Fortschritte im Kampf gegen Corona

Wie entsteht ein Impfstoff?

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Laut Experten kann wohl nur ein wirksamer Impfstoff die Corona-Pandemie endgültig stoppen. Weltweit wird mit Hochdruck daran gearbeitet – dem deutschen Unternehmen BioNTech wurden nun erste Versuche am Menschen genehmigt. Aber wie genau entsteht ein Impfstoff? 

Ein bis zwei Jahre – so lange wird es nach Schätzungen führender Virolog*innen dauern, bis ein zuverlässiger Impfstoff gegen das Coronavirus auf dem Markt ist. Viele fragen jetzt: Warum dauert das so lange? Dabei ist die reibungslose Entwicklung eines zuverlässigen Wirkstoffes überhaupt nicht selbstverständlich. Bestes Beispiel: Selbst nach 40 Jahren Forschung gibt es keinen hundertprozentig wirksamen Impfstoff gegen HIV. Das Coronavirus sorgt allerdings in der Pharmabranche für einen Ausnahmezustand.  

 „Wir zählen aktuell 96 verschiedene Impfstoff-Projekte. Das ist unglaublich, so etwas habe ich in all meinen Jahren in der Pharmaindustrie noch nie gesehen. Normalerweise findet man etwa vier bis sechs Firmen in der Welt, die an einem Impfstoff arbeiten.“ 

Dr. Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller
Dr. Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller
Bild: vfa

So funktioniert ein Impfstoff

Das Prinzip einer Impfung ist einfach, aber genial: Der Körper wird bewusst mit dem Krankheitserreger konfrontiert, damit das Immunsystem lernt, ihn zu bekämpfen. „Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen“, schreibt das Robert Koch-Institut. Allerdings spritzt der Arzt natürlich nicht das gefährliche Virus in Reinform, sondern eine abgewandelte und vor allem abgeschwächte Form. Trotzdem kann es dadurch manchmal zu einer „Impfkrankheit” kommen, die wesentlich schwächer als eine echte Infektion ausfällt. Zu einem Impfstoff gehören also sowohl Teile des Virus, als auch chemische Zusatzstoffe.  

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Dabei gibt es drei Arten: „Bei der ersten Möglichkeit, der gewöhnlichen Impfung, werden ganze Viren oder einzelne Bestandteile verwendet”, erklärt Dr. Hömke. Dieser sogenannte „Totimpfstoff” enthält nur abgetötete Krankheitserreger und ist deswegen viel ungefährlicher, als das echte Virus. Dazu gehören zum Beispiel Impfungen gegen Cholera, Hepatitis A und B, Keuchhusten und Grippe. Im Kampf gegen Corona haben unter anderem die US-Biotech-Firma Novavax und Forscher der University of Queensland in Brisbane diesen Weg eingeschlagen.  

Neue Methode – Erfolg fraglich 

Bei den „Lebendimpfstoffen” wird dagegen versucht, harmlosere „Vektorviren” mit biotechnischen Methoden als Sars-Viren zu „verkleiden”. Das geht, indem den harmlosen Viren ein bestimmtes Gen des SARS-Virus eingepflanzt wird. Außerdem ist die Oberfläche weitestgehend identisch. „Wird das Vektorvirus dann als Impfstoff injiziert, reagiert das Immunsystem so, als ob es sich um das echte Coronavirus handeln würde, und bildet Antikörper dagegen”, so Dr. Hömke. Dazu gehören unter anderem die Impfungen gegen Masern, Röteln und Windpocken. Auch im Kampf gegen SARS-CoV-2 wird diese Methode verfolgt – zum Beispiel von der University of Oxford und auch von einem Impfstoff-Projekt im Großraum München, einer Zusammenarbeit der Unternehmen Leucocare, ReiThera und Univercells.  

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Der dritte Ansatz ist – zumindest theoretisch – am elegantesten: Dabei werden nur die Gene des Virus verwendet, also künstlich hergestellte Virus-DNA bzw. -RNA. „Im Körper werden dann Viren-Proteine hergestellt, gegen die das Immunsystem Abwehrstoffe bildet. Dadurch ist der Körper auf eine Infektion vorbereitet”, berichtet Dr. Hömke. Problem ist nur: Bisher gibt es gegen keine Krankheit einen Impfstoff dieser Art, die Forschung betritt hier völliges Neuland. An einem solchen Wirkstoff gegen Corona forschen die deutschen Unternehmen BioNTech und CureVac. Welcher Weg am Ende der erfolgreichste sein wird, ist noch unklar. „Das ist jetzt ein großes Erproben. Es ist sehr gut, dass wir so viele verschiedene Ansätze haben, die gleichzeitig verfolgt werden, weil wir eben nicht wissen, welcher am Ende perfekt passt”, so Dr. Hömke. 

So läuft die Entwicklung ab 

BioNTech wurde am Mittwoch vom Paul-Ehrlich-Institut, der deutschen Aufsichtsbehörde, eine „klinische Studie” genehmigt. Sie dürfen also ihren Wirkstoff jetzt an 200 freiwilligen Menschen testen. Das Unternehmen ist damit einen entscheidenden Schritt weiter, aber ein fertiger Impfstoff ist noch in weiter Ferne.  

Allgemein durchläuft die Entwicklung eines Impfstoffes drei Phasen: In der „Screening-Phase” wird der Erreger geprüft und analysiert, vielversprechende Substanzen und Moleküle gesucht und die Impfstoff-Kandidaten durchlaufen verschiedene Tests. Die wesentliche Frage ist hier, auf welche Bestandteile des Virus das Immunsystem reagiert.  

Streitthema Tierversuche 

In der zweiten, der „präklinischen Phase” wird dann ausgiebig getestet, allerdings noch nicht am Menschen. Die meisten Pharma-Unternehmen arbeiten mit Tierversuchen. Zwei Millionen Versuchstiere werden in Deutschland derzeit gehalten. Die Methode steht jedoch stark in der Kritik – nicht nur aus ethischen Gründen. Nachdem die tierversuchs- und damit tierleidfreie Forschung in Deutschland eigentlich auf dem Vormarsch war, hat der Ausbruch der Corona-Pandemie viele zurück in alte Muster geworfen. Die meisten Menschen reagieren nun panisch nach dem Motto: Erst kommt meine Gesundheit, dann erst das Leben der Tiere.  

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Die Organisation “Ärzte gegen Tierversuche” kritisiert diese vorschnelle Reaktion: „Tests am Tier sind viel zu langwierig, um in einer Situation wie dieser mit der Ausbreitung des Virus mitzuhalten. Es muss erst die „richtige” Tierspezies gefunden werden, die für die Forschungen geeignet ist.” So werden für das SARS-CoV-2-Virus extra genetisch veränderte Mäuse gezüchtet, da gewöhnliche Mäuse sich damit nicht infizieren können. Außerdem würden etliche Impfstoffe im Tierversuch bestens wirken, beim Menschen jedoch nicht. „Ärzte gegen Tierversuche” fordert stattdessen humanbasierte In-Vitro-Methoden, die vielerorts auch schon angewendet werden. Dabei erfolgen die Tests mit künstlich hergestellten menschlichen Zellenkulturen im Reagenzglas. Dennoch meint Dr. Hömke: „Tiere sind zwar nicht eins zu eins wie der Mensch, aber was sich bei Tieren nicht bewährt hat, sollte man Menschen gar nicht geben.” Es gehe darum, das Risiko für die menschlichen Probanden zu verringern. Neben der Wirksamkeit sind vor allem die Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffes wichtig. 

Erste Tests an Menschen  

So oder so: BioNTech hat diese Phase im Kampf gegen Corona bereits durchlaufen und experimentiert mit ihrem Wirkstoff jetzt an 200 Freiwilligen zwischen 18 und 55 Jahren ohne Vorerkrankungen. „Wir freuen uns, dass die präklinischen Studien in Deutschland erfolgreich abgeschlossen sind und wir nun bald diese erste Studie am Menschen bereits früher als erwartet beginnen werden”, so Prof. Ugur Sahin, CEO von BioNTech.  

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Erste Ergebnisse sollen in drei Monaten vorliegen. Wenn alles gut läuft, wird die Anzahl der Probanden auf Risikopatienten ausgeweitet. Prof. Sahin stellt aber klar: „I think it is really not appropriate to talk about time right now. First of all we need to see if the vaccine is safe.”