Nostalgie-Overload

We were not born in the 80s

/ / Bild: Netflix

Die Film- und Serienwelt ist gerade voll davon: 80er Style, 80er Musik, 80er Remakes… Warum sind wir ausgerechnet jetzt so fasziniert von dem Jahrzehnt, das Dauerwelle und Schulterpolster gefeiert hat? Ein Exkurs in die Nostalgie unserer Popkultur. 

Aufklärung im Achtziger Look

Mit Sex Education, das sich gerade im Netflix-Ranking nach oben hangelt, haben wir zumindest optisch gesehen mal wieder einen klassischen Netflix-Kandidaten. Nicht nur scheinen es absurde, nerdige Einzelgänger dem Streaming-Anbieter angetan zu haben, auch die Optik, die Musik, der Style… Das alles schreit ein wenig nach vergangenen Tagen: Hauptcharakter Otis can get no satisfaction, ist schließlich dancing with himself und klar, he’s gotta wear shades! Vom Klamottengeschmack seines besten Freunds Eric wollen wir gar nicht erst anfangen. 

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Sex Education ist ein Netflix-Nerdfest von vielen.

Aber keine Sorge, ist man mit den acht Episoden leichter, aber durchaus intelligenter Unterhaltung allzu schnell durch (after all… girls just wanna have fun), gibt es mehr als genug popkulturelle Alternativen, bei denen das nostalgische 80er Herz (das die 80er in den meisten Fällen gar nicht miterlebt hat) höher schlägt. Die 80er Ästhetik in Sex Education ist nämlich alles andere als ein Einzelphänomen!

Nostalgie hören und sehen

Da wären zum einen die ganz großen Kassenschlager wie Stranger Things oder das Remake des Stephen King Klassikers Es. Aber auch auf Netflix muss man nicht lange scrollen, um zumindest optisch und akustisch auf mehr als einen ikonischen Klassiker der Zeit zu stoßen: Die Spione aus The Americans, die boxenden Frauen aus Glow, oder Moritz aus Deutschland83 sind zeitlich tatsächlich in den 80ern angesiedelt, während Serien wie Maniac oder Sex Education lediglich die 80er-Ästhetik ausborgen und das Jahrzehnt damit optisch und akustisch in die Neuzeit holen.

Aber warum verpacken wir ausgerechnet etwas Progressives wie Sex Education in eine 80er Bomberjacke? Warum hypen wir die 80er so? Die ganzen Mitt-Zwanziger, die jetzt genau diese Serien bingen, haben die echten 80er doch nie erlebt! Kann man da überhaupt noch von Nostalgie sprechen?

Naja, erstmal muss man sagen: Obwohl wir Millenials die 80er nie erlebt haben, sind wir doch mit ihren Klassikern wie Star Wars oder Zurück in die Zukunft aufgewachsen. Unsere Eltern haben uns stolz ihre Idole präsentiert und letztendlich sind die Menschen, die jetzt gerade Filme machen, ja auch Kinder der 80er.

Alle (30) Jahre Wieder

Besonders in Film und Fernsehen funktioniert das alles fast wie ein riesengroßes Pendel oder ein ewiger Kreislauf. Dirty Dancing wurde zum Beispiel in den 80ern gedreht, spielt aber in den 60ern; die Star Wars Filme der 80er beruhen auf den Erfolgsromanen der 60er; die Erstverfilmung von Stephen Kings Es 1990 ist in den 60ern angesiedelt. Wenn wir jetzt 30 Jahre später zusammen an die Star Wars Filme zurück denken, schafft das ein Gemeinschaftsgefühl und einen romantisierten Blick auf die guten alten Zeiten: Nostalgie eben! Und gleichzeitig die perfekte Marketingstrategie.

Aber warum um alles in der Welt schauen wir uns dann nicht einfach wieder die Filme aus den 80ern an?! Also die Originale. Warum kramen wir nicht tief in Mamas VHS-Kassetten und schauen uns endlich mal wieder Footloose oder Flashdance an. Versprochen, der Soundtrack wird euch auch 2019 nicht mehr aus dem Kopf gehen!

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Eine All-Time-Favorite-Liebesgeschichte an das Tanzen: Footloose (1984).

War früher alles besser?

Aber ganz so einfach ist das alles dann leider doch nicht. Die Crux an der ganzen Serien-Nostalgie-Sache ist eben, dass wir dabei ja trotzdem nicht auf die Fortschritte unserer Zeit verzichten wollen: Political Correctness, Diversität und Gleichberechtigung! Das Star Wars Remake hinterfragt seine eigenen Charaktere und der Cast des umstrittenen Ghostbusters-Remakes ist weiblich.

Starke Frauenfiguren im Setting der 80er: Netflix hat für Glow bereits die 3. Staffel angekündigt.

Das ist so ein bisschen, wie wenn Oma darauf schimpft, dass früher alles besser war, trotzdem aber nicht aufs Internet, ihren neuen Fernseher oder den automatisierten Massagestuhl verzichten will. Wenn unsere Lieblingscharaktere aus Stranger Things und Co. wirklich den 80ern entsprechen würden, fänden wir sie vermutlich nur halb so sympathisch und zeitgemäß. 

Die ganze Nostalgie verarbeitet in gewisser Weise nicht nur die Vergangenheit, sondern auch unsere Gesellschaft im Hier und Jetzt.  Deswegen werden wir höchstwahrscheinlich auch weiterhin massenhaft Geld für Remakes und Filme im 80er Look ausgeben… Bis wir dann langsam zu den 90ern übergehen (Schlaghosen incoming).

Und wenn wir uns dessen bewusst sind und ein bisschen darüber nachdenken, stecken am Ende nicht nur wir gedanklich in den 80ern fest,  sondern die 80er auch ein bisschen in uns.