Kirche in Zeiten der Pandemie

Gott im Livestream

/ / Bild: Gregg Brekke / Shutterstock

Durch die momentanen Ausgangsbeschränkungen sind viele Kirchen dazu übergegangen, ihre Gottesdienste online zu streamen. Dennoch gehen verschiedene Glaubensgemeinschaften sehr unterschiedlich mit der aktuellen Situation um – und sehen in ihr auch Chancen.

Orgelmusik, Gesangbücher, Holzbänke. Der Geruch von Weihrauch in der Nase, die sonore Stimme des Pfarrers in den Ohren. All das sieht in Zeiten von Covid-19 etwas anders aus. 

Zum Beispiel bei der ICF-Gemeinde in München. Die ICF ist eine christliche Freikirche und greift schon seit längerem auf Livestreams ihrer Gottesdienste aus Zürich zurück. Neu ist während der Pandemie aber, dass sich auch München dazu geschaltet hat. Im Vergleich zu den Gottesdiensten in Anwesenheitsform mit ungefähr 2000 Besuchern verfolgen online jetzt insgesamt an die 80000 Menschen die vier Sonntagspredigten.

Gebetstreffen auf Zoom

Die digitalen Gottesdienste bedeuten für die Gemeinde aber gar keine so große Umstellung, erklärt ICF-Pressesprecher Konstantin Fritz:

“Der Gottesdienst ist nur ein kleiner Teil von unserer Kirche. […] Wir sind immer schon modern, das ist unsere DNA. […] Wir haben es immer schon geliebt, neue Techniken zu benutzen.”

Konstantin Fritz im Gespräch mit M94.5
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Eine digitale Gebetssitzung der ICF-Gemeinde

Deswegen gibt es jetzt auf Zoom beispielsweise “Explore”-Seminare und Gebetstreffen, verschiedene Sportangebote wie Online-Zumba und auch Frauen- und Männergruppen für diejenigen, die nach sozialem Kontakt suchen. Diese digitale Alternative zum persönlichen Treffen war nicht geplant, bringt jedoch laut Konstantin Fritz auch neue Chancen für die ICF.

“Diese Krise zwingt uns dazu, jetzt nochmal ein bisschen weiter zu denken. Wir haben gedacht, ja, das kann man mal irgendwann online machen, ist jetzt nicht ganz notwendig. So und jetzt ist es plötzlich notwendig, wir machen es online und zack sind Menschen aus ganz Deutschland mit dabei.”

Konstantin Fritz

Lieber privater glauben?

Persönliche Seelsorge gibt es aber auch in Zeiten der Pandemie im kleineren, lokalen Rahmen. So zum Beispiel in der katholischen Ordensgemeinschaft St. Michael. Jesuitenpater Karl Kern ist dort Kirchenrektor. Er legt wert auf eine persönliche Begleitung:

“Christentum heißt lebendige Gemeinschaft, und das ist weder virtuell noch digital irgendwie zu ersetzen”

Karl Kern im Gespräch mit M94.5
Die St. Michaelskirche in München. Bild: Ellie-Rose Cousins / Shutterstock

Zwar bietet der Orden ebenfalls jeden Sonntag einen Online-Gottesdienst zum Streamen an, den regelmäßig mehr als tausend Menschen verfolgen. Aber auf das persönliche Angebot für die Gläubigen will dort trotzdem niemand verzichten.

So kann die Beichte beispielsweise bei einem Spaziergang im Freien abgenommen werden, natürlich mit ausreichend Sicherheitsabstand. Auch gibt es nach wie vor das Angebot einer telefonischen Seelsorge. Gerade hier ist die Nachfrage auf Grund der Isolierung in den letzten Wochen gestiegen, sagt Pater Klaus Kern.

Kern glaubt aber auch, dass die Situation auch eine Chance bietet, den eigenen Glauben im häuslichen Rahmen zu entdecken.

„Jeder Mensch hat, theologisch gesprochen, selbst den heiligen Geist und man kann auch in der Not neu beten lernen und die eigenen spirituellen Ressourcen entdecken.”

Karl Kern, Pater der St. Michaelskirche

Zurück zum Wesentlichen

Für den Pater geht es also um eine Rückbesinnung, insbesondere in schweren Zeiten, auf einen “spirituellen Sinnes-Horizont” jenseits des guten materiellen Lebens.

Diese Entschleunigung im Glauben kann jeder für sich selbst erfahren. Egal ob im Gottesdienst-Livestream oder im persönlichen Gespräch in der nächsten Gemeinde.