DANCE 2021

Everybody DANCE now!

/ / Foto: © Thomas Schermer

Es wurde wieder getanzt in München. Dieses Jahr zwar online, aber das hat dem DANCE Festival 2021 keinen Abbruch getan. Die M94.5 Kulturredaktion hat sich durch die virtuellen Tanz-Performances geklickt und euch hier die Highlights der Veranstaltungen zusammengefasst.

FITRY – Serge Aimé Coulibaly

Ein Mann steht im Scheinwerferlicht. Er bewegt sich unter größter Anspannung, sein Gesicht ist verzerrt, mal in einem wilden Lachen, dann in stummen Schreien. Expressiv und spannungsgeladen ist Serge Aimé Coulibalys Stück über das einsame Leiden eines jungen Mannes. Der Tänzer Jean Robert Koudogbo Kiki zeigt Überanstrengung und lähmende Angst mit vollem Körpereinsatz. Mal scheint ihm jeder Schritt größte Anstrengung abzuverlangen, dann brechen aus ihm schnelle, gequälte Bewegungen hervor. Was ihm so zusetzt bleibt zur Interpretation offen.

FITRY hat der burkinische Choreograph während der Pandemie entwickelt und reflektiert darin sein eigenes Leiden als Künstler und Aktivist. Wenn ihr das Interview mit Serge Aimé Coulibaly und Jean Robert Koudogbo Kiki von den Münchner Kammerspielen anschauen wollt, dann findet ihr das hier. ag

Jean Robert Koudogbo Kiki in dem Solo Fitry © Serge Aimé Coulibaly

TWO ROOM APARTMENT STORY – Niv Sheinfeld & Oren Laor

Die Live Lecture-Performance Two Room Apartment Story ist eine Inszenierung von Niv Sheinfeld und Oren Laor, die sich mit dem gemeinsamen Raum in einer Partnerschaft auseinandersetzt. Die Inszenierung beruht auf dem Duett Two Room Apartment von Liat Dror und Nir Ben, die bereits vor 25 Jahren großen Erfolg hatte und damit den israelischen Tanz mit veränderte. Heute haben sich Sheinfeld und Laor dem Stück wieder angenommen und diskutieren damit auf tanzende Weise die Grenzen und Gemeinsamkeiten sowie Gewohnheiten und Rituale, die unseren Alltag prägen.

Der eigentliche Tanz der Performance beschränkt sich in diesem Fall auf etwas mehr als 20 Minuten und wird von einem moderierten Teil unterbrochen. Da ursprünglich eine Vorstellung vor Live-Publikum geplant war, wird so versucht, den Kontakt zum Zuschauer dennoch zu finden. Hier eröffnet sich dem Betrachter die Möglichkeit, die Gedanken hinter der Performance besser zu verfolgen. Es werden Ausschnitte aus dem Probenprozess, unterschiedliche Aufführungen sowie Teile der originalen Performance gezeigt und mit der aktuellen Inszenierung in Verbindung gesetzt.

Der gewünschte Minimalismus, den die beiden Tänzer im Gespräch ebenfalls ansprechen, spiegelt sich in den repetitiven Bewegungsabläufen und dem sehr einfach gehaltenen Bühnenbild, bestehend aus zwei mit Klebeband abgeklebten Vierecken, wider. Gebrochen wird der an manchen Stellen fast schon mechanisch wirkende Tanz von dem Einsetzen und Wegbleiben von Musik, die es schafft, eine komplett neue Stimmung in ähnliche Bewegungen zu transportieren. Die Tanzszenen wirken so fast schon hypnotisch und ziehen einen auch in digitaler Version in seinen Bann, sodass man von der Wirkung bei einer Live-Performance nur träumen kann. vl

ÜBER DIE WUT – Anna Konjetzky

Die Frau auf der Bühne trägt Wut in sich. Wut gegen das System, gegen den Verkehr, gegen Ungerechtigkeiten und Rassismus. Gegen Leute, die ihr sagen, sie solle nicht wütend sein. Diese Wut hat die Choreografin Anna Konjetzky in der Performance Über die Wut katalysiert. In dem Solostück wird die persönliche und gesellschaftliche Dimension der Wut tänzerisch, aber auch auditiv und visuell erforscht. Über die länglichen Leinwände im Hintergrund flimmern Bilder von Demonstrationen, von Polizeigewalt, abgeholzten Wäldern und Geflüchtetenheimen. Bilder, die Wut auslösen. Davor hat Tänzerin Sahra Huby eine Art tänzerischer Wutanfall. Sie würgt an ihrer Wut, erstickt fast an ihr. Hubys Bewegungen sind abgehackt und gleichzeitig fließen sie ineinander. Ihr Tanz ist aggressiv und herausfordernd. Mal schlägt sie auf unsichtbaren Gegner, fletscht die Zähne, bläst sich auf. Mal wird sie langsamer und ihre Bewegungen rhythmischer und eleganter.


„Über die Wut“ setzt sich mit verschiedenen Ausprägungen von Wut auseinander. Wut verbunden mit Angst, Aggression oder Frustration. Das Stück ist oft anstrengend, laut und intensiv. Die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, auf die verwiesen wird, werden alle nur kurz angerissen. Das ist fast schon überfordernd. Anna Konjetzky zeigt wie lähmend Wut sein kann. Sie zeigt aber die motivierende, empowernde Seite der Wut. Diese Seite fühlen die Zuschauenden besonders, als sie sich auf die weibliche Wut konzentriert: die von Frauen wie Jeanne d’Arc, Rosa Parks und Greta Thunberg. Wut, die bis heute wirkt, Wut, die unsere Gesellschaft verändern kann. jm

Die Tänzerin Sahra Huby in Anna Konjetzkys Stück Über die Wut © Gabriela Neeb

RAIN – Olivia Rochette, Gerard-Jan Claes

Zwischen Bühne und Proben, Suchen und Finden, Tänzer:innen und Choreografin gelangt man durch den Dokumentarfilm Rain. Denn dieser nimmt einen mit hinter die Kulissen des gleichnamigen Stücks von Anne Teresa De Keersmaeker. So gewinnt man durch die Filmemacher:innen Olivia Rochette und Gerard Jan Claes einen Einblick in die offene, tänzerische Sprache der belgischen Choreografin. Bruchstückhaft und mit Dialogen untermalt kommt man so dem Stück „zur Partitur „Music for 18 Musicians“ von Steve Reich ein Stück näher – quasi etwas verfilmte Bühnenluft für Zuhause. Die Dokumentation der Proben erfolgt in episodischen Darstellungen die meist abrupt enden. Das führt einerseits dazu, dass man oft aus der Trance der Beobachtung gezogen wird, andererseits wird man so ganz sanft zur Aufmerksamkeit ermahnt. Insgesamt gewinnt man aber einen wunderbaren Einblick in die Welt des Tanzes und die vielen Monate an Arbeit die hinter einer Aufführung stecken. Nachträglich ist der Film hier erhältlich. sk

ANY ATTEMPT WILL END IN CRUSHED BODIES AND SHATTERED BONES – Jan Martens

Unzählige Tänzer:innen aller Altersklassen, mal in Reih und Glied, mal wild durcheinander. Bei der Performance every attempt will end in crushed bodies and shattered bones wechseln sich die Tänzer:innen mit monotonen Bewegungen ab, während im Hintergrund dramatische Musik läuft. Trotzdem ist die Performance selbst zu keinem Moment eintönig. Die Zuschauer:innen erwartet ein Zusammenspiel aus dynamischem Tanz mit ausgefallener Licht- und Kameraführung, die sich erst im digitalen Raum vollständig entfalten kann. Choreograf Jan Martens will damit die Protestformen unserer Zeit darstellen. Ob ihm das tatsächlich gelungen ist, sei einmal dahingestellt. Eines steht allerdings fest: die Performance kann mit einem überraschenden Finale überzeugen und ist damit ein Highlight des diesjährigen DANCE Festivals. lp

Tänzer:innen aus Jan Martens Choreografie any attempt will end in crushed bodies and shattered bones © Phile Deprez

DANCE History Tour – Brygida Ochaim – Thomas Betz

Auf die Sattel – fertig – los. Die eigentliche DANCE History-Fahrradtour zu den bedeutendsten Münchner Orten der Geschichte des modernen Tanzes findet dieses Jahr nicht auf zwei Rädern, sondern vor dem eigenen Bildschirm statt. Beginnend von der Monacensia im Hildebrandhaus, über die Villa Stuck, die Münchner Kammerspiele, das Theatermuseum bis hin zum Lenbachhaus. Tanzkünstler:innen wie Clotilde van Derp, Alexander Sacharoff, Isodora Duncan oder Maud Allan haben in München Tanzgeschichte geschrieben und von hier aus die Entwicklung eines freien, rhythmischen Tanzes in die Wege geleitet. 

Die Tanzhistorikerin Brygida Ochaim und der Kunsthistoriker Thomas Betz geben Einblicke in das beeindruckende Archivmaterial. Obwohl die Zuschauenden nicht live vor Ort dabei sein können, werden durch viele Tanzeinlagen des Bayrischen Junior Balletts München und der Elizabeth Duncan Tanzschule der moderne Tanz und das Gefühl von Freiheit durch den Bildschirm hindurch transportiert. Eine spannende, virtuelle Reise durch die Münchner Tanzgeschichte, welche Stadtgeschichte und Tanzkunst erfolgreich miteinander kombiniert. jre

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Die Tänzerin Isabella Wagar tanzt den Rosenwalzer im Stil von Isodora Duncan in der Villa Stuck. .