AUSLAND liegen darauf, berühren sich, bewegen sich aufeinander, streichen über ihre Körper. Einige tragen Motorradhosen oder enge Oberteile mit Panzerung an Schultern und Wirbelsäule. Sie sitzen voreinander und bilden eine Art Fächer, sind zugleich verbunden und voneinander getrennt.
Einige Tänzter:innen stehen auf und beginnen zu singen. Sie singen die Boxen an, singen mit der Musik, bewegen sich im sphärischen Sound und lassen sich nicht von den Klängen leiten, sondern bilden gemeinsam ein neues System. Ein spiritueller Chor erfüllt den Raum. Immer wieder treten die Tänzer:innen in Interaktion mit der Musik indem sie entweder mitsingen oder kleinere Bluetoothboxen durch den Raum tragen. Wie ein einziger Organismus bewegen sich die Tanzenden durch die Zuschauenden. Sie gleitet trance-artig durch die Musik wie durch warmes Harz im von Nebel aufgeweichtem Dämmerlicht.

Die Choreografie von Jefta van Dinther nimmt das Haus der Kunst vollständig ein. Der ganze Saal ist erfüllt von Billy Bultheels Musik, auch das Publikum, dass die Performance wie ein Schwarm umgibt, taucht ganz in die fremde Welt ein.
Eine Tänzerin versucht ihren Spielpartner aus seiner Kleidung, seiner Hülle zu schälen. Sie, bereits ganz nackt, zieht den singenden Menschen aus seinem Oberteil – wie ein Muttertier ihr Junges nach der Geburt aus der Fruchtblase. Sie leckt über den Kopf des Tänzers, hat ihn endlich ganz befreit, ihn herausgeboren aus seinen Kleidungsschichten und seinen Körper ans Licht gebracht.
In einem Nebenraum läuft das schwarz-weiße Videospiel Limbo. Eine kleine Figur durchläuft einen Parcours in einer düsteren Fabrik. Ein Tänzer interagiert mit der Projektion des Spiels und wird Teil dieser fremden Welt. Nach einer Weile stehen die Performenden auf. Wieder entsteht ein Duett mit der Musik. Ein Mensch dreht Runden auf einem elektrischen, futuristisch anmutenden Gefährt und zieht das Publikum zurück in den großen Saal, während andere singend durch die Gänge schreiten.
Das geräuschlose, sich selbst balancierende Fahrzeug trägt einen Tänzer über den Boden. Wie ein Nachtfalter durch das Licht einer Straßenlaterne im Morgentau bewegt er seinen Körper in Zeitlupe auf den endlosen Bahnen. „I heare your soul“ ist in einem Nebenraum zu hören. Wieder Berührung auf nackter Haut, wieder ganz unsexuell rein sensuel, intim.

In der großen Halle fahren drei Staubsaugroboter um den Menschen auf dem lautlosen Einrad. Auf den Matratzen in der Mitte des Raumes bricht plötzlich ein stiller Krieg aus. Die Tänzer:innen ringen im langsamen Kampf, beißen sich, wirken, als wollen sie sich gegenseitig zerstören. Ihre Körper werden zu rein biologischem Material, wenn sie sich gegenseitig tragen und aufeinander fallen lassen. Sie verkeilen sich ineinander, einige beginnen wieder zu singen.
Immer wieder wird Chris Isaaks „Wicked Game“ angestimmt: „Oh I don’t wanna fall in love“. Mit den vielen Matratzen und dem liebevollen Kampf entsteht ein kurzer Kitschmoment, der durch die ausdauernde Kraft der Tänzer:innen dann doch schnell wieder in ein hypnotisierendes Moor des rhythmischen Widerstands verfällt. Die Performenden lachen und küssen sich im Kampf. Irgendwann findet sich die Gruppe wieder in ihrer anfänglichen Reihe und wabern in der dickflüssigen Musik, singen zum letzten mal gemeinsam.
Sie erheben sich um die Matratzen aus dem Raum zu tagen. Ein dumpfes Rauschen übertönt alles, höhlt den Saal aus. So wie die Bewegungen die Räume der Westgalerie des Haus der Kunst erfüllt haben, so fließt die Welle des dreistündigen Tanz- und Klangstroms langsam ab. Ein hypnotisierendes Erlebnis. Dieser Abend wirkt nicht real.
BEWEGUNG UND GESPRÄCH
Neben Tanzperformances, Nachgesprächen und Clubnächten bietet das DANCE Festival auch Formate, in denen Bewegung und Vortrag zusammen kommen. Bei This body is political in dem städtischen Kunstraum Lothringer 13 werden Gespräche, Vorträge und “Movement Practices” miteinander kombiniert. So sprechen hier beispielsweise die Professorin Dr. Mariama Diagne, aber auch einige der zum Festival eingeladenen Tänzer:innen. Gemeinsam bewegen sich die Teilnehmenden durch den Raum, hören Gesprächsformate und tauschen sich in dem offenen Rahmen der Veranstaltung aus.
Kunst, insbesondere zeitgenössischer Tanz, werden
DANCE Festival zu “This body is political”
oftmals zum Ort direkter oder indirekter Zensur – wenn etwa staatliche Unterstützungen reduziert oder
ganz gestrichen werden.
Das internationale Tanzfestival soll nicht nur Raum für bemerkenswerte Arbeiten bieten, sondern auch den Diskurs über Tanz und seine politische Kraft anregen. Bei The body is political wird nicht nur der Geist, sondern auch der Körper mobilisiert.
EINE BEGEGNUNG IM VERBORGENEN
Terranova / hidden link verspricht eine Begegnung zwischen Tanz und Natur, eine sinnliche Erfahrung. Choreograph Diego Tortelli inszeniert einen kurzweiligen Abend, der sich mit verborgenen Netzwerken auseinandersetzt.
Wie der Titel verrät, scheint es eine geheime Verbindungen zwischen den Körpern der beiden Tänzer Hélias Tur-Dorvault und Fabio Calvisi in ihren zarten Hülle zu geben – unsichtbar, aber spürbar. Eine beinahe schwebende Begegnung zweier kraftvoller Wesen. Die Choreografie lebt von feinen Berührungen, teils synchronen Passagen und Solo-Partien. Gleichmäßig wie ein schwingendes Pendel.

Roman Fliegels Lichtdesign wirft seitlich einfallende gelbe Kegel auf die Körper. Auf dem Boden tauchen hunderte Lampen in einer horizontalen Linie die Körper der Tanzenden in ein sanftes, weißes Licht, welches die Tanzenden sachte durch den Abend trägt. Im von der Decke strömenden Nebel und langsamen Stroboskopeffekten tanzen die glitzernden Menschen in einen künstlichen Sonnenaufgang.
Die Musik folgt verschiedenen Rhythmen und bildet eine Fläche auf der sich die Darstellenden fremdartig bewegen. Wie ein tief fliegendes Doppeldecker Flugzeug brummen die Sounds in den langen Raum des hochx. Immer wieder kreisen die Tänzer ihre Arme, berühren sich gegenseitig und führen mit ihren Händen gegenseitig behutsam ihre kurz geschorenen Köpfe. Seltsam fremd wirken die Körper und doch vertraut und durch ein verborgenes Band, einen hidden link verbunden.
WAS BLEIBT
Nach 19 Arbeiten in 11 Tagen ist das DANCE Festival nun beendet. Neben dem Rauscherlebnis bei AUSLAND, dem Talkformat This body is political und Terranova / hidden link bleibt jetzt nur noch Richard Siegals art.Life im Lenbachhaus bestehen. Noch bis zum 15.06. kann die Videoinstallation kostenlos besucht werden.
Was jetzt noch bleibt sind die Bilder, die Räume, die eröffnet wurden und die Faszination für Körper und Beweglichkeit. Ein Tanz in der Brust und ein Kribbeln in der Fußsohle.
Das DANCE Festival findet alle zwei Jahre statt und bildet aktuelle Entwicklungen im zeitgenössischen Tanz ab. Mehr Tanzveranstaltungen außerhalb des Festivals findet ihr zum Beispiel im Tanzkalender oder auf den Websites der jeweiligen Spielstätten.