M94.5 Filmkritik

Marriage Story

/ / Quelle: Netflix

Der Regisseur Charlie (Adam Driver) und die Schauspielerin Nicole (Scarlett Johansson) sind das Traumpaar der New Yorker Theaterszene. Er ist ein gefeierter junger Regisseur. Sie ist eigentlich eine Filmschauspielerin, die sich aber für das Theater begeistern lässt. Zusammen schaffen sie mit ihrem Theaterensemble den Sprung an den Broadway. Privat scheint das Ehepaar ebenfalls optimal zu harmonieren: Der Film beginnt mit zwei Monologen, was Charlie und Nicole aneinander lieben, und auch Sohn Henry mangelt es nicht an Liebe von beiden Elternteilen. Doch der Schein der Idylle trügt: Charlie und Nicole sind nicht mehr glücklich miteinander und wollen sich scheiden lassen – auf möglichst freundschaftlicher Basis.

Die währt aber nicht lange: Der Scheidungsstreit eskaliert zunehmends. Regisseur Noah Baumbach spannt über die Laufzeit immer mehr den Spannungsbogen und zeigt so die Fehler der Beziehung zwischen Charlie und Nicole auf – und auch seiner eigenen. Marriage Story basiert zum Teil auf Baumbachs eigener Ehe mit Schauspielerin Jennifer Jason Leigh, die sich nach fünf Jahren Ehe scheiden ließen.

Hauptdarsteller-Duo brilliert

Man merkt den beiden Hauptfiguren die eigenen Erfahrungen des Regisseurs an. Marriage Story driftet zu keinem Zeitpunkt in einen Rachefilm an die eigene Beziehung ab, viel eher wird noch Charlie als der schuldigere Part dargestellt. Die beiden Eheleute wirken sehr reell, beide Seiten des Konflikts können gut nachvollzogen werden. Das liegt vor allem auch an den hervorragenden Leistungen von Scarlett Johansson und Adam Driver. Die beiden zeigen in ihren Rollen die ganze Palette an Emotionen zwischen der Komik des Alltags und der herzzereißenden Tragik der Trennung. Der Höhepunkt von Marriage Story dürfte wohl eine der bewegendsten Szenen des Filmjahres 2019 sein – dank des brillanten Schauspiels von Driver und Johansson.

Im Vergleich zu den Hauptfiguren wirken die Nebencharaktere allerdings größtenteils wie Karikaturen. Die Anwälte beider Parteien, die beide auf ihre Art und Weise mit Egoismus den Fall für ihre Klienten gewinnen wollen, Nicoles Mutter, die ihre erwachsene Tochter auf jedem Schritt entmündigt, oder eine unbeholfene Sozialarbeiterin: all diese Figuren sind eindimensional und existieren nur, um die Scheidungsgeschichte zwischen Charlie und Nicole voranzubringen. Dadurch wirken die beiden allerdings reeller, der Kontrast zu den Klischeefiguren schärft die Charaktere der Hauptfiguren umso mehr.

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Der Trailer zu Marriage Story.

Zudem besticht auch die Arbeit von Kameramann Robbie Ryan. Seine Bilder fangen optimal den Unterschied zwischen Charlies beengter Heimat New York und dem vielen Raum in Nicoles Los Angeles ein. Marriage Story setzt sehr oft auf visuelle Metaphern, die aber Subtilität vollkommen vermissen lassen. Dennoch schafft es der Film trotzdem, stets ein Gefühl der Empathie für alle beteiligten Figuren zu schaffen.

Success Story in der Award-Saison?

Auch die Kritik ist auf die Einfühlsamkeit und die Qualität von Marriage Story aufmerksam geworden: Gleich sechsmal wurde die Tragikomödie von Noah Baumbach nominiert, unter anderem als bestes Drama. Marriage Story könnte sich bei den Globes, und auch bei den Oscars, so zu einer Success Story für Baumbach, Driver und Johansson entwickeln.

Marriage Story ist seit dem 06. Dezember 2019 auf Netflix zu sehen.