Extremismus im Internet

Hetze zwischen Memes und Influencern

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Wenn aus Datensätzen Geschichten werden: Studierende im Master Journalismus haben kommunikationswissenschaftliche Forschung der LMU datenjournalistisch aufbereitet.

Etwa sieben Prozent der deutschen Jugendlichen sind für extremistische Inhalte besonders empfänglich. Das hat eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München herausgefunden. Die Gründe sind vielschichtig – hängen aber stark mit Identität und gesellschaftlicher Zugehörigkeit der Jugendlichen zusammen.

Ein Spongebob-Charakter ruft in einem über Facebook verbreiteten Meme zur Zerstörung Israels auf. In Nazi Doom, der abgeänderten Version eines bekannten Ego-Shooter-Spiels, soll der Spieler möglichst viele Juden erschießen. In der Reihe Supermuslim kämpft ein muslimischer Superheld gegen die Feinde des Islam.

Die mediale Vielfalt von Extremismus ist groß. Ob politisch oder religiös, extremistische Strömungen versuchen ihre Inhalte dabei immer mehr auch auf Jugendliche zuzuschneiden. Sie entwerfen Comics und Spiele, veröffentlichen moderne Propaganda-Videos auf YouTube, verpacken ihre Botschaften in Liedtexten oder treten über soziale Medien direkt mit ihrer Zielgruppe in Kontakt. Allein im Jahr 2017 registrierte jugendschutz.net rund 1.500 Seiten mit extremistischen Inhalten.

Doch wie empfänglich sind junge Menschen überhaupt für Hassbotschaften und radikales Gedankengut? Und erkennen sie Extremismus, wenn sie ihm online begegnen? Um das herauszufinden, hat eine Gruppe von Kommunikationswissenschaftlern um Professor Carsten Reinemann von der Ludwig-Maximilians-Universität München 1.061 Jugendliche in Deutschland befragt. Die Wissenschaftler haben dabei vier verschiedene Typen von Jugendlichen identifiziert, die sich in ihrem Kontakt und Umgang mit Extremismus unterscheiden.

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Etwa die Hälfte der Jugendlichen gehören zu den Unbedarften: Sie kommen nur selten bewusst mit Extremismus in Kontakt und haben häufig Probleme, extremistische Inhalte als solche einzuordnen. Die sogenannten Informierten und Reflektierten kommen hingegen öfter mit dem Thema in Berührung, erstere vor allem über traditionelle Medien und letztere darüber hinaus vermehrt im Internet. Die übrigen sieben Prozent der Jugendlichen begegnen Extremismus deutlich regelmäßiger als ihre Altersgenossen. Sie suchen nicht nur aktiv nach extremistischen Inhalten, sondern begegnen ihnen auch im persönlichen Umfeld. Von den Forschern werden sie als die Gefährdetenkategorisiert.

Kontakt mit extremistischen Inhalten: Das Zugehörigkeitsgefühl ist besonders ausschlaggebend

Zu welcher der Gruppen die Jugendlichen gehören, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: soziales Umfeld, Zugehörigkeitsgefühl und Diskriminierungserfahrungen der Jugendlichen spielen dabei ebenso eine Rolle wie soziodemographische Merkmale. So leben auf dem Dorf und in Vororten besonders viele gefährdete Jugendliche. Und auch die Schulform spielt eine Rolle. An Hauptschulen finden sich besonders viele unbedarfte Jugendliche, an Gymnasien hingegen überdurchschnittlich viele reflektierte.

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Ob die Jugendlichen auf dem Land oder in der Stadt wohnen und ob sie ein Gymnasium oder eine Hauptschule besuchen, sind jedoch nur einige der Umstände, die das Verhältnis der Jugendlichen zu Extremismus prägen. Fühlen sie sich von Freunden und Familie akzeptiert? Sehen sie sich als Teil der Gesellschaft? Und fühlen sie sich in Deutschland zu Hause? Die Studie zeigt, wie entscheidend insbesondere ein Gefühl von Zugehörigkeit für den Umgang der Jugendlichen mit dem Thema Extremismus ist.

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Jugendliche in der Gruppe der Gefährdeten berichten besonders häufig von einem Gefühl der sozialen Isolation. Fast ein Drittel von ihnen fühlt sich in Deutschland nicht oder nur begrenzt als vollwertiger Teil der Gesellschaft. Außerdem geben mehr als ein Viertel der Gefährdeten an, dass es in ihrem Umfeld nicht genug Menschen gibt, die sie so nehmen, wie sie sind.

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Die Gefährdeten: Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen sowie fremdenfeindliche Tendenzen

Auch Diskriminierungserfahrungen häufen sich bei den gefährdeten Jugendlichen: Ein Fünftel von ihnen hat sich aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Religion schon einmal benachteiligt gefühlt, fast ein Drittel wurde deswegen sogar körperlich angegriffen. Dies wirkt sich offensichtlich auf die Überzeugungen der Jugendlichen aus. Denn obwohl die Gefährdeten sehr verschiedene Einstellungen über das gesamte politische Spektrum hinweg vertreten, sind sie im Durchschnitt fremden- und islamfeindlicher als ihre Altersgenossen. Zudem haben sie ein geringeres Vertrauen in politische Institutionen und befürworten eher autoritäre Einstellungen.

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Die Reflektierten bilden hier den Gegenpol: Sie besitzen im Vergleich mit Altersgenossen das höchste politische Vertrauen, die geringste Gewaltakzeptanz und stehen häufig für offene, wenig autoritäre Positionen. Im Gegensatz zu gefährdeten Jugendlichen fühlen sie sich jedoch auch besser integriert sowie seltener diskriminiert und zurückgewiesen.

Wie stark die Jugendlichen durch den Kontakt mit Extremismus wirklich gefährdet sind, kann die Studie der Münchner Forscher nicht beantworten. Sie zeigt jedoch, wie relevant die Lebensumstände der Jugendlichen für ihren Umgang mit Extremismus sind. Wer schon als junger Mensch Erfahrungen mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gemacht hat und in dessen Umgebung wenig über Extremismus geredet wird, ist mit höherer Wahrscheinlichkeit extremistischen Inhalten gegenüber aufgeschlossen. Auf der anderen Seite bedeutet das: Bildung, Integration, soziale Akzeptanz und das Aufwachsen in einem friedlichen, gewaltfreien Umfeld können dazu beitragen, dass Jugendliche Extremismus besser einordnen können und weniger empfänglich für seine Botschaften sind – selbst wenn sich diese hinter Memes verbergen.

Von Sophie Garbe, Max Gilbert und Bea Riebesehl