Deutscher Humor im Wandel

Andere Länder, andere Witze?!

/ / Bild: M94.5 / Theresa König

“Warum trinkt der Russe Wodka, der Schotte Whisky, der Italiener Wein und der Deutsche Bier? Antwort: Damit man die einzelnen Völker an der Fahne erkennen kann!“. Doch nicht überall lacht man auch über die selben Dinge. Im Gespräch mit internationalen Freund*innen oder Verwandten wird schnell klar, dass manch einer den deutschen Witz so gar nicht versteht. Und umgekehrt geht es einem oftmals genauso. Doch gibt es tatsächlich einen “Deutschen Humor”? Und wenn ja – wie sieht der aus?

Humor ist ein Kulturphänomen

Der Prototyp des Humors ist wohl der Witz. Doch wer über einen Witz lachen möchte, muss diesen zunächst einmal verstehen können. Schon aufgrund der Sprachbarriere entstehen dadurch erste Hürden. Aber selbst mit den besten Sprachkenntnissen bleiben manche Scherze einfach ein Rätsel, wie dieses Beispiel aus Großbritannien zeigt: “Notice on a shoe repair shop: I’ll heel you, I’ll save your sole, I’ll even gladly dye for you”.

Was zum Verständnis fehlt ist der spezifische Kontext, der dahinter liegt. Die Aussprache des Satzes kann, ohne den Text im Schuhladen zu lesen, bedeuten: “Ich heile Dich, ich rette Deine Seele und ich würde sogar für Dich sterben. Also sehr religiös angehaucht. Tatsächlich ist im Schuh-Kontext das Wortspiel der Witz, etwa: Ich mache Absätze, neue Sohlen und färbe Deine Schuhe. Dieser Wortwitz ist unter anderem kulturell bedingt.  

Was sagt die Lachforschung?

Lachforscher Prof. Dr. Rainer Stollmann (Bild: Rainer Stollman)

Auch in der Wissenschaft zeigt sich, dass es im Hinblick auf den Humor weltweite Unterschiede gibt. Prof. Dr. Rainer Stollmann, Kulturwissenschaftler und Lachforscher an der Universität Bremen, sieht die ersten Anzeichen bereits im 18. Jahrhundert. Ihm zufolge ist schon der Witz im Allgemeinen eine Erfindung dieser Zeit. Die Idee, dass Kultur und Mentalität die Art des Humors beeinflussen, war seiner Auffassung nach schon damals erkennbar: “Also zunächst mal kann man sicher sagen, dass es ein Nord – Süd Gefälle gibt. Dass es was mit dem Klima zu tun hat, dass Kälte sozusagen die Temperamente beeinflusst”.  

Ein weiterer Unterschied lasse sich auch zwischen Stadt und Land erkennen. „Es gibt deutliche Unterschiede in der Lachkultur zwischen Landbewohnnern oder Gesellschaften, die vor allem ländlich leben, und Industrie – modernen Gesellschaften.“ Denn welcher Witz wo bevorzugt wird, hängt stark mit den sozialen Umständen und der geschichtlichen Entwicklung eines Landes zusammen. Was die Bauern zum Lachen bringt, lässt Städter womöglich kalt. 

Diesen Unterschied bemerkt auch der Comedy-Künstler Anuschey, der nur mit seinem Künstlernamen genannt werden will: “Leute, die auf dem Land leben, mögen oft deftigere Witze. Da kann man dann vielleicht schon eher mal auch einen raushauen. In der Stadt sind die Leute oft politisch korrekter und auch anspruchsvoller: Dass es eben nicht immer nur um dieselben Themen geht, wie Deutsche – Ausländer, Mann – Frau, Alt – Jung, und so weiter”.  

Deutscher Humor im Wandel

Blickt man genauer auf den heimischen Humor in Deutschland, genießt dieser vor allem im internationalen Raum keinen besonders guten Ruf: kalt, trocken, langweilig. Doch nach Ansicht von Prof. Dr. Stollmann waren die Deutschen bis zum 15. Jahrhundert mindestens genauso witzig wie Engländer*Innen, Französen*Innen oder Spanier*Innen. Historische Ereignisse wie der 30-jährige Krieg haben jedoch dazu geführt, dass der bäuerliche Humor in Deutschland einen schlechten Ruf bekommen hat. 

Erst mit dem vergleichsweise späten Aufkommen des deutschen Bürgertums, im 19. Jahrhundert, und dem Bedürfnis nach Abgrenzung zur einfachen Landbevölkerung, etablierte sich der steife deutsche Humor, erklärt Rainer Stollmann. “Das Bürgertum pflegt die Ernsthaftigkeit, weil sie nicht mit der bäuerlichen Kultur verwechselt werden wollen”. Die Oberschicht anderer Länder hatte dies schlichtweg nicht nötig. Bis heute wirkt diese Haltung jedoch nach.  

Worüber lacht man hierzulande am meisten?

Sarah Heinrich auf der Bühne (Bild: Sarah Heinrich)

Auch Sarah Heinrich empfindet den deutschen Humor als etwas verkopft. Die 24-Jährige Komödiantin steht deutschlandweit auf der Bühne. “Ich glaube, dass Deutsche an sich sehr viel nachdenken, dass Deutsche das vielleicht auch gerne in ihrem Humor haben. Was sehr gut ankommt, sind Wortwitze oder Wortspielereien, oder ganze Geschichten, die skurril gedreht werden und aber trotzdem noch eine smarte Wendung haben.” Allerdings gibt es auch Grenzen. So hat Anuschey beispielsweise die Erfahrung gemacht: “Was bei Deutschen im Vergleich zu anderen Nationalitäten vielleicht echt ein Thema ist, ist der relativ vorsichtige Umgang mit vielen Themen”, sagt der 31-Jährige Künstler. “Der*die Durchschnittsdeutsche tut sich schwer mit Themen wie Judenwitze. Man fühlt sich dabei beschämt, man weiß nicht ‘Darf ich lachen?’, also das ist ein schwieriges Thema”. 

Für Sarah Heinrich macht es zudem einen Unterschied, ob sie in Berlin oder in München auf der Bühne steht: “Es ist teilweise echt super ortsabhängig. In Berlin zum Beispiel, wenn du da die Bühne betrittst, dann lachen die Leute schon und sind total positiv und denken sich: Ja, ich hab voll Bock und das wird ‘ne geile Show. Im Gegensatz dazu steht München. Da betrittst du die Bühne und die Leute sitzen mit verschränkten Armen und denken so: Ja, jetzt liefer’ mal was Geiles, weil sonst lach ich hier gar nicht. Also die sind härter zu knacken.” 

Humor im Digitalzeitalter

Comedian Anuschey (Bild: Anuschey)

Einen großen Einfluss im Hinblick auf unser Humorempfinden hat auch das Internet. Prof. Dr. Rainer Stollmann sieht darin sowohl Chancen als auch Risiken. „In zweifacher Richtung: Einmal wird jeder mögliche Mist an die Oberfläche gespült, also es ist eine Inflation an Humor. […] Die andere Seite ist: natürlich gibt’s auch richtige Treffer in der anonymen Welt. Also ohne, dass einer professioneller Komiker ist, schafft er es durch Beobachtung oder weil er mal eine witzige Idee hat, auch mal, was richtig Tolles zu produzieren”. Durch den hohen Verbreitungsgrad entsteht dadurch eine gewisse Volksnähe. Humor wird dadurch auch etwas demokratischer im Vergleich zum 19. Jahrhundert.

Und letztlich auch internationaler. „Natürlich geht das alles durcheinander. Also dieses Nord – Süd – Gefälle wird ja durch vielerlei Dinge – und weil innerhalb Deutschland und sogar innerhalb Europas die Grenzen ja durchlässig geworden sind – aufgehoben. Aber in der Tendenz stimmt das schon noch”, sagt der Kulturwissenschaftler.


Anuschey stellt fest, dass es im Hinblick auf den Humor zwischen den Nationalitäten viele Gemeinsamkeiten gibt. “In der Regel ist es bei fast allen Leuten ähnlich, dass man über Dinge lacht, wie Mann – Frau. […] Das funktioniert, weil sich viele Leute damit identifizieren können.”