Filmkritik

Joyland

/ / Bild: © Filmperlen

Als erster pakistanischer Film lief Joyland beim renommierten Filmfestival in Cannes und konnte dort gleich zwei Preise abräumen. In seinem Heimatland dagegen wäre der Film aufgrund seiner queeren Inhalte beinahe verboten worden. Denn er behandelt Themen wie Geschlechterrollen, Selbstbestimmung und Transidentität.

Haider (Ali Junejo) ist eine Enttäuschung für seinen Vater, denn er passt so gar nicht in die patriarchal geprägte pakistanische Gesellschaft. Als sein Vater ihm befiehlt eine Ziege zu schlachten, bringt er es einfach nicht übers Herz, woraufhin seine Schwägerin zum Messer greift. Während seine Frau arbeiten geht, bleibt er zuhause, kocht Linsen und spielt mit seinen Nichten. Dabei sollte er nach den Vorstellungen seiner Familie lieber Kinder zeugen und arbeiten gehen. Doch als er schließlich an einen Job kommt, ist dieser ebenfalls alles andere als konventionell: Er wird Background-Tänzer in einem erotischen Tanztheater. Dort lernt er Biba (Alina Khan) kennen und beginnt eine Affäre mit ihr.

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Trailer zu Joyland

(Zu) viele Perspektiven

Joyland hinterfragt die patriarchalen Strukturen Pakistans – und das aus ganz verschiedenen Perspektiven. Im Mittelpunkt steht Haider, der in seine Rolle als heterosexueller Ehemann nicht so wirklich zu passen scheint und beim Zusammensein mit der Transfrau Biba beginnt, seine Sexualität zu hinterfragen. Letztere wiederum stellt eine Figur dar, die in der Gesellschaft zwar zu einem gewissen Grad akzeptiert wird, aber dennoch immer wieder Ausgrenzung erlebt. Abgesehen von den beiden Protagonist:innen spielt auch Haiders Ehefrau Mumtaz (Rasti Farooq) eine elementare Rolle. Ihr machen besonders die gesellschaftlichen Erwartungen an sie, sich um den Haushalt zu kümmern und Kinder zu bekommen, zu schaffen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, die sich mit dem Patriarchat beschäftigen, zeigt Joyland also nicht nur die Perspektiven von hetero- und cisnormativen Frauen und Männern. Auf der einen Seite ist das erfrischend und ermöglicht es, das Patriarchat auf vielfältige Weise zu verhandeln. Auf der anderen Seite bekommen so einige der Figuren deutlich mehr Tiefe als andere. Zudem werden einige Handlungsstränge nur angeschnitten oder recht plötzlich ins Zentrum gerückt. So wirkt es zunächst doch etwas abrupt, wenn sich der Fokus im letzten Drittel von der Affäre zwischen Haider und Biba auf Mumtaz und ihre Sorgen verschiebt.

Haider und Biba kommen sich näher/ Bild: © Filmperlen

Die Gesellschaft in all ihren Farben

Die Darsteller:innen können allerdings durchweg überzeugen. Joyland lebt von seinen ruhigen, zwischenmenschlichen Momenten, in denen Emotionen häufig nur durch Blicke vermittelt werden. Hier werden keine leidenschaftlichen Reden über Selbstbestimmung und Identität geschwungen, sondern es wird ganz selbstverständlich und unaufgeregt über diese Themen geredet. Dadurch, dass von überdramatischen Szenen so gut wie jegliche Spur fehlt, erscheinen die Figuren und der Film äußerst menschlich und geerdet. Unterstrichen werden viele Momente dabei vom nicht immer subtilen, aber dennoch stimmungsvollen Spiel mit Farben und Lichtern. Die bunten Neonlichter auf einem Jahrmarkt zeigen die Freiheit und Unabhängigkeit, die die Frauen hier erleben können, während die Wohnung in ein grau gedimmtes Licht getaucht wird, um Trauer zu vermitteln.

Auch wenn Joyland manchmal doch etwas zu viele Themen und Handlungsstränge anreißt, so überzeugt er letztendlich durch seine Unaufgeregtheit. Er kritisiert das Patriarchat, ohne dabei mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und schafft es dabei, stets real und menschlich zu wirken.

Joyland läuft ab dem 9. November im Kino.