Filmfest 2023

Millennium Mambo

/ / Bild: © 2001 3H Productions / Paradis Films / Orly Films / SinoMovie.com

Wunderschöne Farben finden sich nicht nur bei In the Mood for Love, einem Klassiker des Hongkong-Kinos von Regisseur Wong Kar-Wai. Auch ein etwas unbekannteres Werk aus Taiwan kann vor allem mit seiner Ästhetik überzeugen: Millennium Mambo. Nach einem knapp 22-jährigen Donröschenschlaf, hat es der Film in einer neuen 4K-Restaurierung wieder zurück auf die Leinwand geschafft. Ob auch hier die Romantiker:innen-Herzen höher schlagen werden?

Wer sich hier eine Liebesgeschichte voller Zärtlichkeit und Romantik erhofft, wird definitiv enttäuscht werden! Im Mittelpunkt von Millennium Mambo steht Vicky (Shu Qui), deren Freund Hao-Hao (Chun-hao Tuan) vor allem von Eifersucht und Kontrollwahn getrieben wird. Hat sie zu lange telefoniert, denkt er sie hat eine Affäre. Arbeitet sie bei ihrem Job in einem Nachtclub, wartet er auf der Treppe vor ihrer Wohnung auf sie. Als ihr sein toxisches Verhalten zu viel wird, findet sie Unterschlupf beim Kriminellen Jack (Jack Kao) und muss sich schlussendlich zwischen den beiden entscheiden.

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Trailer zu Millenium Mambo

Im Rausch der Farben

Doch die Handlung selbst, die manche Zuschauer:innen auf den ersten Blick vermutlich als kitschig abtun würden, rückt in vielen Momenten zugunsten der Ästhetik in den Hintergrund. Dadurch entfaltet sich ein wunderschön anzusehender Bilderstrudel, der unweigerliche Vergleiche zu Wong Kar-Wais Meisterwerk In the Mood for Love nach sich zieht. Nicht nur die Bilder scheinen hier zu tanzen, sondern auch die Figuren, die sich annähern, nur um sich anschließend wieder voneinander zuentfernen. Das bewirkt ein kinematographisches und rauschhaftes Filmerlebnis! Auch die Farbauswahl hat unmittelbare Parallelen zu dem Film von Wong Kar-Wai, da diese gekonnt Stimmungen visuell vermittelt, anstatt sie in den Dialogen auszubuchstabieren. Beispielsweise ist das Licht zu Beginn des Films in Hao-Haos Apartment und dem Club kalt, während erst nach und nach warme Farben Einzug in Vickys Leben halten.

Bild: © 2001 3H Productions / Paradis Films / Orly Films / SinoMovie.com

Retrospektives Erwachsenwerden

Dass Millennium Mambo teils wie ein Rausch wirkt, der das Publikum in den Bann zieht, liegt auch an den Hauptdarsteller:innen. Gerade Shu Qui als Vicky erscheint dabei durch ihre Verletzlichkeit und suchenden Art geradezu mustergültig als fleischgewordene Verkörperung des Coming-of-Age-Genres. Klar ist daran auf den ersten Eindruck nichts sonderlich neuartig, doch Vicky kommentiert die Ereignisse in, nicht immer vollkommen subtilen, Voice-Overn aus dem Off. Dabei spricht sie aber nie von sich als “Ich”, sondern immer als “sie”. Das verdeutlicht, dass sie sich nicht mit der auf der Leinwand zu sehenden Person identifiziert. Viel eher erscheint es so, als würde die Protagonistin nur lose ihre Gedanken aufsagen, ein klassischer stream-of-consiousness, was durchaus erfrischend ist.

Trotzdem ist Millennium Mambo keinesfalls ein Meisterwerk. Dafür sind einige der Nebenfiguren, gerade Hao-Hao, zu seicht geschrieben. Teils mäandert der Film zudem über die deutlich zu langen 110 Minuten eine gefühlte Ewigkeit vor sich hin, ohne im Gegenzug auch nur irgendeine nennenswerte Tiefe zu besitzen. Zwar sind einige der Themen, die er behandelt, etwa toxische Maskulinität, bis heute aktuell, doch zu schnell wird dieser Aspekt zugunsten der Ästhetik zur Seite gelegt. Wer aber ein filmisches Äquivalent zum Tanzen (für die Augen) sucht, bekommt mit Millennium Mambo mit Sicherheit zumindest einen wahrhaften Bilderrausch präsentiert.

Millennium Mambo startet in einer restaurierten 4K-Fassung ab dem 21. September in den Kinos. Der Film hatte seine Deutschlandpremiere beim 40. Filmfest München.