Schönheitswettbewerbe in Deutschland

Spieglein, Spieglein …

/ / Bild: shutterstock/ Jade ThaiCatwalk

… an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?

Um das auch ohne magischen Spiegel herauszufinden, gibt es seit etwa 100 Jahren nationale Schönheitswettbewerbe. Es ist die gerade erst sechzehnjährige Margaret Gorman, die am 8. September 1921 den “Atlantic City Pageant” gewinnt. Aus dem Wettbewerb entwickeln sich später die Wahlen zur Miss America. Nachträglich wird die nur 1,53m große Margaret zur ersten Miss America gekürt.

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Schönheitswettbewerbe gibt es längst weltweit. Ob die Wahlen zur Miss Germany, Europe oder gar Universe, ob zur Bierkönigin oder zum Wiesn- oder Trachtenmadl – allein in Deutschland bieten sich jungen Frauen zahlreiche Möglichkeiten, sich gegeneinander zu behaupten. Den Teilnehmerinnen winken Karriere, Networking und Publicity. Und die Chance, über sich selbst hinauszuwachsen.

Sometimes the greatest hurdle is inside you. We believe in building women up to feel they can take on the world.

Offizielle Website zur Miss America-Wahl
Wahl zur Miss America 2007 in Las Vegas. Bild: shutterstock/ Everett Collection

Fräulein Deutschland

Großstadtlichter und Tanzlokale, Bubikopf und Fransenkleider, Kinokultur und Telefonschaltbretter: Die erste offizielle Miss-Germany-Wahl fand Mitte der 1920er Jahre statt. Bereits 1909 hatte Gertrud Dopieralski in Hamburg den Titel „Miss Universe“ gewonnen – wenngleich Konkurrentinnen ihr Spiritus in die Schminke gekippt hatten. 1927 ging es dann um den Titel „Fräulein Deutschland“, den letztendlich Hildegard Kwandt erlangt.

Dass Miss-Wahlen sich genau in den 1920ern durchsetzten, ist kein Zufall. Die „Neue Frau“ geht wählen und arbeiten, ist ungebunden und frei. Und auch die Miss-Wahlen nach amerikanischem Vorbild eröffnen jungen Frauen die Möglichkeit, sich zu emanzipieren.

Sich schön zu machen hat mit Freiheit zu tun.

Claudia Becker, Journalistin bei Welt

Zwar sind es Männer, die damals in der Jury sitzen – aber es sind Frauen, die sich aktiv für eine Teilnahme am Wettbewerb entscheiden. Frauen, die sich nun endlich in ihrem Körper wohlfühlen dürfen, und Frauen, die nun nicht mehr dazu angehalten werden, ihren Körper unter langen Röcken zu verstecken.

So wie die Nationalsozialist:innen die Freiheit von Frauen einschränkten, so verboten sie auch Miss-Wahlen. Selbstbestimmung und Individualität passten nicht ins Frauenbild der Nazis.

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Von Chancen, …

Erst 1950 fanden wieder Miss-Wahlen in Nachkriegsdeutschland statt. Die Gewinnerin der ersten Nachkriegswahlen, Susanne Erichsen, reiste in die USA und machte Karriere in der Modebranche. Doch während Schönheitswettbewerbe in der Bundesrepublik immer mehr Anklang fanden, waren sie in der DDR weiterhin verkannt. Für die realsozialistische DDR Regierung stehen diese Wettbewerbe für die Erniedrigung von Frauen und Kapitalismus. Die erste und letzte offizielle Miss DDR, Leticia Koffke, wird 1990 ausgezeichnet. Die Kapitalismusvorwürfe sind nicht gänzlich unbegründet.

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… Risiken und Nebenwirkungen

Bereits zu Beginn der 1950er Jahre wurde aus dem gesellschaftlichen Ereignis eine kommerzielle Veranstaltung. Der Strumpfhersteller Opal wird zum Sponsor und macht die Kandidatinnen zu Werbefiguren. In den nächsten Jahren nahm die Geschäftemacherei um die jungen Frauen immer mehr zu. Sie werden zu personifizierten Schönheitsidealen, von denen die Werbeindustrie profitiert. Schönheitsköniginnen landen auf Reklame und in Werbefilmen. Die Kandidatinnen selbst hingegen müssen sich mit ein wenig Applaus, geringem Preisgeld und einem fragwürdigen Titel abfinden. Zeitweilen war die Wahl zur Miss Germany eine reine Marketingveranstaltung, erzählt der Veranstalter der Miss DDR-Wahl, Horst Klemmer, im FAZ Interview.

Miss Germany 2010, Kristina Rohder, in Las Vegas bei einer Benefiz-Veranstaltung. Bild: shutterstock/ Jerry´n LV

Miss Germany heute

Seit den Anfängen der Miss-Wahlen in Deutschland ist einige Zeit vergangen. Und während sich die Gesellschaft stetig im Umschwung befindet, scheinen Schönheitswettbewerbe hierzulande erst langsam, aber sicher, mit der Zeit zu gehen. Endlich sitzen auch Frauen in den Jurys, die ihren Blick über die (nun nicht mehr ganz so knapp bekleideten) weiblichen Körper streifen lassen. Zumindest in Deutschland wird inzwischen auf einen seperaten Bikini-Wettbewerb verzichtet.

Bis dahin war es aber ein langer Weg. Erst seit 2019 dürfen Mütter und Ehefrauen zum Wettbewerb antreten. Auch Frauen über 28 Jahre haben erst jetzt die Chance, um den Titel der Miss Germany zu kandidieren. Die “schönste Frau Deutschlands” muss längst nicht mehr veralteten Schönheitsidealen entsprechen. Blaue Augen, blonde Haare, lange Beine und ansprechende Kurven sind Geschichte. Diversität zu repräsentieren ist heute allerdings unumgänglich. Für die freie Stylebook-Autorin Desireé Oostland steht klar, dass Shows wie die Wahl zur Miss Germany oder zu Germany´s Next Topmodel sonst nicht mehr funktionieren würden: “Ist es also ein ehrlicher oder eher ein notwendiger Schritt? Ich möchte keineswegs alles in diesem Bezug negativ bewerten, aber oftmals wirkt mehr wie ein wichtiger Marketingschritt, damit die Kassen weiterhin befüllt bleiben.” Aus der Luft gegriffen ist diese Kritik nicht, schließlich sind Schönheitswettbewerbe spätestens seit den 1950er Jahren nunmal stark mit wirtschaftlichen Interessen verbunden.

Miss Universe Germany 2017, Sophia Koch, bei einem Event in Las Vegas. Bild: shutterstock/ Taku Sanada