Seenotrettung

Die EU und die Flüchtenden – ein Trauerspiel in unzähligen Akten

/ / Bild: Flavio Gasperini / SOS Mediterranee

Ende letztes Jahres waren laut UNO Flüchtlingshilfswerk 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und existenzieller Not. Viele versuchen sich dabei nach Europa durchzuschlagen, aber anstatt die Flüchtenden dabei zu unterstützen, finanziert die EU aber Operationen, um die Menschen von der Flucht abzuhalten. Wir haben uns am Beispiel der Seenotrettung im Mittelmeer angesehen, wie die EU mit Flüchtenden umgeht.

Die Fluchtroute übers Mittelmeer ist die tödlichste der Welt. Mindestens 900 Menschen sind in diesem Jahr schon im Mittelmeer ertrunken. Wie viele Menschen aber unbemerkt in Libyen ablegen und später ertrinken, weiß niemand. Rettung gibt es im Moment fast nur durch die zivile Seenotrettung wie zum Beispiel der Organisation SOS MEDITERRANEE. Mit ihrem Schiff Ocean Viking haben sie allein in der ersten Hälfte dieses Jahres schon 1720 Menschen retten können.

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Waffenembargo statt Flüchtendenhilfe

Auf Unterstützung vonseiten der EU oder anderen staatlichen Organisationen können sie dabei aber eher nicht hoffen. Die EU-Operation Irini, die im Moment im Gebiet zwischen Libyen und Italien läuft, ist hauptsächlich darauf ausgerichtet, den Waffenhandel zwischen Libyen und anderen Ländern zu unterbinden. Sie setzt damit die UN-Resolutionen zum Waffenembargo gegen Libyen um. Die Hilfe von Flüchtenden ist da, wenn überhaupt, nachrangig. Weitere offizielle Ziele sind viel mehr, den illegalen Ölexport sowie den Menschenschmuggel und -handel aufzuhalten. Außerdem unterstützt die EU Libyen finanziell und bei der Ausbildung der Küstenwache, die seit 2018 offiziell verantwortlich ist für die Seenotrettung vor ihrer Küste.

“Retten auf See ist Pflicht! […] Und zur Rettung gehört auch, auch das ist Seerecht, die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen.”

Petra Krischok, Pressesprecherin SOS MEDITERRANEE Deutschland

Internierungslager in Libyen – schlimmer als Ertrinken

Für die Flüchtenden ist die “Rettung” durch die libysche Küstenwache aber häufig die schlimmere Option als zu ertrinken. So berichten es zumindest Überlebende den Mitarbeitenden vom Seenotrettungsschiff Ocean Viking der Hilfsorganisation SOS MEDITERRANEE. Der Grund dafür sind die Internierungslager, in denen Migrant:innen, die nicht regulär nach Libyen eingereist sind, festgehalten werden. Diese Lager sind Orte schlimmster Menschenrechtsverletzungen. Angefangen bei der Tatsache, dass die Gefangenen nicht registriert werden und so häufig nicht mehr auffindbar sind, wenn sie das Lager einmal betreten haben. Sich gegen diese Internierung zu wehren, wird damit fast unmöglich. Gewalt, Folter, Zwang zur körperlichen Arbeit und das Vorenthalten medizinischer Versorgung stehen dort auf der Tagesordnung.

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Ziel der europäischen Unterstützung der libyschen Küstenwache ist es auch, nicht durch offizielle Seenotrettungsprogramme noch mehr Menschen zur Flucht zu animieren. Untersuchungen aus 2019, 2017 und 2015 konnten einen solchen Effekt allerdings nicht feststellen. Trotzdem bleibt die EU bei ihrem Vorgehen, kein eigenes Seenotrettungsprogramm zu initiieren.

Sichere Häfen in Europa

Damit sind aber auch nicht alle Kommunen in der EU einverstanden. Im vergangenen Juni haben sich bei der From the Sea to the City Conference in Palermo Vertreter:innen einiger europäischer Städte zusammengetan, um der EU zu zeigen, dass es durchaus Unterstützung für ein eigenes Seenotrettungsprogramm innerhalb der EU gibt. Auch München war vor Ort. Die Stadt ist seit zwei Jahren Mitglied im Bündnis Sicherer Hafen und setzt sich auf Bundes- und EU-Ebene für die Einrichtung sicherer Fluchtwege ein.

Bisher bleibt es aber auch nur eine Absichtserklärung der Sicheren Häfen. Eine tatsächliche Verbesserung der Situation für die Flüchtenden müsste von der Bundesebene, besser noch von der EU kommen, um das Sterben auf dem Mittelmeer beenden zu können. Die hält sich aber nach wie vor zurück. Viel mehr setzt die EU ihre Praxis fort, lieber andere Staaten wie Libyen oder die Türkei für die Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu bezahlen.