Buchkritik

Rosies Wunderkind – Über die Liebe einer Mutter

/ / Bild: Iris Janda

Von dem Zeitpunkt der Geburt dreht sich die Welt vieler Mütter nur um ihr Kind. Sie wünschen sich nur das Allerbeste für ihren kleinen Nachwuchs: Ein sorgenfreies, glückliches, gesundes Leben! Aber was ist, wenn genau das nicht eintrifft? Was ist, wenn das Kind für immer mit einer Diagnose leben muss, die nicht nur sein Leben, sondern auch das der Mutter in jeder Hinsicht beeinträchtigt? Genau diesen Fragen geht Autorin Lydia Wünsch in ihrem Debutroman Rosies Wunderkind nach.

Rosies Rückblicke im Gefängnis

Die Erzählung beginnt in einem unerwarteten Setting: Einem Frauengefängnis. Dort blickt die Protagonistin Rosie an ihren letzten Tagen im Gefängnis auf ihr Leben und die Beziehung mit ihrem autistischen Sohn Almanzo zurück. Dabei plagen sie Schuldgefühle und ihre eigenen persönlichen Traumata.

Mit nur 21 Jahren wird Rosie unerwartet schwanger. Während andere in ihrem Alter gerade mal das Studium beendet haben, klappert sie Flohmärkte nach alten holzigen Wiegen ab und grübelt über Babynamen nach. Die Vorfreude auf das Baby war groß. Aber kurz nach der Geburt von Almanzo merkt sie schnell, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt.

Er schrie nur wenig und wenn er wach war, sah er meist verwundert auf diese Welt, in der er sich nie ganz zuhause fühlen würde.

Rosies Wunderkind von Lydia Wünsch

Almanzo ist anders als andere Kinder. Das merkt Rosie mit den Jahren immer mehr. Seine Wutausbrüche werden unkontrollierbarer und seine sozialen Fähigkeiten besorgniserregender. Doch weder ihr Mann Toni noch die Ärzte nehmen Rosies Sorgen ernst und sie wird von einer Praxis zur anderen geschickt. Bis ihr Sohn eines Tages die richtige Diagnose bekommt: Frühkindlicher Autismus.

Jede Faser ihres Körpers und jede freie Sekunden wird nun von Almanzo beansprucht. Rosie ist bereit alles für ihren geliebten Sohn zu tun. Doch wie weit würde sie gehen, um für ihr und Almanzos Wohlergehen zu sorgen?

Die schwerste Form von Autismus

Autismus ist in den Medien vor allem durch das Asperger-Syndrom, eine mildere Form der Entwicklungsstörung, vertreten. Mit vielen berühmten Persönlichkeiten wie Greta Thunberg, Elon Musk oder Sheldon aus The Big Bang Theory ist das Bewusstsein über Asperger in der Gesellschaft gestiegen. Über frühkindlichen Autismus, auch Kanner-Syndrom genannt, wissen die allermeisten Menschen noch wenig. Dabei ist es die schwerste Form von Autismus und kann Kommunikation, sozialen Umgang und Verhalten des Kindes sehr stark beeinträchtigen. So stark, dass manche Betroffene ein Leben lang auf spezialisierte Betreuung angewiesen sind.

Menschlich, emotional und unverfroren

In Rosies Wunderkind wird der Umgang mit frühkindlichem Autismus aus der Sicht der Eltern angesprochen. Das Buch arbeitet das Thema verständlich und gleichzeitig realistisch auf. Das schafft es gerade mit Hilfe von einfachen Satzstrukturen und unkomplizierten Formulierungen. Rosies Perspektive von einer verzweifelten Mutter, die alles tut um ihren Sohn zu verstehen, macht das schwierige Thema verständlich, verdaulich und vor allem eines: menschlich.

Durch die vielen Rückblicke in die Vergangenheit werden die Leser:innen nicht nur in Rosies Emotionschaos versetzt, auch der Spannungsfaktor wird aufgrund der Erzählweise vergrößert. Wir stellen uns ständig die Frage: Was ist passiert, dass Rosie jetzt im Gefängnis ist?

Rosie ist nicht die klassische Protagonistin: Sie ist alles andere als perfekt und wird mit all ihren Fehlern dargestellt. Stark, selbstlos, gleichzeitig stur und impulsiv. Gerade deswegen können sich die Leser:innen gut mit ihr identifizieren und ihre Frustration nachvollziehen. Diese sehr personale und subjektive Perspektive, die*der Erzähler:in einnimmt ist manchmal zu viel. Es wird zwar das Verhalten der Mutter hinterfragt, aber in vereinzelten Momenten wird versucht ihr problematisch Verhalten zu rechtfertigen. Und das bis zum letzten Moment.