M94.5 ALBENREVIEW

Blind Equation – LIFE IS PAIN

/ / Bild: Angelgasm

Mit LIFE IS PAIN schafft es Ein-Mann-Band Blind Equation die rohe Gewalt von Grind- und Metalcore mit ungefilterter Hyperpop Meme-Kultur zu mischen und so alte Myspace Gefühle wiederzuerwecken.

“life is pain

emotional cybergrind since 2012

666 forever”

Die Beschreibungen unter den Musikvideos von Blind Equation lesen sich wie der Blog eines edgy dreizehnjährigen während einer Sinneskrise. Oder eben wie ein Künstler, der sich und seine Musik nicht ganz Ernst nimmt. Was er als ‘emotional cybergrind’ bezeichnet, ist schon bei den ersten paar Takten des Albums schnell zu erkennen. Die selbe überrumpelnde Aggression und die geschrienen Vocals der Metal- und Grindcore Genres werden hier gemischt mit teilweise kontrastierend fröhlichen chiptune beats und Stimmbearbeitung. Das Ganze erweckt sofort den Eindruck als wären zur 8-bit Videospiel-Ära ausschließlich Metal-Bands für die Soundtracks zuständig gewesen.

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Musikvideo zum Song “Lcd Dem” – der Titel ist eine Referenz zu einem Yume Nikki Fan-Game

Memey – mit vollem Einsatz

Getragen wird diese Mischung vor allem durch die schrille Ästhetik des Albums. Kaum ein Künstler, ausgenommen 100gecs vielleicht, schafft es nämlich sich mit so viel Hingabe und Einsatz zur Internet-Meme-Kultur zu bekennen. Gegenüber Titeln wie “johncenafunnymeme.exe”, auf Friedhöfen gedrehte Videos mit blinkenden, glitchy Effekten und einem quasi unleserlichem, zerlaufenen Schriftzug als Logo wirken die meisten Hyperpop-Acts zahm. Dass nie ganz sicher ist, ob das alles ein selbstironischer Umgang mit dem Metal-Fantum ist, oder authentischer Selbstausdruck ist dabei nur Teil der Faszination.

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Musikvideo zum Song “_BLUR”

Musikalische Meme-Kultur

Wirklich interessant is LIFE IS PAIN aber deshalb, weil es trotz, oder gerade wegen der ganzen Memes auch musikalisch gut funktioniert. Die chiptune-beats bilden durchgehend passend das treibende Element und Melodien wie “Still Dying” würden in Spielen wie Mega Man nicht fehl am Platz wirken. Die harshen Vocals wirken authentisch und haben Kraft. Und die übertrieben düsteren Texte und zwischendurch eingespielten Snippets bilden sozusagen den Kleber, durch den diese Elemente zusammengehalten werden.

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Musikvideo zum Song “1mpris0n3d by u:)”

Die größte Leistung des Albums ist aber, sich nicht auf dem witzigen, simplen Konzept auszuruhen. Stattdessen ist in nur 23 Minuten Spielzeit mehr Abwechslung zu hören, als in vielen Projekten mit der dreifachen Länge. Dafür sorgen die unterschiedlichen Energielevel der Songs, wie zum Beispiel die ruhige, sich langsam aufbauende Interlude “>disconnect<”, auf die mit “Shortages II” einer der Songs folgt, auf dem am Meisten passiert. Komplett mit schmetternd-schnellen Bass-Drums und klar gesungenem feature-Part, der an die frühen 2000er erinnert, als Emo-Pop die Charts kontrollierte.

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Musikvideo zum Song “666 forever”

Postironische MySpace-Nostalgie

LIFE IS PAIN kommt zur genau richtigen Zeit. Wo Metalcore sich immer mehr aus dem Untergrund zurückkämpft und Hyperpop die Charts stürmt ist die Symbiose genau das Richtige, um das viel zu ernste Metal-Fandom ein bisschen aufzulockern. Das löst nostalgische Gefühle an alte MySpace Bands wie Genghis Tron oder The Blood Brothers aus. Und so gut wie das Album gelungen ist, fehlt die Ironie beim Anhören nach dem Closer “Life V” komplett und es gefällt tatsächlich. LIFE IS PAIN anzuhören fühlt sich fast an, wie eine Lektion in Postironie.

LIFE IS PAIN ist am 03.09.2021 in Eigenvertrieb erschienen.