Kommentar

Warum der Rundfunkbeitrag modernisiert werden muss

/ / Bild: M94.5 / Michael Goder

Die Landesregierungen haben für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro grünes Licht gegeben. Wegen der finanziellen Folgen der Corona-Krise muss vielleicht sogar nochmal nachgebessert werden. Aber die immer wieder aufkommende Debatte über den Sinn und die Höhe des Rundfunkbeitrags verdeckt das eigentliche Problem – nämlich wie ungleich die Bevölkerung zur Kasse gebeten wird. Ein Kommentar von Thomas Kreidemeier.

Ich bin wahrhaftig keiner der Wutbürger gegen die „böse GEZ“ – die auch offiziell gar nicht mehr Gebühreneinzugszentrale heißt. Eine staatlich finanzierte, aber nicht staatlich gelenkte Presse ist richtig und wichtig: qualitativ hochwertig und neutral, weder BILD-Zeitung noch Russia Today. Die Medien als vierte Gewalt sind essenziell und ich muss nur kurz auf die Privatsender umschalten, damit ich nach Dschungelcamp, Bauer sucht Frau, Sommerhaus der Stars und neunminütigem Werbeblock wieder den Vorteilen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks huldige. Klar kann man bezweifeln, ob ARD und ZDF wirklich die teuren Übertragungsrechte für Profifußball oder Helene Fischer erwerben müssen, aber das ist nicht der entscheidende Punkt.

18,36 Euro pro Monat sind immer noch günstig für 74 Radio- und 21 Fernsehsender sowie die digitalen Funk-Angebote, von Kurzgesagt und MrWissen2go bis WUMMS und Walulis. Jeder Deutsche bezahlt im Schnitt zum Beispiel mehr als 90 Euro pro Monat Steuern für die Bundeswehr – sogar, wenn er selbst Pazifist ist. Nur weil der Rundfunkbeitrag separat eingezogen wird, macht ihn das nicht unsinniger oder teurer – höchstens „gefühlt“. Die Diskussion über die Höhe des Beitrags verdeckt einen ganz anderen Aspekt: Die fehlende Berücksichtigung der Einkommenssituation der Gebührenzahler.

Beitrag an das Einkommen anpassen! 

Jeder sollte entsprechend seines Einkommens und seiner finanziellen Möglichkeiten zur Kasse gebeten werden, so wie das zum Beispiel beim Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung ist. Obwohl auch dort am Ende alle das Recht auf dieselben medizinischen Leistungen haben, werden die fälligen Einzahlungen nicht absolut, sondern relativ zum Lohn berechnet und liegen konkret bei 14,6 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen. Da muss der Vorstandsvorsitzende eines DAX-Unternehmens, der mehrere Millionen im Monat verdient, eben entsprechend mehr zahlen als die Reinigungskraft mit Mindestlohn – das ist nur fair und gerecht und das Prinzip einer Solidargemeinschaft.

Für die Bundeswehr muss ich als Student mit 400-Euro-Nebenjob nichts bezahlen, weil ich meilenweit unter der Steuerfreigrenze liege – beim Rundfunkbeitrag gilt das nicht. Davon dürfen sich nur die Allerärmsten der Armen befreien lassen, die zum Beispiel selbst Sozialleistungen vom Staat kassieren. Diese Ausnahmeregelung ist zu wenig. Ausnahmslos alle Steuern und Beiträge des Staates sind prozentual einkommensabhängig – nur für den Rundfunk wird willkürlich ein Fixbetrag verlangt. Nicht einmal einen vergünstigten Beitrag von fünf oder zehn Euro für Studentinnen und Mindestlohnempfängerinnen gibt es. Entweder man hat „Glück“ und fällt unter eine der wenigen Ausnahmen oder man zahlt den vollen Beitrag.

Bild: M94.5 / Simon Kerber

Beitrag nicht mehr pro Haushalt einziehen! 

Einige Student*innen profitieren zwar auch von der aktuellen Regelung, denn durch die Einziehung pro Haushalt werden WGs enorm begünstigt. Aber das entbehrt jeglicher Logik, weshalb die Einführung des haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrags ein klarer Fehler war. 2007 wurde neu geregelt, dass auch internetfähige Computer, Laptops und Smartphones „GEZ-relevant“ sind – vollkommen legitim, da fast alle Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks problemlos online verfügbar sind. 2013 wurde beschlossen, dass das Vorhandensein von rundfunk- und fernsehfähigen Geräten überhaupt nicht mehr überprüft wird – auch eine nachvollziehbare Entscheidung. Schließlich hat sowieso fast jeder mindestens ein Empfangsgerät und die GEZ, die à la Zeugen Jehovas an jeder Tür klingeln musste, am Ende kaum mehr war als eine Verschwendung von Lebenszeit.

Aber warum wurde gleichzeitig festgelegt, dass nur einmal pro Haushalt zur Kasse gebeten wird? Wenn Bürger*innen nicht mehr für die tatsächliche Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezahlen, sondern schon für die bloße Möglichkeit, die Angebote der Sender zu nutzen – warum dann der Umweg über die Wohnung? Das ist nicht nur „nicht mehr zeitgemäß“ – das war nie zeitgemäß! Denn die Informationen werden – wie richtig festgestellt wurde – nicht „pro Endgerät“ konsumiert, aber auch nicht pro Haushalt! Die Vorstellung, dass ein Single allein genauso viel Radio hört und Fernsehen schaut wie eine 5er-WG oder eine Großfamilie zusammen, ist schlichtweg absurd.

Beitrag endlich modernisieren! 

Der Rundfunkbeitrag ist konzipiert als der Gegenwert der zugangsfreien medialen Angebote für jede erwachsene Person und deshalb sollte er auch pro Person erhoben werden, in Form einer ans Einkommen gekoppelten Abgabe für jede Bürger*in über 18 Jahre. Schließlich werden sonst die, die sowieso schon jeden Monat mehrere hundert Euro Miete zahlen müssen, noch extra „bestraft“, während denen, die mit Mitte 30 noch im „Hotel Mama“ wohnen, kein müder Cent abgeknüpft wird. Da können sich wahrhaft absurde Szenarien entspinnen: Wenn sich beispielsweise in einer WG jemand vom Rundfunkbeitrag befreien lassen darf, muss der Rest logischerweise mehr zahlen. Jeder Mitbewohner, der nicht BAföG-berechtigt sind, spart dem Rest also bares Geld.

Schluss mit diesem Kuriositätenkabinett. Ein Rundfunkbeitrag, der nach völlig absurden Kriterien am Ende de facto nur Studenten, Auszubildende und Geringverdiener belastet, widerspricht dem Gedanken einer Solidargemeinschaft und muss dringend reformiert werden.