“ALL INCLUSIVE” – THEATER FÜR MENSCHEN MIT EINSCHRÄNKUNG
Inklusives Theater findet im Theater Metropolis in München-Freimann statt. Drei- bis viermal im Jahr läuft dort ein Stück dieser Theaterreihe. Zu Schauspieler:innen und Bühnenbild gesellen sich dann Dolmetscher:innen auf die Bühne. In der Technik werden derweil Live-Audiobeschreibungen auf die Ohren sehgeschädigter Zuschauer:innen gesprochen.
von Johannes Parth
Theater ohne schauen? Das geht im Metropoltheater in München-Freimann. Thomas Flach, Regisseur und Bühnenbildner, winkt mir bereits bei meiner Ankunft aus dem Glasanbau des Theaters zu. Im Foyer angekommen, wirkt es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Vintage -Möbel zieren das einstige Kino. Bei einem Cappuccino erzählt mir Thomas, wie genau Theater inklusiv gestaltet wird.
Beeinträchtigte Zuschauer: innen der Reihe „All inclusive “ nennen Menschen, die wir als ohne Behinderung definieren, liebevoll „Normalbehindert“. „Ich fand diese Formulierung total witzig, ist mir sehr nah. Also alle die, die nicht eine klassische Behinderung haben, sind in Augen der Blinden, […] quasi die Normalbehinderten.” ,so Thomas Flach. Das ist ein Begriff, der Menschen mit und ohne Einschränkung näher zueinander bringt. So habe laut Thomas jeder ein Päckchen zu tragen. Unabhängig davon, ob sie eine Behinderung hätten oder nicht.
Wenn manche Sinne wegfallen, sind die übrigen umso wichtiger. Wenn man für einen Moment die Augen schließt, ist plötzlich der Hörsinn viel geschärfter. Oder anders: Wie fühlen sich die Texturen vom Boden, oder der Couch an? Weich, etwas wärmer und ein bisschen geriffelt? Im Metropoltheater beginnen die besonderen Vorstellungen zunächst mit einer Bühnenbegehung. Das beinhaltet auch das Erfahren der Bühne durch Erklärung und Berührung. Manchmal ist es sogar möglich, Kostüme oder Perücken selbst anzufassen. All das hilft, auch ohne Augenlicht eine Vorstellung des folgenden Theaterstücks zu ermöglichen. Hinter die Kulissen schauen ist für Sehende auch bei dieser Form des Theaters leider nicht erwünscht. Das würde die Magie des Theaters stören. “das Theater spielt natürlich ein bisschen mit der Überraschung. […], dass man eben nicht weiß, wie das da aussieht und dass man […] in dem Moment das erfährt, in dem die Regie sich ausgedacht hat, dass die Menschen das erfahren.”, so Thomas Flach. Ab und zu sind auch die Darsteller:innen bereits vor der Aufführung vor Ort, damit die Beeinträchtigten ihre Stimmen kennenlernen können.
AUDIOBESCHREIBUNGEN
Hörfilm München spricht neben Audiobeschreibungen für Filmproduktionen auch die Beschreibungen zu der Reihe „ “All inclusive”“ ein. Neben Sehenden sind auch Sehbeeinträchtigte Teil von Hörfilm München. Marion Hollerung, Mitarbeiterin bei Hörfilm München erzählt, dass sie das Skript auch abnehmen, bevor es eingesprochen wird. Eine Besonderheit des Theaters ist die Notwendigkeit, das Stück live zu besprechen. Anders, als bei Filmen können sich Schauspieler: innen versprechen oder auch unterschiedliche Sprechpausen einlegen. Und als erzählende Person möchte man den Darsteller: innen auch nicht in das Wort fallen.
Für eine präzise Vorbereitung wird deshalb das ausgewählte Stück einmal komplett aufgezeichnet. Das Theater wird mit Mikrofonen ausgestattet und alles Visuelle auf der Bühne mit einer Kamera eingefangen. Mit diesen Daten erstellt Hörfilm München anschließend ein Skript. Die Aufgabe hierbei ist, herauszufinden, was berichtet werden muss, damit der Vorführung problemlos gefolgt werden kann. Mit der Herausforderung, dass wie bereits beschrieben nur begrenzt Raum für Beschreibungen ist. Er stammt aus dem Stück „Kurzschluss “, geschrieben von Noa Lazar-Keinán. Aufgeführt im Metropoltheater im Rahmen von „All inclusive “. Das klingt dann zum Beispiel so:
David: Ihr dürft euch wieder setzen
IN APPLAUS
Ida und Leonard steigen von der Bühne.
Neta sitzt mit dem Rücken zum Publikum am Klavier. Während sie spielt räumt David den Tisch, die Stühle und die anderen Sachen auf. Neta trägt jetzt einen schwarzen Blazer zu ihrem Top und der Jeans.
David: Neta hatte eine Woche davor nicht geschlafen
Neta dreht sich nach vorn, David setzt sich neben sie.
Die zwei Sprecher:innen orientieren sich während der Darstellung an Stichworten. Beide kennen das Stück gut und reagieren, wenn notwendig, auch spontan auf die Aktionen auf der Bühne. Marion Hollerung betont, dass es viel Konzentration für die live Audiodeskreption braucht. Deswegen wechseln sie sich auch zu zweit ab.
Auch eine Gruppe von werdenden Lehrer:innen setzt sich dem Selbstversuch aus. Eigentlich sehend, haben sie sich ihre Augen verbunden und nachgefühlt, was Blinde eigentlich leisten, während sie das Theater auf diesen Weg erleben. Auch Marion Hollerung ist erstaunt: “Man muss ja ganz schnell die Worte in Bilder umsetzen. Und da waren die jetzt schon erstaunt, […] was das für eine Leistung eigentlich auch ist.”
Übrigens: Auch Blindenhunde dürfen mit in der Veranstaltung sitzen.
#Theater #München #Inklusivity