Wahlprogrammcheck: Pflege

Pflege daheim vs. Vergesellschaftung von Krankenhäusern

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Es ist etwas woran keiner gerne denkt. Dabei braucht es nur einen Unfall, eine Krankheit und schon kann jeder zum Pflegefall werden. Und selbst wenn dir dein ganzes Leben lang nichts passiert und du steinalt wirst, brauchst du dann im Alter vielleicht Pflege – der Pflegenotstand ist aber heute schon aktuell. Christina Böltl hat sich durch die Wahlprogramme von AfD, CDU/CSU, FDP, Grünen, SPD und Linken gearbeitet und die wichtigsten Forderungen der Parteien für euch zusammengefasst.

Pflegeheime werden aufgelöst, wegen Personalmangel stehen tausende Klinikbetten leer, immer mehr Kreißsäle schließen. Die Lage im Gesundheitswesen spitzt sich seit Jahren immer weiter zu. Es gibt zu wenige Pfleger:innen und die, die den Job machen sind vollkommen überlastet. Aber leider ist das noch lange nicht alles. Auf dem Land mangelt es an Fach- und Hausärzt:innen, gesetzlich versicherte Patient:innen werden benachteiligt und eine zunehmende Bürokratisierung lässt oft wenig Zeit für wichtigeres. Höchste Zeit also etwas zu tun. Und was genau wollen die Parteien tun?

Die AfD

Die AfD legt bei den Fokus auf häusliche Pflege. Wenn sich Angehörige kümmern braucht es keine Pflegekräfte und damit gibt hier es auch keinen Fachkräftemangel – so die Theorie. In der Praxis sind pflegende Angehörige oft mit der Situation überfordert. Sie müssen beruflich kürzer treten oder ganz aufhören und sind gerade bei Familienmitgliedern durch die fehlende professionelle Distanz schnell emotional angegriffen.

Für ausgebildete Kräfte im medizinischen Bereich sollen Deutschkenntnisse auf C1 Level – also dem Level, dass man normal in Englisch mit dem Abitur erreicht, verpflichtend werden. Das könnte zum Beispiel bei Pflegekräften aus dem Ausland zu Problemen führen. Die Behandlungen sollen statt mit Fallpauschalen durch ein Individualbudget vergütet werden, sodass jede:r die Behandlung bekommt, die er oder sie individuell braucht. Aus finanzieller Sicht wollen sie außerdem die Mehrwertsteuer für Medikamente von bisher 19 auf 7% senken, weil es sich dabei um Grundversorgung handelt. Einen überdurchschnittlichen Antibiotikagebrauch will sie allerdings sanktionieren, um gegen multiresistente Keime vorzugehen.

Die CDU/CSU

Die Union will 500 Millionen Euro für eine Innovationsoffensive für Robotik und Digitalisierung in der Pflege ausgeben. Pflegekräfte sollen durch Smart-Home-Technologien und den Einsatz von Pflegerobotern unterstützt werden. Auch die Patientenakte soll digital werden, sodass die Krankheitsgeschichte eines Patienten zentral gespeichert ist und man z.B. bei einem Arztwechsel nicht extra Befunde oder Röntgenbilder anfordern muss.

Als Lösung für den Ärzt:innenmangel auf dem Land schlägt die Union Televisiten und digitale fachliche Beratungen zwischen mehreren Ärzt:innen vor, um medizinisches Spezialwissen überall verfügbar zu machen. In der Pflege will sie den Wettbewerb fördern, indem die Träger der Einrichtungen möglichst vielfältig bleiben. Außerdem soll eine betriebliche Pflegezusatzversicherungen bei der Finanzierung helfen genauso wie der Pflegevorsorgefonds der bis 2050 verlängert werden soll. Generell will die Union vor allem den aktuellen Kurs beibehalten, was wenig erstaunt, weil die CDU schon seit 2013 das Gesundheitsministerium innehat.

Die FDP

Die FDP will Prävention, Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsförderung in allen Altersgruppen stärken, denn wer nicht krank wird, belastet auch das Gesundheitssystem nicht. Für diejenigen, die trotzdem medizinische Hilfe brauchen, gilt der Grundsatz ambulant vor stationär, wobei die Sektorengrenze zwischen ambulant und stationär hier abgebaut werden soll, sodass auch eine Kombination von beidem je nach Zustand der zu behandelnden Person einfacher möglich ist. Auch Krankenhäuser sollen vermehrt Behandlungsformen anbieten, für die keine stationäre Aufnahme notwendig ist.

Außerdem findet die FDP den Wettbewerb zwischen Versicherungen wichtig und würde ihn gerne auch für gesetzliche Versicherungen noch weiter ermöglichen. In der Pflege soll ein liberales Pflegebudget eingerichtet werden – sprich: jede Beitragszahler:in bekommt je nach Pflegegrad einen bestimmten monatlichen Betrag und kann selbst entscheiden, was sie damit tun möchten. Häusliche Pflege soll durch den Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen und Teleberatung unterstützt werden.

Die Grünen

Die Grünen wollen eine solidarische Büger:innenversicherung einführen, die Pflege- und Krankenversicherung in sich vereint. Hier sollen alle Menschen in Deutschland abhängig von ihrem Einkommen einzahlen, eine Deckelung nach oben für Beiträge gibt es nicht, für die Eigenanteile im Pflegefall aber schon. Alles was über einen bestimmten Betrag hinausgeht und für die bedarfsgerechte Pflege notwendig ist, wird von der Versicherung bezahlt.

Die Struktur von Gesundheitseinrichtungen soll grundsätzlich neu überdacht werden: neue regionale Gesundheitszentren sollen Patient:innen die bestmögliche Versorgung garantieren, indem dort alle medizinischen Berufe unter einem Dach eng zusammen arbeiten. Krankenhäuser sollen statt nach finanziellen Gesichtspunkten, zentral nach Bedarf geplant und bezahlt, sodass sich zum Beispiel Geburtenstationen wieder lohnen. Den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für Trans* und Inter* Menschen wollen die Grünen gesetzlich verankern.

Die Linke

Die Linke fordert sowohl in Krankenhäusern als auch in Pflegeheimen 100.000 Pflegekräfte mehr, sowie 500 Euro mehr Grundgehalt für Pflegeberufe. Auch kirchliche und private Träger sollen nach Tarif bezahlen. Für Krankenhäuser gilt: ein Haus, ein Tarif, auch wenn ein Teil des Krankenhauses von einem anderen Träger finanziert wird. Gewinne, die in Krankenhäusern erwirtschaftet werden dürfen nicht entnommen werden, sondern müssen wieder in die Gesundheit fließen. Dadurch soll der Betrieb von Kliniken für private Träger unattraktiv werden und Krankenhäuser stückweise wieder vergesellschaftet werden.

Die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll ebenfalls verschwinden und von einer solidarischen Gesundheitsversicherung ersetzt werden, die auch vollumfänglich für Dinge wie Zahnersatz oder Brillen aufkommt. In der Pflege sieht es genauso aus: alles soll von der Versicherung übernommen werden – keine Eigenanteile mehr. Auch Menstruationsprodukte sollen dann völlig kostenfrei verfügbar sein.

Die SPD

Auch die SPD will eine Bürger:innenversicherung für alle einführen. Sie soll solidarisch finanziert werden und in der Pflege alle Kosten übernehmen. Welche Gesundheitsleistungen diese Versicherung enthalten soll, wird im Wahlprogramm nicht spezifiziert, nur dass alle den gleichen Zugang haben sollen. Das Fallpauschalensystem zur Finanzierung soll insgesamt geprüft und für Kinder und Jugendliche sicher abgeschafft werden.

Wie auch Linke und Grüne will die SPD geschlechtergerechte Medizin fördern. Das bedeutet zum Beispiel, dass Testpersonen für Medikamente diverser werden, um Effekte zum Beispiel auf Frauen besser vorhersagen zu können. Die Grundkosten von Krankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren sollen unterstützt und die Sektorengrenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung abgebaut werden.

Was durch die Pandemie allen Parteien klar geworden ist, ist dass es viel zu tun gibt. Jede Partei hat in der ein oder anderen Form einen Vorschlag in ihrem Wahlprogramm wie die Produktion von medizinischer Ausrüstung nach Europa zurückgeholt oder anderweitig sichergestellt werden kann – einen Mangel an Masken soll es in Zukunft nicht mehr geben. Auch den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen erkennen alle Parteien als Problem an.Wenn sie allerdings nicht effektiv dagegen vorgehen, wird sich dieses Problem mit dem demographischen Wandel in Zukunft noch verstärken.