Kommentar

Kampf um die Deutungshoheit

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Ein Thema hat neben der Bundestagswahl am Wochenende die Schlagzeilen bestimmt: Am Freitag sind im SPIEGEL neue Vorwürfe gegen Luke Mockridge erhoben worden. Dabei geht es unter anderem darum, wie mit Rechtsmitteln versucht wird, auf medialer Ebene Einfluss zu nehmen. Doch dieser Kampf um die Deutungshoheit schlägt eine falsche Richtung ein.

Ines Anioli, eine der bekanntesten Podcaster:innen, hat gegen ihren Ex-Partner, den Comedian Luke Mockridge, schwere Vorwürfe erhoben. Unter anderem geht es um Bedrohung, Manipulation und sexuelle Gewalt. Was sich größtenteils im Privaten abgespielt hatte und ohne die Namen der Beteiligten zu nennen thematisiert wurde, ist seit einiger Zeit zu einer regelrechten Schlammschlacht geworden. Denn seit bekannt ist, um wen genau es sich handelt, wird mit harten Bandagen gekämpft.

Versuch der Einflussnahme

Mit den am Freitag erschienenen Artikel im Spiegel verhärten sich nun die Vorwürfe. Es ist nicht nur die Rede von der Causa Anioli-Mockridge, sondern auch von anderen, grenzwertigen und aggressiven Verhaltensweisen des Comedians. Die Beschuldigungen basieren nicht nur auf den Aussagen von Anioli selbst, sondern auch von anderen Betroffenen.

Eines vorweg: Es gilt die Unschuldsvermutung, ein entsprechendes Verfahren gegen den Kölner Comedian wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt. Der Rechtsweg ist hiermit vorerst beendet. Doch vielmehr geht es darum, dass eine Seite versucht, das Narrativ mit seiner Sicht der Dinge zu dominieren und mediale Deutungshoheit zu erlangen. Dieser Versuch der Einflussnahme geht zu weit.

Schon vor Erscheinen der investigativen SPIEGEL-Recherche war bekannt, dass Mockridge und sein Management aktiv versuchten, die mediale Berichterstattung zu beeinflussen. Kleine wie große Medienhäuser erhielten Unterlassungsklagen oder Androhungen für Geldstrafen und sahen sich gezwungen, ihre Artikel zum Thema zu löschen. Betroffen waren unter anderem der SPIEGEL selbst, aber auch Focus Online oder die VICE. Wenn Journalist:innen und Entertainer:innen sich denn dazu äußerten, nannten sie den Namen Mockridge nicht mehr – aus Angst, mit Klagen und Strafen in Millionenhöhe konfrontiert zu werden. Stattdessen wird nur von einem „gewissen Comedian“ gesprochen.

Freie Gesellschaft, freie Berichterstattung?

Daraus ergeben sich zwei weitreichende Konsequenzen: Erstens wird die Debatte über grenzwertiges Verhalten von Personen des öffentlichen Lebens vertuscht. Zweitens wird die Berichterstattung darüber, unabhängig davon welche Seite sie einnehmen könnte, systematisch unterdrückt. Das ist ein Versuch, das öffentliche Narrativ nach eigenen Vorstellungen zu formen und andere Meinungen zu diskreditieren. In Deutschland gilt Meinungs- und Pressefreiheit. Natürlich darf und kann jeder sich ab einem gewissen Grad wehren, besonders gegen unlautere Vorwürfe. Auch diese Mittel garantiert uns der Rechtsstaat. Doch proaktiv vorzugehen, wenn geltendes Recht nicht verletzt wurde, grenzt an Zensur. Wer in einer freien Gesellschaft lebt, muss auch aushalten, für etwas kritisiert zu werden und die Debatten darüber zulassen. Die Qualität der Debatte darf und muss thematisiert werden. Falsche Anschuldigungen müssen als solche benannt, ebenso wie wahrheitsgemäße Anschuldigungen gehört und thematisiert werden müssen.

Denn das eigentlich Perfide an dieser Situation: Aus dem Versuch, proaktiv Berichterstattung zu unterbinden, ergibt sich eine Message. Eine Message, die deutlicher nicht sein könnte. Sie richtet sich an Betroffene und teilt ihnen mit: „Halt die Klappe und sag nichts.“ Die Androhung von Konsequenzen kann nicht die Lösung für eine längst in Gang gebrachte Diskussion sein.

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