SPIELART FESTIVAL 2021

Madama Butterfly

/ / Foto: Philip Frowein

Modernes Theater trifft auf eine Oper aus dem Jahr 1801 – genau das passiert im Stück Madama Butterfly von Regisseurin Satoku Ishihara.

Ein japanisches Mädchen wird mit einem Offizier verheiratet. Der Offizier verschwindet und lässt sie schwanger zurück. Als sie herausfindet, dass er eine neue Frau hat, begeht sie Suizid. Diese Tragödie erzählt die Oper Madama Butterfly von Giacomo Puccini. Regisseurin Satoko Ichihara versucht nun, diese Geschichte neu zu erzählen – aus einer modernen, feministischen Perspektive. Dabei steht die Protagonistin des Stücks, genannt Butterfly (Kyōko Takenaka), im Vordergrund. Sie ist in nahezu jeder Szene vertreten und hält Monologe über die Bedeutung von Schönheit, insbesondere der von Asiatinnen. Wie wichtig ist das eigene Aussehen? Wie sehr müssen sich Frauen anpassen? Und warum sind Mädchen in japanischen Mangas blond und nicht schwarzhaarig? Die Fragen häufen sich, bleiben aber unbeantwortet.

Butterfly (Kyōko Takenaka) setzt sich mit ihrer Weiblichkeit auseinander (Foto: Philip Frowein)

Innovatives Theater

Drei Vorhänge teilen die Bühne, ein rundes Sitzpolster ist die einzige Requiste. Obwohl das Bühnenbild sehr schmucklos ist, ist es keineswegs langweilig. Durch LEDs flimmern Wälder oder tanzende Roboter über die Vorhänge, die Gespräche mit der Protagonistin führen. Oder Butterfly selbst, die erklärt, wie sich Frauen zu schminken haben, um beim männlichen Geschlecht besser anzukommen. Die Aufnahme erinnert fast schmerzlich an Beauty-Tutorials auf YouTube. Über der Bühne stehen die Übersetzungen ihrer Worte, denn während der Offizier in diesem Stück (Sascha Ö. Soydan) Englisch spricht, spricht Butterfly ausschließlich auf Japanisch. Das macht es manchmal etwas schwer, der ausladenden Gestik auf der Bühne und den vielen kritischen Fragen zu folgen.

Butterfly (m.) im Gespräch mit den Avataren, mit dabei die Manga-Figur Sailor Moon (l.) (Foto: Philip Frowein)

Selbstreflexion und Selbstzweifel

Die ernste Thematik steht im starken Kontrast zur Protagonistin. Ihre Bewegungen und ihre Art zu sprechen sind oft überspitzt, fast albern. Dadurch erhält das Stück eine humorvolle Note, die das Publikum mehrmals zum Lachen bringt. Meistens dann, wenn traurige Tatsachen zum Vorschein kommen. Doch gerade dieser Zwiespalt regt als Zuschauer:in zum Nachdenken an. Die Selbstreflexion erreicht ihren Höhepunkt, als die Schauspieler:innen im dritten Akt sich plötzlich von ihren Rollen lösen. Gemeinsam diskutieren sie darüber, was sie eigentlich darstellen sollen und warum ausgerechnet eine Frau für die Rolle des Offiziers besetzt wurde. Während die erste Hälfte des Stücks etwas langatmig ist, gelingt hier die Überraschung.

Ichihara schafft es, Madama Butterfly auf innovative Art und Weise in das 21. Jahrhundert zu versetzen. Das verhindert allerdings nicht, dass die Zuschauer:innen mit einer Flut aus unbeantworteten Fragen zurückgelassen werden. Doch gerade das ist wohl die Realität, mit der sich viele Frauen konfrontiert sehen: Fragen, die ihnen niemand zu Genüge beantworten kann.

Madama Butterfly von Satoko Ichihara lief am 23. und 24.10.21 beim Spielart Festival in München.