Ballettkritik

Tanz in neuen Sphären

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Das Bayerische Staatsballett zeigt zusammen mit dem Bayerischen Junior Ballett München in Sphären.01 eine vielseitige Zusammenstellung des modernen Balletts, welche das Publikum im Prinzregententheater in Begeisterung versetzt. In vier Stücken finden Jazz sowie Hip-Hop- Elemente genauso Platz wie sakrale Szenen, meme-ige Fitness-Looks und melancholischer Herzschmerz.

“All long dem day” von Marco Goecke / Bild: Bayerische Staatsoper

Was nach einem wilden Potpourri an Chaos klingt, fügt sich jedoch zu einem sehr abwechslungsreichen Abend zusammen, der die Besuchenden mit einer Breite an Gefühlen konfrontiert.

Im ersten Teil bereiten ein schneller Beat, Jazz-Gesang gepaart mit schummrigen Licht und einer reduzierten Bühnen-, sowie Kostümgestaltung einen dynamischen Einstieg. Die Choreografie des Marco Goecke sorgt mit schnellen, ausladenden Bewegungen und zittrigen Händen für eine sehr beeindruckende Performance des bayerischen Junior Balletts München.

Träumerische Szenen und Melancholie

Fünfzehn wie im Fluge vergangene Minuten später wird durch das darauffolgende Stück „L’Eternité immobile“ von Nicolas Paul klar, dass an diesem Abend wirklich alles zu erwarten ist. Denn mit zarten Streichern und träumerischen Kompositionen wird sowohl stilistisch, als auch thematisch ein starker Kontrast zur vorherigen Vorstellung gezeichnet. Durch eine Schattenwand und eine sich andauernd windende Tänzerin am rechten Bühnenrand werden Szenen erzeugt, die ein Gefühl von Zwiespalt und den Fängen der Zeit mit einem fast schon göttlich anmutendem Gespräch verbinden. Dieses thematisiert sowohl Konflikt als auch Versöhnung und ruft eine tiefe Rührung hervor.

“The habit” von Fran Diaz / Bild: Bayerische Staatsoper

Während in den ersten beiden Vorstellungen die Bühne eher im Hintergrund als Gestaltungsmittel genutzt wurde, verwendet Fran Diaz in „The habit“ ein riesiges, hängendes Element aus Metall, dass sowohl an ein Ufo als auch einen Kronleuchter erinnern könnte. Dazu passend folgt ein Auftritt, der die Tänzer:innen gleichsam in einem religiösen Kult und einer düsteren Trance platziert und als längstes Stück das Publikum ebenfalls in einen solchen Zustand hineinzuziehen versucht.

humorvolle Looks mit Meme-Faktor

“Le grand sot” von Marion Motin / Bild: Bayerische Staatsoper

Die auffälligsten Kostüme des Abends präsentiert Marion Motin in ihrem humorvollen Stück „Le grand sot“, welches als letzter Akt der Vorstellung aus dem Rahmen fällt und einen nochmals neuen Blickwinkel auf die Möglichkeiten des Balletts eröffnet. Mit bunter active wear und „schnellen Brillen“ gerüstet performt das Ensemble zum berühmten Stück Boléro von Maurice Ravel einen Tanz, der durch diese ungewöhnliche Kombination von klassischen und Hip-Hop Elementen das Publikum zum Schmunzeln brachte. In der nächsten Spielzeit wird dieses Stück in der Produktion “Blickwinkel” wieder zu sehen sein.

Sphären.01 bietet dem Publikum einen facettenreichen Einblick in die Strömungen des modernen Balletts, der Spaß und Lust auf mehr macht. Le grand sot von Marion Motin könnt ihr beim Septemberfest am 23. und 24. September 2023 im Nationaltheater sehen.