DANCE Festival

DANCE History Tour – Eine virtuelle Reise durch die Tanzgeschichte Münchens

/ / Bild: Thomas Betz

Mit dem Fahrrad geht es virtuell von der Monacensia im Hildebrandhaus, über die Villa Stuck bis zum Lenbachhaus. Diese Orte geben nicht nur optisch etwas her – sie bilden auch wichtige Meilensteine in der Geschichte des modernen Tanzes. Was diese Plätze Münchens mit der Tanzgeschichte genau verbindet – erzählt eindrucksvoll die Dance History Tour des Dance Festivals 2021. 

Auf die Sattel – fertig – los. So wäre eigentlich die DANCE History Tour des Festivals aufgebaut: Eine Fahrradtour zu den wichtigsten Orten der Münchner Tanzgeschichte. Pandemie bedingt findet diese Tour jedoch virtuell als Video-On-Demand statt. Die Choreografin und Tanzhistorikerin Brygida Ochaim und Thomas Betz, Redakteur des Münchner Feuilleton, kombinieren Historie mit eindrucksvollen Tanzeinlagen des Bayrischen Junior Balletts München, Archivpräsentationen und zahlreichen Fotografien. 

Die Definition des modernen Tanzes: Barfuß, der Körper mit Stoffen umwickelt, große Bewegungen. Auf dem Bild zu sehen ist die Tänzerin Magdeleine Guipet. Bild/Fotografie: Thomas Betz.

SKANDAL-TÄNZERIN GASTIERT IN MÜNCHEN

Die Villa Stuck spielte im Jahr 1902 eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Tanzes: Hier beeindruckte die amerikanische Tänzerin Isodora Duncan den Malerfürsten Franz von Stuck mit den freien Bewegungen ihres vom Korsett befreitem Körper. Vor allem das Barfuß-Tanzen der Tänzerin galt am Anfang des 20. Jahrhunderts regelrecht als Skandal. Die neue Ästhetik versetzte die gesellschaftlichen Ideale der Lebensreform in Bewegung. Trotzdem gelang es Isodra Duncan, dank der Unterstützung von Franz von Stuck, ein erfolgreiches Gastspiel im Lenbachhaus zu feiern. Weitere Künstler:innen mussten jedoch mit einer strengen Zensur kämpfen: Maud Allans Stück, The Vision of Salome, indem sich die Tänzerin Schleier um Schleier entledigte, entging knapp der Zensur. Als private Veranstaltung getarnt, konnte es im Schauspielhaus, den heutigen Münchner Kammerspielen, auf die Bühne gebracht werden.

Die Tänzerin Maud Allan als Salome. Bild/Fotografie: Thomas Betz

MÜNCHEN ALS GEBURTSORT DES MODERNEN TANZES

Besonders wissenswert: Die freie Szene des modernen Tanzes fand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in München ihren Ursprung. Künstler:innen wie Clotilde von Derp, Clara Ziegler, Rita Sacchetto oder Alexander Sacharoff bauten sich in der bayrischen Hauptstadt ein künstlerisches Netzwerk auf. Der neue Beruf eines/einer modernen/e Tänzers/in entstand: Tänzer:in, Choreograph:in, Manager:in, Kostümbildner:in wurde ab jetzt in einer Person vereint. Besonders Rudolf von Labans 1911 gegründetes Tanzatelier unterrichtete den auf Gymnastik und Rhythmik ausgelegten neuen Tanz. Zusammen mit der Choreographin und Assistentin Labans, Mary Wigman, schufen die beiden einen Ort, indem sich die freie Bewegungskunst entfalten und vor allem weiterentwickeln konnte. 

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Die Tänzerin Isabella Wagar tanzt den Rosenwalzer im Stil von Isodora Duncan in der Villa Stuck. Die Choreografie stammt von der Tänzerin und Pädagogin Colleen Scott, die völlig unerwartet am Tag der Premiere der History Tour verstarb.

EIN TANZ-PAAR SCHREIBT GESCHICHTE

1910 feierte die Tänzerin Clotilde von Derp im Lenbachhaus ihr Debüt als erste deutsche Ausdruckstänzerin. Gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann, Alexander Sacharoff, tourte die Tänzerin durch die ganze Welt. Sacharoff, der erste männlich solistisch auftretender Tänzer des neuen freien Tanzes, entwickelte eine neue androgyne, theatralische Ästhetik – die das Publikum schockierte. In Schwabing erarbeitete und formte der Künstler diese Idee eines Gesamtkunstwerks gemeinsam mit seinen Kollegen Thomas von Hartmann, den Maler:innen Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, später bekannt als „Der Blaue Reiter“. 

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Die Tanzhistorikerin Brygida Ochaim und Kunsthistoriker Thomas Betz zeigen Einblicke in das Archivmaterial, u. a. in die Tanzfotografie von und mit Alexander Sacharoff.

Die einstündige Reise durch die Münchner Tanzgeschichte lohnt sich. Die vielen Tanzeinlagen der Tänzer:innen des Bayrischen Junior Balletts Münchens, unter der Leitung von Ivan Liška, sowie die Tänzer:innen der Münchner Elizabeth Duncan-Schule, verleihen der Tour den Charakter einer spannenden Film-Dokumentation. Die darin zu sehenden freien Bewegungen in leichter, wallenden Kleidung unterstreichen die neue Ästhetik des modernen Tanzes. Die Zuschauer:innen werden eingeladen, in die Vergangenheit zurückzureisen.

Wer die History Tour aber tatsächlich mit dem Fahrrad erleben möchte, kann einen Ausflug zum Münchner Theatermuseum machen. Hier findet man neben den Filmen auch die zahlreichen Fotografien der Tour in den Schaufenstern des Museums.

Ein zusätzliches Schmankerl: Eine reich illustrierte Publikation zur Vertiefung der DANCE History Tour: Der Freie Tanz. München als Wiege moderner Bewegungskunst 1900-1919 von Brygida Ochaim und Thomas Betz wird beim Allitera Verlag erscheinen.


Die Digitale DANCE History Tour ist noch bis zum 16. Mai als Video on Demand auf der Website des Dance Festivals zu sehen.