M94.5 Enzyklopädie Virologie: Reproduktionzahl

Virologie für Anfänger

Was bedeuten Reproduktionszahl, Verdopplungszeit und Co.?

/ / Bild: Lukas Unterbuchner

Wer in letzter Zeit in die Berichterstattung zur aktuelle Corona-Lage schaut, kann schon mal vom Wust an Kennzahlen und statistischen Modellen erschlagen werden. Das Spektrum reicht von Prävalenz über die Reproduktionszahl, bis hin zur Verdopplungszeit. Doch was bedeuten diese Werte und wie geht man mit Ihnen um? Ein Überblick.

Die Prävalenz

Die Prävalenz gibt im Grunde den Anteil der Bevölkerung an, der mit einem Krankheitserreger infiziert ist, kurz gesagt dessen Krankheitshäufigkeit. Dieser Wert kann für eine momentane Einschätzung nützlich sein, zeigt aber nur ein punktuelles Bild des aktuellen Ist-Zustandes. Interessanter ist dabei für die Einschätzung der Gesamtlage eher der Fokus auf die Entwicklung der Infektion. Dazu dienen dann die folgenden beiden Kennzahlen.

Die Verdopplungszeit

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Das Bundesgesundheitministerium über die Verdopplungszeit

Besonders in der Anfangsphase der Epidemie ist die Verdopplungszeit als Kennzahl am brauchbarsten, da sich hier die Infektion noch exponentiell ausbreitet. Sie gibt dementsprechend an, wie viele Tage es dauert, bis sich die Zahl der nachgewiesenen Infizierten verdoppelt. Als Rechenbeispiel: Liegt die Verdopplungszeit wie anfangs in Deutschland bei zwei bis drei Tagen, werden im Drei-Tages-Rhythmus so aus knapp 50 Fällen 100 Fälle, dann 200 Fälle und bereits am 15. Tag ist mit 1600 Infizierten zu rechnen.

Dabei ist eine höhere Verdopplungszeit positiver, da sich so natürlich das Intervall bis zur nächsten Verdoppelung vergrößert. Aber umso stärker der Virus dabei in Schach gehalten wird, also d.h. umso näher sich das Wachstum einem linearen Verlauf annähert, desto stärker nimmt auch die Aussagekraft der Verdopplungszeit ab. Spätestens dann kommt die berüchtigte Reproduktionszahl ins Spiel.

Die Reproduktionszahl 

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Kurz und anschaulich erklärt: Was steckt eigentlich hinter dem R-Wert?

Die Reproduktionszahl, auch R-Wert oder umgangssprachlich Ansteckungsrate genannt, versucht grundsätzlich den Grad der Verbreitung eines Virus erfassbar zu machen. Sie gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Reproduktionszahlen.

Geht es um die natürliche Verbreitung des Virus, ermittelt man die Basisreproduktionszahl (R0). Sie zeigt den R-Wert, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden und niemand immun ist. Bei dem COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 schätzt das Robert-Koch-Institut R0 auf einen Wert zwischen 2,4 und 3,3, d.h. ein Infizierter steckt normalerweise zwei bis drei Personen an.

Relevanter für die Einschätzung der aktuellen Situation ist aber die sogenannte “effektive Reproduktionszahl” (Reff). Diese sollte sich idealerweise von der Basisreproduktionszahl unterscheiden, denn sie gibt den R-Wert an, der herauskommt, nachdem Gegenmaßnahmen, wie beispielsweise Social Distancing, Maskenpflicht oder Quarantäne-Verordnungen, getroffen wurden. So lässt sich damit natürlich auch regelmäßig prüfen, wie viel Erfolg diese Maßnahmen hatten. 

Zur Einschätzung: Liegt der Wert unter eins, ist das grundsätzlich positiv, denn dann ist das Wachstum der Infektion maximal linear. Liegt der Wert stark unter eins, kommen sogar einige Infektionsketten zum Erliegen. So steckt jeder Infizierte nur maximal eine Person an. Steigt der Wert über eins, bewegen sich die Zahlen schon wieder im exponentiellen Bereich. Das ist dann sogar bereits bei einem Wert von 1,1 der Fall. Stellt man sich diesen Wert im Modell vor, steckt jeder Infizierte mindestens eine Person an, während jeder Zehnte sogar zwei Personen ansteckt. Dadurch verzögert sich das Wachstum zwar minimal, führt aber langfristig auch zu einem explosionsartigen Anstieg der Infiziertenzahl. 

Leider keine absoluten Zahlen

Über die App Corona-Datenspende vom RKI kann man zudem für eine bessere Datenlage sorgen | Bild: Lukas Unterbuchner

Trotzdem sind diese Kennwerte keine absoluten Werte, sondern stellen eher einen Trend dar. So setzt die Reproduktionzahl die Zahl der Neuinfizierten an einem Tag mit der Zahl der Neuinfizierten ein paar Tage vorher in Beziehung. Dabei hängt die Ermittlung des Wertes auch stark davon ab, wie viele Menschen überhaupt als Neuinfizierte erkannt wurden, denn eine vollständige Erfassung ist in den jeweiligen Erhebungszeiträumen fast nicht möglich. Schließlich zeigt nicht jeder Infizierte Symptome oder lässt sich zwangsläufig testen. Hier muss also immer mit einer gewissen Dunkelziffer gerechnet werden. Virologen müssen daher einige Variablen schätzen und mit verschiedenen statistischen Modellen arbeiten, um so der Realität möglichst nahe zu kommen. Als richtungsgebenden Orientierungspunkt eignen sich die Werte aber natürlich trotzdem. 

Das Robert-Koch-Institut greift daher aber auch auf verschiedene Werte zurück, anstatt sich nur auf eine der Kennzahlen zu verlassen. So spielen hier auch die lokalen Zahlen von Neuinfizierten eine Rolle. Dabei kann man auch selbst zur Verbesserung der Datenlage beitragen. Über die App Corona-Datenspende vom RKI kann man anonym der Forschung weiterhelfen.

Zum Ausgleich von täglichen Schwankungen der Reproduktionszahl hat das RKI aber auch zudem die Erhebung um einen neueren langfristigen Wert ergänzt: Das 7-Tages-R erweitert den Vergleichszeitraum der Reproduktionzahl auf sieben Tage, was vor allem bei der aktuell niedrigeren Infektionsrate verlässlichere Ergebnisse liefern soll.