M94.5-Kulturredaktion

Serien-Tipps für den Sommer

/ / Bild: M94.5/Jan Rothe

Es sind Semesterferien und ihr habt keine Lust vor die Tür zu gehen? Kein Problem! Die M94.5-Kulturredaktion stellt euch ihre Serien-Tipps für den Sommer vor. Von alten Klassikern bis hin zu neuen Geheimtipps ist alles mit dabei – auf die Plätze, Netflix/Amazon/Sky an und los!

After Life (Netflix)

Eigentlich wollte Tony sich heute umbringen. Doch dann hat der Hund Hunger. Also geht Tony zum Supermarkt, um Futter zu kaufen. Und so kommt ihm immer wieder das Leben dazwischen, der Suizid wird aufgeschoben. Weil er nach dem Tod seiner Frau mit allem abgeschlossen hat, sieht er keinen Grund mehr für Höflichkeiten. Er ist brutal ehrlich. Und das ist brüllend komisch. Hauptdarsteller und Drehbuchautor Ricky Gervais, der Erfinder von Kult-Serien wie The Office und Extras, balanciert Rührseligkeit mit Aberwitz. Man kann abwechselnd lauthals lachen und sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln wischen – eine unterhaltsame Achterbahnfahrt durch die menschlichen Emotionen. /ml

Diagnose: Mord

Los Angeles, 90er Jahre. Wenn hier ein Mord aufgeklärt werden muss, hat einer ganz sicher seine Finger im Spiel: Dr. Mark Sloan, Chef für innere Medizin am Community General Hospital, hat ein Händchen für Kriminalistik. Er macht sogar seinem eigenen Sohn Konkurrenz, dem Polizisten Detective Steve Sloan. Doch was Diagnose: Mord so besonders macht, sind die Schauspieler. Denn Mark Sloan, gespielt von dem Komiker Dick van Dyke und Steve Sloan, gespielt von Barry van Dyke, sind auch im echten Leben Vater und Sohn.

Die verwirrenden Verwandtschaftsbeziehungen machen die Serie extrem charmant, die einzelnen Fälle werden nebensächlich. In erster Linie wachsen die Figuren ans Herz und der neckende Umgang von Vater und Sohn bringt den Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln. Diagnose: Mord ist das Paradebeispiel für ein lange vergessenes Genre: die Das-Leben-ist-schön-und-ich-mache-mir-jetzt-noch-einen-Kakao-Wohlfühlserie, die einen plötzlich nichts mehr weiter brauchen lässt. Genau das Richtige für einen Sommer, in dem man entweder nicht rausgehen kann, weil wieder ein neuer Hitzerekord gebrochen wird oder weil es schüttet wie aus Eimern. /as

Downton Abbey (Amazon Prime)

Wir tauchen ein ins England des frühen 20 Jahrhunderts. Genauer gesagt zu Lord Grantham und seiner Familie. Familie Grantham lebt in Downton Abbey, einem malerischen Herrenhaus in York. Sie haben viele Bedienstete und ein sorgenfreies Leben – bis jetzt! Denn Lord Grantham hat zwar drei bildschöne Töchter, doch keinen Erben mehr. Dieser ist mit samt der unsinkbaren Titanic in den Tiefen des Meeres verschwunden. Der neue Erbe, ein gewisser Mr. Crawley ist ein kleiner Anwalt aus Manchester – welcher jetzt Titel und Ländereien übernehmen soll. Der Ältesten und überaus selbstbewussten Tochter, Lady Mary, ist das gar nicht recht. Soll sie  am Ende diesen Rüpel auch noch heiraten?

Es entspinnt sich ein magisches Historiendrama, bei dem nicht nur die hohen Herrschaften eine Rolle spielen, sondern auch die Bediensteten unter Deck. Zu jeder Figur gibt es liebevoll gestaltete Subhandlungen, die vor allem die Verwirrungen und Veränderungen des frühen 20. Jahrhunderts darstellen. Kulisse und Kostüme sind unfassbar detailgetreu und mit historischer Präzision ausgewählt. Eine Serie für einen gar historischen Sommer. Und Achtung! Im September geht es dann gleich weiter – mit dem Downton Abbey Film. /ap

Fleabag (Amazon Prime)

Eine Frau in ihren Dreißigern steht vor einem Scherbenhaufen von Leben. Und lächelt tapfer in die Kamera. Wir, das Publikum auf der anderen Seite der Kamera, sind schließlich ihre Freunde, die sie immer begleiten und als einzige ihre süffisanten Live-Kommentare hören können. Phoebe Waller-Bridge (auch verantwortlich für Killing Eve) hat nicht nur das Drehbuch zu Fleabag geschrieben, sondern übernimmt auch die Hauptrolle. Sie kontrastiert gekonnt die verzweifelt dunklen Seiten des Lebens mit den Absurditäten des Alltags: Ihr Freund erwischt sie beim Masturbieren zu einer Obama-Rede. Ihre Patentante verführt ihren frisch verwitweten Vater. Sie verliebt sich hoffnungslos in einen unwiderstehlichen, katholischen Priester und fragt sich, ob sie auch dann eine Feministin wäre, wenn sie größere Brüste hätte. /ml

Flight of the Conchords (Sky)

Die amerikanische Serie über zwei erfolglose neuseeländische Musiker in New York ist inzwischen schon über 10 Jahre alt und hat trotzdem kein bisschen ihres schrulligen Humors verloren. Das mag auch daran liegen, dass es schwer ist, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu ziehen: Die Band Flight of the Conchords, um die sich die Comedy-Serie dreht, existiert nämlich auch im echten Leben. Die beiden Musiker spielen fiktionalisierte Versionen ihrer selbst, behalten jedoch ihre echten Namen bei. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die lose miteinander verbundenen Episoden und ihre teilweise wirklich abgehobenen Szenarien dennoch überraschend authentisch bleiben. Die Neuseeländer verarbeiten ihre eigenen Erfahrungen, als Einwanderer in den USA oder Neulinge im harten Musikgeschäft, eben derart überspitzt, dass die Geschichten nur so vor Absurdität triefen.

Besonders einzigartig macht Flight of the Conchords aber sein Mix aus oft nüchtern in die Länge gezogenen Dialogen und plötzlichen Musical-Einlagen: Jeweils passend zur Story werden alle denkbaren Musik-Genres einmal durchgespielt, Klischees bedient und dadurch entlarvt. Und ganz nebenbei auch noch großartige Ohrwürmer mit ebenso großartigen Texten produziert. Clever, ein bisschen eigenartig, aber unfassbar witzig. /nc

Gilmore Girls (Netflix)

Manche Serien wachsen einem einfach ans Herz und wenn sie dann vorbei sind, fühlt es sich an, als sei ein guter Freund abgereist. Wie gut, dass man auch alte Kameraden wieder aus der Versenkung holen kann. Zum Beispiel Gilmore Girls. Die US-amerikanische Serie von Amy Sherman-Palladino aus dem Jahr 2000 schaut man immer wieder gerne an. Also zurück zur allerersten Folge und play. Zack, plötzlich ist alles wieder da: Stars Hollow, Luke‘s Diner, Doose‘s Market, Sookie, Kirk, Lane, Emily und Richard, Dean, Miss Patty und Babette mit ihrer Katze. Und natürlich Lorelai und Rory, die coolste Mutter und die süßeste Tochter überhaupt auf der ganzen Welt. Zumindest in einem ziemlich großen Radius um Stars Hollow herum.

Vertraut, kuschelig, warm – wieder Gilmore Girls schauen ist wie heimkommen. Man erlebt alles noch einmal: wie Rory auf einer neuen Schule angenommen wird, wie sie sich das erste Mal verliebt und wie sie aufs College kommt. Daneben ist ganz viel Platz für die wunderbare Mutter-Tochter-Beziehung, Kleinstadtgeschichten und all die schrägen, liebenswerten Einwohner von Stars Hollow. Die Dialoge sind witzig, schnell und intelligent, die Hauptfiguren glaubhaft und überaus sympathisch, die Geschichten unterhaltsam. Gilmore Girls ist eine liebevolle Serie zum Wohl- und Mitfühlen und deshalb eine absolute Sommer-(re)watch-Empfehlung. /jroh

The Great British Bake Off (Amazon)

Koch- und Backsendungen sind ja wohl das am meisten ausgelutschte (wenn nicht sogar altbackene) Format der Fernsehgeschichte. Umso größer ist also die Leistung von The Great British Bake Off (von Fans liebevoll GBBO abgekürzt), denn der Backwettbewerb erfreut sich trotz massivem Konkurrenzangebot auch nach bisher bereits neun Staffeln weiterhin größter Beliebtheit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Show tatsächlich unfassbar britisch ist: Die wechselnden Moderatorenteams führen mit trockenem Humor durch den Wettbewerb, der einmal im Jahr ausgerufen wird, um den besten aller Hobby-Bäcker in ganz Großbritannien zu küren. Der Konkurrenzdruck ist hoch, und trotzdem geht die Sendung auffallend liebevoll mit ihren oft sehr divers ausgewählten Kandidaten um, so dass man sich als Zuschauer am Ende aufrichtig mit dem Gewinner mitfreuen und vielleicht auch ein Tränchen verdrücken kann.

GBBO ist nicht nur sehr unterhaltsam und derart kurzweilig, dass im Nu ganze Staffeln hinwegrauschen; es macht mit seinen wirklich beeindruckenden Kuchen-, Muffin- und Brot-Kreationen auch richtig Lust, mal wieder selbst die verstaubte Kuchenform aus dem Küchenschrank hervorzukramen. Leider macht’s auch wahnsinnigen Appetit, deshalb vorsichtshalber nur mit ausreichendem Süßwaren-Vorrat schauen. /nc

Haus des Geldes (Netflix)

Freude, Verzweiflung und jede Menge Nervenkitzel. Bei Haus des Geldes kommt wirklich jeder Gemütszustand auf seine Kosten. Die ersten zwei Teile des spanischen Netflix-Originals handeln von einem einzigartigem Überfall auf die Banknotendruckerei in Madrid, bei dem eine Truppe von Verbrechern 2,4 Milliarden Euro stehlen will. Neben diversen durchdachten Nebenhandlungen beleben auch die individuellen Charaktere jede einzelne Folge aufs Neue. Das Besondere ist außerdem, dass man sich trotz der verbrecherischen Absicht der Gruppe sofort auf ihre Seite stellt und sich absolut mit ihnen identifizieren kann. Vor allem der selbsternannte „Professor“, der Leiter des Überfalls, bringt den Zuschauer zwar gerne mal zum Zittern, ist aber ein absoluter Zuschauerliebling.

Haus des Geldes vereint alles, was man sich in einer guten Serie wünscht: Ein bisschen politische Message, ganz viel Action und jede Menge Cliffhanger. All das ergibt zusammen einen Suchtfaktor, den man besser nur außerhalb der Prüfungsphase genießt. P.S.: Seit Mitte Juli gibt’s bereits den dritte Teil! /fh

Love, Death & Robots (Netflix)

Jede Folge erzählt eine neue Handlung mit neuen Charakteren – das ist die Anthologie-Serie Love, Death and Robots. Die erzählten Kurzgeschichten spielen meistens in einer ungewiss-weit entfernten Zukunft. So gibt es zum Beispiel keine Menschen mehr und man folgt ein paar hoch entwickelten und humorvollen Robotern auf ihrem Ausflug durch eine post-apokalyptische Stadt oder der Zuschauer erfährt, wie die Weltherrschaft eines Tages von einem Joghurt übernommen wird. Klingt absurd, ist aber alles tatsächlich wirklich gut erzählt und genial umgesetzt.

Das Besondere: die Folgen dauern jeweils nur zwischen 6 und 17 Minuten lang und jede Folge ist anders animiert. Manchmal sehen die Figuren und die dargestellte Welt täuschend echt aus, ein anderes Mal wird im Comicstil erzählt. Da Love, Death and Robots erst ab 18 Jahren freigegeben ist, wird weder vor Brutalität noch nackter Haut oder derben Sprüchen Halt gemacht. Das macht den Netflix-Hit genauso real wie surreal und erzählt packend viele neue Geschichten – die als Film einfach nicht funktionieren würden. Denn sie sind in ihrer Kürze und Art und Weise genau richtig erzählt. /jrot

Luther (Netflix)

Wer auf Krimis steht ist bei Luther genau richtig, denn die BBC wollte eine neue, charakteristische Detektivfigur schaffen. Mit Detective Chief Inspector John Luther, 1,90m groß, grauer Mantel und rote Krawatte, extrem aufbrausend, und gespielt vom brillianten Idris Elba, ist das gelungen. Luther ist mit jeder Faser seines Körpers Polizist, der mit hundertprozentiger Hingabe wirklich alles dafür tut, um weitere Opfer der Serienkiller, die er jagt, zu verhindern. Dafür bricht er Vorschriften, Gesetze und riskiert sein eigenes Leben. Luther bewegt sich fast immer haarscharf am Rande des Wahnsinns. 

Optisch besticht die Serie durch ein konsequent durchgezogenes Farbkonzept. Genauso konsequent wie das Farbkonzept agieren alle wichtigen Charaktere. Gerade die grandios ausgearbeiteten Killer, die sich in jeder Folge ein Duell mit Luther liefern, bleiben lange im Gedächtnis. Wer also im entspannten Urlaub nicht ohne Thrill auskommt, findet mit Luther Befriedigung und auch ein paar erfischende, eiskalte Schauer über den Rücken. /rfv

Meister Eder und sein Pumuckl (Amazon Prime)

Achtung und fertig machen zum Mitsingen! Jetzt kommt ein “Serien-Zuckerl”, das jedem Münchner Nostalgiker ein Lächeln ins Gesicht zaubern könnte: Der Pumuckl. Mit allerlei Streichen und Schabernack, hat sich der “Kobold mit dem roten Haar” nicht nur in das Herz des kauzig-liebevollen Schreinermeister Eders geschlichen. Sei es beim Kirschgeist trinken oder Fische füttern: Der kleine Wirbelwind bringt uns auch nach der 53. Folge noch zum schmunzeln.

Die “gmiatliche” Wohlfühl-Familienserie ist vielleicht kein Geheimtipp, dafür ist sie unterhaltsam, charmant und steht stellvertretend für einen generellen Ferien-Serientipp: Kurz, humorvoll und am besten in kleinen 20-minütigen Häppchen genießen! Seit dem Frühjahr gibt es das Münchner Serien-Kindl jetzt auch auf Amazon Prime: Perfekt für die Sommerferien also! Hurra! Hurra! Er ist wieder da! /vs

New Girl (Amazon Prime)

„Who’s that giiirl? It’s Jess!“ – Wenn man mich um drei Uhr nachts aus dem Tiefschlaf wecken würde, ich würde die Titelmelodie von New Girl sofort mitsingen. Weil diese Serie einfach ganz genau das Lebensgefühl in meinen 20ern beschreibt. Kein Millenial-Girl kann mir erzählen, sich nicht wenigstens irgendwie mit der Hauptfigur Jess identifizieren zu können. Und für die Millenial-Boys bieten Jess’ drei Mitbewohner genügend Identifikationsfläche. Worum es geht? Die ende- zwangzigjährige Jess zieht nach einer Trennung in eine reine Männer- WG. New Girl steckt voller verschrobenem Witz, Neurosen und der coolsten WG-Katze aller Zeiten (Furguson – hallo?! Der Name?!).

Warum man diese Serie unbedingt (nochmal) anschauen sollte? Weil New Girl aus jedem schlechten Tag einen besseren Tag macht. Außerdem ist seit April 2019 nun auch endlich das lang erflehte Staffelfinale auf Netflix und somit in Deutschland verfügbar – mit einem sehr zufriedenstellenden Ende. Ihr könnt die Serie also in einer einzigen Session durchbingen. Und wer sie schon mal gesehen hat, wird beim x-ten Mal anschauen vielleicht endlich die Spielregeln von True American verstehen. Vielleicht aber auch nicht. /sf

The Newsroom (Amazon)

Zwischen all den Fake-News-Debatten fragt man sich, was eigentlich guten Journalismus ausmacht. West-Wing-Erfinder Aaron Sorkin liefert mit The Newsroom idealistische Antworten auf die großen Fragen des News-Business: Wie viel Qualität für die Quote geopfert werden darf, ab wann Social Media die Nachrichten korrumpiert und ob ein Nachrichtensender nach einer irrsinnigen Falschmeldung noch glaubwürdig sein kann. Ganz nebenbei lernt der Zuschauer auch etwas über die Tücken von Presse-Ethik. An einer Stelle heißt es über den Versuch fairer Berichterstattung: Stell dir vor, die republikanischen Abgeordneten würden eine Resolution verabschieden, dass die Erde eine Scheibe ist. Am nächsten Tag stünde aus Fairness-Gründen in der New York Times „Demokraten und Republikaner können sich nicht auf die Form der Erde verständigen“. The Newsroom – eine Serie nicht nur für Nachrichten-Junkies. /ml

Queer Eye (Netflix)

Amerikanischer geht’s eigentlich kaum: Eine Makeover-Show, die das Leben ihrer Kandidaten komplett umkrempelt und damit natürlich alles besser macht. Ganz so oberflächlich, wie es zunächst scheint, ist Queer Eye aber gar nicht. Im Gegensatz zu ähnlichen Umstyling-Formaten bleibt Queer Eye nämlich, trotz zeitweise sehr hohem Kitschfaktor, erstaunlich menschlich. Da laufen selbst dem zynischsten Reality-TV-Skeptiker spätestens nach drei Folgen wasserfallartig die Tränen übers Gesicht, denn Queer Eye predigt vor allem eins: Embrace yourself! Geh fürsorglich und selbstbewusst mit dir um. Diese unumstößlich positive Lebenseinstellung ist vielleicht ein bisschen over the top, aber gehört zu entspanntem Wohlfühl-Fernsehen eben einfach dazu. So vergeht der faule Nachmittag wie im Flug, wenn man ihn mit den Fab Five verbringt, den fünf schwulen Moderatoren der Show, die ihrem Namen entsprechend wirklich allesamt absolut “fabulous” sind.

Profi-Tipp: Wer nach den bisher erschienenen vier Staffeln Schwierigkeiten hat, den plötzlichen Fab-Five-Entzug zu verkraften, kann direkt zu Youtube wechseln, denn dort sind die Jungs auch aktiv. Unter anderem zu sehen: eine Serie, die bekannten US-amerikanischen Comedians Makeovers verpasst, und wahnsinnig witzige Game-of-Thrones-Recaps unter dem Titel „Gay of Thrones“. /nc

Sex Education (Netflix)

Fremdschämen war noch nie so charmant – und unterhaltsam: Sex Education hat sich auf Netflix längst zum britischen Teenie-Komödien-Klassiker gemausert. Skurrile, nerdige Einzelgänger scheinen es dem Streaming Anbieter angetan zu haben: Hauptcharakter Otis can get no satisfaction. Er ist traumatisiert von einer Mutter, die als Sex Coach arbeitet und für die das Privatleben eines unsicheren Teenagers absolut kein Begriff ist. Unterstützt von seinem schwulen besten Freund Eric und der rebellischen Maeve, startet Otis unerwartet als Sextherapeut seiner Mitschüler durch. Deren Sexleben ist so ganz anders als die glattgebügelte Hollywood-Liebe, die wir sonst aus Serien gewohnt sind. Und genau das macht Sex Education so erfrischend zeitgemäß und so angenehm unangenehm.

Die kurzweiligen acht Folgen lohnen sich nicht zuletzt für ihren catchy Soundtrack: Ein Mix aus nostalgischen Pop-Ikonen der 80er und 90er, Indie-Hits und neu geschriebenen Songs von Ezra Furmann. Sehr britisch, sehr hip und nicht nur was für Teenies. /vs

Six Feet Under (Amazon)

„You can’t take a picture of this. It’s already gone“, heißt es im Serienfinale von Six Feet Under – ein charmanter Leitsatz für unsere Instagram-affine Gesellschaft. Und das, obwohl die Serie schon über 15 Jahre alt ist. Im Zentrum steht Familie Fisher, die ein Bestattungsinstitut führt. Richard Jenkins als Patriach wider Willen stirbt zwar direkt in der ersten Folge, erscheint seinen Angehörigen im Verlauf der Serie aber häufig, um ihnen mehr oder weniger gute Ratschläge zu geben. Der ältere Sohn, ein idealistischer Rebell, will eigentlich nichts mit dem Familienbusiness zu tun haben. Der andere Sohn, ein vorbildliches Mitglied der Gemeinde, hadert mit seinem Coming Out und die Tochter hat immer wieder mit ihrem Drogen-Konsum und den Junkie-Freunden zu kämpfen. Dazu gibt es in jeder Folge bizarre Todesfälle und einen auch Jahre später noch grandiosen Soundtrack. /ml

Stromberg (Netflix)

Stromberg konfrontiert den Zuschauer mit der existenziellen Angst unvermeidlich und mit besorgniserregender Zielstrebigkeit in Mittelmäßigkeit, Frustration und lähmender Traurigkeit zu versinken, je weiter man im (Berufs-)Leben voranschreitet. Das Streben der Protagonisten nach Glück, Sex und erfüllenden sozialen Beziehungen scheitert wieder und wieder und mündet in Peinlichkeit, Fremdscham und Würdelosigkeit.

Schaut man sich erneut die fünf Staffeln von Stromberg in einer kurzen Zeitspanne an, dann merkt man, dass das nicht das Selbstverschulden der Protagonisten ist. Was diese belastet sind: Die Firma, Firmenhierarchien, der individualistische Zwang sich nach oben zu Boxen und der kriecherische Gang unter der Lohnarbeit. Zugleich ist die Serie unglaublich humorvoll, dank der gut geschriebenen Gags und den herausragenden darstellerischen Leistungen. Daher: Sommer vor dem Fenster, Stromberg auf dem Fernseher. /msr

Suits (Netflix/Sky)

Mike ist ein Glückspilz: Er hat ein fotografisches Gedächtnis, kann sich alles merken was er ließt und ist zudem noch unfassbar klug. Doch das nützt ihm nichts, denn durch unglückliche Umstände ist er Drogenkurier geworden. Bis er Harvey Specter trifft. Ein Deal läuft schief und und Mike kann nur flüchten indem er sich unter Kandidaten für ein Vorstellungsgespräch mogelt. Harvey ist von dem schlauen Betrüger begeistert und stellt ihn trotz fehlendem Jura Studium ein. Fortan arbeiten Harvy und Mike zusammen in einer Multimillionen Dollar Kanzlei über den Dächern von New York. Fast schon wie Kommissare lösen sie akribisch einen Fall nach dem anderen, hauen sich dabei immer wieder Paragraphen und Fachwissen um die Ohren und laden zum Mit- und Nachdenken ein.

Auch für ausreichend Frauenpower ist in dieser Juristenserie gesorgt: Neben Chefin Jessica, brillieren auch noch Harveys Sekretärin Donna und natürlich Mikes Freundin Rachel (Darstellerin Meghan Markle ist die Ehefrau von Prinz Harry). Die gerade erschienene 7. Staffel lockt erneut mit genialen Dialogen und spannenden Fällen. /ap

The Young Pope (Sky)

Jung, brutal, gutaussehend. Dieses Trikolon entspricht ziemlich genau dem fiktiven Young Pope aus der gleichnamigen, sehr kreativen HBO-Serie von 2016. Und genau das macht die italienisch-spanisch-französische Koproduktion zum Muss mit Binge-Watching-Potential: der sexy-egoistische und in einen Moment sehr nahbare und im nächsten Moment abschreckend-großkotzige Jude Law als Papst Pius XIII. Er schert sich nicht um den Ruf der Kirche, Medien- und Missbrauchsskandale und wirft alle Konventionen endgültig über Bord. Zum Beispiel als er sich von der Weltöffentlichkeit zum Amtsantritt Zigaretten und Aschenbecher wünscht – und dafür eine Geschenkhalle errichten lässt.

Ein anschaulicher und innovativer Politthriller, top Schauspieler, dazu bestes Entertainment und ein absolut bombastisch-fantastischer Soundtrack – was wünscht man sich mehr? Und warum gerade jetzt anschauen? Weil man so die schönen Drehorte gemütlich daheim mit einem kühlen Radler genießen kann, fernab brüllender römischer Hitze und Myriaden um die Wette schwitzender Touris. /lp