Filmkritik

Die Frau im Nebel

/ / © Plaion Pictures

Ein Mordfall, Hitchcock-Anleihen und eine femme fatale – fertig ist Frau im Nebel, der neue Film von Park Chan-wook (Oldboy, Die Taschendiebin). Erwartet uns hier also nur ein lauwarmer Aufguss von verschiedenen Thrillern oder doch etwas ganz Eigenes?

Ein Mann ist tot. Wahrscheinlich ein Unfall. Ist vom Berg gefallen. Vielleicht weiß seine Ehefrau etwas? Oder war es doch Mord und sie hängt mit drinnen? Und warum zieht sie mich so magisch an? Alles Notizen und Fragen, die sich der Polizist Jan Hae-joon (Park Hae-Il) in seinem neusten Fall stellt. Die Frau im Nebel, der neue Filme von Regisseur Park Chan-Wook, versucht darauf Antworten zu geben.

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Der Trailer zu Die Frau im Nebel

Meister der Montage

Die Lösung des Falls rückt aber in einigen Momenten von Die Frau im Nebel in den Hintergrund. Das liegt daran, dass der Film allen voran durch seine hervorragenden filmtechnischen Mittel auffällt. So gibt es einige atemberaubende Landschaftsaufnahmen und Übergänge zwischen einzelnen Einstellungen, die wahrlich meisterhaft ineinander übergehen. Das kann zwar auf Dauer anstrengend wirken, ist aber unbestreitbar ein Ausdruck dafür, dass hier jemand sein Handwerk beherrscht.

Traum oder Wirklichkeit?

Genauso meisterhaft wie der Schnitt ist dabei auch die Inszenierung. Je mehr der Protagonist seine Gedanken an Song Seo-rae (Tang Wei) verliert, desto mehr sehen wir ihn plötzlich neben ihr stehen – doch das kann nicht sein, denn in Wahrheit überwacht Jang Hae-joon sie aus sicherer Distanz. Somit verwischt der Film im Verlauf seiner deutlich zu langen zwei Stunden immer mehr die Grenzen zwischen Mordverdacht und Anziehung beziehungsweise Obsession. Gerade diese Art des visuellen Erzählens bekommt das Publikum eher selten zu sehen, was deshalb umso erfrischender wirkt. Zum Verhängnis wird Die Frau im Nebel aber seine Länge, da der bis dato recht spannende Mordfall schlüssig aufgelöst wird, nur um dann noch mehr als eine halbe Stunde an Laufzeit dranzuhängen.

Jang Hae-joon kann seine Augen nicht von Song Seo-rae lassen./© Plaion Pictures

Hitchcock im 21. Jahrhundert

Jemanden – manchmal auch nur zu gerne durch ein Fernglas – beobachten klingt seltsam bekannt? Das liegt allen voran daran, dass sich Die Frau im Nebel des Öfteren bei dem “master of suspense”, Alfred Hitchcock, bedient. Ob das Beobachten einer Person aus Das Fenster zum Hof oder dem Erzeugen von Höhenangst aus Vertigo, die großen Klassiker sind alle auf irgendeine Weise in Park Chan-wooks neuem Film zu finden. Zeitgleich befördern diese filmische Zitate ihn auch in die heutige Zeit. Beispielsweise kann die Oberservation von Song Seo-rae durch Jang Hae-joon als ein Kommentar auf den bis heute männlich geprägten Blick der Zuschauer:innen im Kino gelesen werden. Somit wirkt Die Frau im Nebel in vielen Momenten überaus modern. Dies liegt aber auch allen voran an den beiden Hauptdarsteller:innen, die die mysteriöse und teils düstere Atmosphäre des Films durch ihr Spiel noch einmal unterstreichen.

Mehr als nur Zitate?

Dieses Spiel zwischen Altbekanntem und Neuem setzt sich dabei aber auch teilweise bei den Hauptfiguren fort, auch wenn es hier einige klar erkennbare Kritikpunkte gibt. So spielt Die Frau im Nebel immer wieder mit der Frage, ob Song Seo-rae einfach nur die klassische “femme fatale” darstellt. Gerade deshalb ist es so ernüchternd, wenn die Auflösung dieser Frage derart simpel ist, dass sie im Endeffekt bereits drei Minuten nach Beginn des Films vorhersehbar ist. Aber auch aus Jang Hae-joon wird das Publikum nicht immer schlau, denn gerade am Anfang ist nicht immer klar, woher seine Faszination für Song Seo-rae stammt – Voyeurismus, Begierde oder doch etwas ganz anderes?

In Die Frau im Nebel läuft etwas gewaltig schief – nicht nur buchstäblich./© Plaion Pictures

Mehr als nur ein Nebel der Illusion?

Die Frau im Nebel ist ein stylisher und überaus fesselnder Thriller aus Südkorea, der durch seine gekonnten Hommagen an Klassiker des Genres und deren kluge Erweiterung überzeugen kann. Gerade die filmtechnischen Mittel sind es, die die Herzen von Filmenthusiast:innen zum Höherschlagen bringen werden. Trotzdem wäre es in einigen Momenten notwendig gewesen, klassische Figurencharakterisierungen aufzulösen und Szenen zu straffen, um restlos zu überzeugen. Das Gesamtwerk von Regisseur Park Chan-wook hat mit Die Frau im Nebel aber in jedem Fall einen Film erhalten, der dem Namen des Regisseurs gerecht wird.

Die Frau im Nebel läuft ab dem 02. Februar in den deutschen Kinos.