radikal jung 2019

Angstpiece

/ / Bild: Diethild Meier

Ihr Stück „Mittelreich“ an den Kammerspielen hatte 2017 für Gesprächsstoff gesorgt. Anta Helena Recke kopierte dort exakt die Mittelreich-Inszenierung von Anna-Sophie Mahler, mit dem einzigen Unterschied, dass sich ihr Ensemble ausschließlich aus schwarzen Darsteller*innen zusammensetzte. Eine Arbeit, über die man redete. Reckes neues Stück “Angstpiece” kann hingegen leider gar nicht überzeugen.

Zu sehen ist zunächst nichts. Die Bühne liegt im Dunkeln. Dann geht ein Projektor an und wirft das Bild des leeren Backstage-Bereichs mit der Tür zur Bühne an die Wand. Langsam schleicht sich Performer*in Julia*n Meding ins Bild. Sie atmet schwer, ihr Herzschlag beschleunigt sich, wenn sie sich der Tür und damit der Bühne und dem Publikum nähert. Julia*n stellt eine Person dar, die an Agoraphobie leidet, einer Angststörung, bei der man Situationen meidet, aus denen man im Notfall schwer entkommen könnte. Öffentliche Plätze gehören dazu, Menschenmengen oder eben auch eine öffentliche Theaterbühne. Der Theaterabend soll deshalb als Therapie gedacht sein, bei dem die Angst für den Moment der Aufführung überwunden wird.

Theater als Therapie?

Es fällt dem Zuschauer von Anfang an schwer, eine Verbindung zu dem Thema und der Performer*in aufzubauen. Das liegt daran, dass nicht ganz klar ist, ob Julia*n nun tatsächlich selbst an Agoraphobie leidet oder nicht. Zwar suggeriert die Stückbeschreibung ersteres, doch die Art und Weise, wie die Performer*in dann über die Angststörung spricht, lässt stark daran zweifeln. Zu übertrieben und theatral wirkt ihr Sprechduktus, als würde sie sichselbst kein Wort glauben. Sie erzählt von Panikattacken im H&M und wie es ist, wenn man das Haus zum Einkaufen nicht mehr verlassen kann. Sie lässt ihre Gedanken als therapeutische Maßnahme zu und beginnt wild zu atmen und auf der Bühne herumzuspringen. Doch so plötzlich wie sie angefangen hat, hört sie damit auch wieder auf und schaut herausfordernd ins Publikum. Sieht so jemand aus, der gerade eine Panikattacke hat, weil er auf einer Bühne steht?

Hüpfburg, Stoffpferde und NATO-Draht

Je weiter das Stück fortschreitet, desto distanzierter wird man als Zuschauer. Wenn es schon um therapeutische Maßnahmen für sich selbst gehen soll, wieso redet die Performer*in über diese dann in einem unglaublich süffisanten Tonfall, als wären sie das letzte, woran sie tatsächlich glauben würde? Und wieso klingt sogar ihre Beschreibung ihres inneren, sicheren Orts, der als halb aufgeblasene Hüpfburg mit Stoffpferden daherkommt, als wäre das alles nur Farce? Schlüssig ist das alles nicht, anstrengend vor allem und langwierig. Warum unbedingt NATO-Draht-Rollen auf der Bühne liegen und ein Video eingespielt wird, in dem Julia*n über Geschlechtsidentität und Tennis spricht? Man fragt lieber schon gar nicht mehr.

Es hätte ein persönliches Stück über den Umgang mit der Angst werden können. Stattdessen ist “Angstpiece” mit der eigentümlichen Vortragsweise von Julia*n Meding unter der Regie von Anta Helena Recke zu einem unbefriedigenden Theaterabend geworden, der in sich nicht stimmig war.

“Angstpiece” lief im Rahmen des radikal jung Festivals im Münchner Volkstheater.