M94.5-Filmkritik

The Insult

/ / Quelle: © Panorama

Ein Streit mit Folgen 

Irgendwo in einem staubigen Viertel in Beirut wohnt Toni. Er ist begeisterter Anhänger der christlichen Partei „Forces Libanaises“ und hat eine Autowerkstatt direkt um die Ecke. Seine Frau Shirine kümmert sich dort um das Büro und erwartet ein Kind. Eines Tages wässert Toni auf seinem Balkon dort stehende Pflanzen. Durch ein illegal angebrachtes und defektes Abflussrohr wird dabei Yasser nass, palästinensischer Flüchtling und Vorarbeiter einer Baubrigade, die in dem Stadtteil Renovierungen durchführt. Mit nassem Helm klingelt Yasser bei Toni und will das Rohr direkt reparieren. Doch Toni weist ihn harsch ab. Als dieser das Rohr trotzdem ausbessert, zerschlägt Toni es wutentbrannt mit einem Hammer, woraufhin ihn Yasser als „Scheißkerl“ beschimpft. Diese kleine Streiterei endet in einer Auseinandersetzung der beiden Männer, infolge derer Toni zu Yasser einen Satz sagt, der Yasser zum Zuschlagen bringt: „Scharon hätte euch alle auslöschen sollen“. Daraufhin landet der Fall vor Gericht.

Wut, Hass und Vorurteile 

„Toni George Hanna, Libanese, geboren am 07. Oktober 1970, wohnhaft in Beirut“, liest der Richter vor. Toni nickt zustimmend. Dann wird Yasser in den Gerichtssaal geführt. „Sind Sie Yasser Abdallah Salameh, geboren in Palästina?“, fragt ihn der Richter. Yasser bejaht. „Wo wohnen Sie?“ – „Im Flüchtlingscamp St. Eli.“ Dieser kurze Dialog bringt den ausschlaggebenden Unterschied der beiden Männer auf den Punkt. In ihrem Stolz und in ihren Schatten der Vergangenheit, die beide mit sich herumschleppen, ähneln sie sich jedoch, was aber erst nach und nach ans Licht kommt. In der Gerichtsverhandlung wird zunächst deutlich, dass es hier nicht vordergründig um einen Abfluss geht, sondern um tief sitzenden Hass, Vorurteile und Rassismus, welche durch die libanesische Geschichte entstanden sind. Woraus sich Tonis hasserfüllte Wut gegenüber Yasser speist, wird lange im Dunkeln gelassen. Dem Zuschauer ist jedoch klar, dass hierfür noch eine Erklärung folgen muss. 

Gekonnt lenkt Regisseur Ziad Doueiri die Sympathien zunächst auf Yasser, den illegalen, palästinensischen Flüchtling, lässt dieses Bild dann aber durch das Aufdecken persönlicher Hintergrundinformationen zu beiden Männern ins Wanken bringen. Klug baut Doueiri hier diesen Konflikt auf, der über eine anfangs persönliche Fehde weit hinausgeht. Als Shirine eine Frühgeburt erleidet, sucht sich Toni einen Staranwalt, der ihn vor einem höheren Gericht vertreten soll. Mittlerweile haben die Medien Wind von dem Fall bekommen, verschiedene politische Gruppen solidarisieren sich mit Yasser oder Toni und der anfangs private Streit hat sich zu einer landesweiten Debatte ausgeweitet. Während im Gerichtssaal heftig mit Worten gefochten wird, finden draußen auf der Straße Tumulte zwischen Palästinensern und Libanesen statt.

Überzeugend in vielerlei Hinsicht 

Regisseur Doueiri baut seinen Film unglaublich geistreich und spannend auf. Besonders hervorzuheben ist dabei sein Gespür für einen dramaturgischen Aufbau, der mit Verkettungen von Ereignissen und unvorhergesehenen Wendungen spielt, sodass sich die Richtung des Konfliktes immer wieder ändert. Dies ist vor allem schön an den Szenen im Gericht zu sehen, die sich durch scharfsinnige Dialoge zwischen den beiden Anwälten von Toni und Yasser auszeichnen. 

Erwähnenswert sind auch die Schauspieler Adel Karam als Toni und Kamel el Basha als Yasser, die zwei Männer spielen, die sich mit schmerzhaften Erinnerungen und aktuellen Schwierigkeiten auseinandersetzen müssen, in einem Land, in dem der Bürgerkrieg immer noch in den Köpfen der Menschen vorherrscht. Untermalt von einem schwermütigen, aber passenden Soundtrack, hat es Doueiri geschafft, den Konflikt seines Landes greifbar, nah und eindrücklich darzustellen. „The Insult“ ist deshalb ein Film, den man gesehen haben sollte

The Insult läuft ab Donnerstag, den 25.10.2018 in den deutschen Kinos.