Filmkritik

Ein Triumph

/ / Étienne (Kad Merad) nimmt Ovationen entgegen. ©FILMWELT, Foto: Carole Bethuel

Theater im Gefängnis: Das bedeutet Arbeit für ein Erfolgserlebnis, das Abbauen innerer sozialer Barrieren und einen Moment der Freiheit während des Gefängnisaufenthaltes. In Ein Triumph erzählt der französische Regisseur Emmanuel Courcol die wahre Geschichte einer solchen Theatertruppe.

Zwischen Warten und Erwarten

Warten und warten und nochmals warten. Das kennen die Insassen in Ein Triumph aus ihrem Alltag. Fabeln zu spielen mochten sie nicht, zu simpel und zu sehr auf die Moral bezogen sind diese. Aber als ihnen der neue Theaterleiter Étienne (Kad Merad) das absurde Stück Warten auf Godot näher bringt, entfacht das eine Leidenschaft in ihnen. Jetzt warten sie nicht nur auf ihre Freilassung, sondern haben etwas, das sie erwarten können: die Premiere!

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Deutscher Trailer zu Ein Triumph

Der Aspekt des Erwartens spiegelt sich auch in der Spannungskurve wider: Bis zur Premiere, die den Film in zwei Hälften teilt, steigt die Spannung stetig an – auch in der Gruppe selbst. Ein ganz normaler Vorgang im Probenprozess, wenn sich die Aufführungen nähern. Hier kreiert die Dramaturgie – in Zusammenarbeit mit dem (größtenteils unsichtbaren) Schnitt und dem starken Schauspiel von Hauptdarsteller Kad Merad – einen starken Sog. Überraschenderweise fügt sich die zweite Hälfte der Films gut daran an, ohne zu sehr wie ein Teil 2 zu wirken.

Étienne begeistert die Gefängnistruppe für Warten auf Godot. v.l.n.r.: Nabil (Saïd Benchnafa), Alex (Lamine Cissokho), Étienne (Kad Merad), Jordan (Pierre Lottin), Patrick (David Ayala), Boïko (Alexandre Medvedev), Kamel (Sofian Khammes), Moussa (Wabinlé Nabié)/ ©FILMWELT, Foto: duchili

Die Farben der Freiheit

Das Spiel zwischen Warten und Erwarten wird auch durch die unterschiedliche Ästhetik des Draußen und Drinnen dargestellt. Das Gefängnis mit den langweiligen weißen Wänden, dunklen Metalltüren und grauen Gitterstäbe strahlt Begrenztheit aus. Eine Begrenztheit in der Freiheit und in der Farbigkeit – und bis zu einem gewissen Grad auch im Wohlbefinden. Das Draußen bietet eine gegenteilige Ästhetik. Direkt außerhalb der Gefängnismauern befinden sich grüne Wiesen und weite Flächen – die Stadt ist bunt und belebt. Im Theater, in dem die Truppe später spielt, treffen beide Welten aufeinander: Durch die speziellen Lichtverhältnisse auf der Bühne kommen trotz der schwarz-weißen Kulisse Farben stärker zum Vorschein. Das Rot der Sitze ist dabei eine Parallele für die Wertschätzung der Schauspieler – Schauspieler, die im Moment ihres Auftritts das Publikum vergessen lassen wollen, dass sie Gefängnisinsassen sind.

Die neue Theatertruppe bei ihrem ersten Besuch auf der großen Bühne. ©FILMWELT, Foto: Carole Bethuel

Eine Liebeserklärung an das Theater

Das Theaterspielen bringt ein kleines bisschen Freiheit in den Gefängnis-Alltag: Keine Wärter:innen im Raum, weniger Überwachung – die schwere Metalltür bleibt trotzdem die ganze Zeit verschlossen. Was aussieht wie ein gutes Beispiel einer Resozialisierungsmaßnahme ist in Wirklichkeit nur ein Teil der Maßnahmen, um Menschen nach dem Freiheitsentzug wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ein Triumph stellt besonders heraus, welche kleinen Veränderungen Theater hervorbringen kann: sozialer Zusammenhalt, Abbau eigener Ängste und Erfolgserlebnisse, die auf der eigenen Arbeit aufbauen. Auch wenn der Film Theater romantisiert, wirkt das Verhältnis der Spieler zu diesem nicht zu übertrieben. Das schafft gerade das Ende des Films, das mit Überraschungen auf mehreren Ebenen glänzt.

Insgesamt ist Ein Triumph ein Film, an dem nicht nur Theaterliebhaber:innen Spaß haben werden – auch wenn sich die zweite Hälfte etwas zieht. Er läuft ab dem 15. Dezember 2022 im Kino.