M94.5 ALBENREVIEW

Emma Ruth Rundle – Engine of Hell

/ / Bild: Sargent House

Mit Engine of Hell gewährt Dark-Folk-Workaholic Emma Ruth Rundle tiefe Einblicke in den zerbrechlichen Zustand ihres düsteren Inneren. Hierfür rückt sie sich und ihre Stimme in den Vordergrund und erlaubt so umso mehr Tiefgang.

Das musikalisches Schöpfen der Kalifornierin ist getrieben von Schaffungswut: Nicht nur war sie Teil der Bands The Nocturnes, Red Sparowes, Marriages und zahlreicher Kollaborationen – noch dazu ist jetzt mit Engine of Hell ihr fünftes Soloalbum erschienen. In einem Interview gibt sie preis, dass dieser Schaffensdrang für sie Therapie und Ablenkung von ihren inneren Dämonen zugleich ist. Darin thematisiert sie intimste Erfahrungen aus ihrem Leben, an denen sie die Zuhörer:innen mithilfe der Rohheit ihrer Stimme und Tiefe ihrer Texte Anteil haben lässt.

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Offizielles Musikvideo zum Song “Anhedonia” zusammen mit Chelsea Wolfe – einer ihrer vielen Kollaborationen

Absolute Immersion in ihr Leid

Engine of Hell hört sich wie ein Wendepunkt, psychisch wie musikalisch. Während sie zuvor versucht durch eine Wand an elektronischen Sounds und Effekten Stärke zu beweisen, schraubt sie nun instrumental zurück. Damit gibt sie ihrem Gesang mehr Gewichtung, zeigt sich fragil und verletzbar, indem sie diesen und damit sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Zwischen rauen düsteren Klängen und ergreifendem Falsetto, verflechtet sie ihre Stimme mit der Intimität der akustischen Gitarre und ihrem lange zurückgelassenen Kindheitsinstrument, dem Klavier. Letzteres setzt sie z.B. in ihrem Song “Body” ein und baut damit ein melancholisches Fundament auf, das ihre sanfte und von Trauer gefüllte Stimme noch stärker hervorbringt. Die eingesetzte Wiederholung untermalt das von ihr beschriebene Gefühl schmerzhafte Erinnerungen immer wieder aufleben zu lassen, so wie hier die der verstorbenen Großmutter.

Um ihr Inneres noch authentischer rüberzubringen, nimmt sie das Album zu großen Teilen als Live Performances auf. Dabei entscheidet sie sich für die Takes, die die Emotionen richtig transportieren, auch wenn sie musikalisch nicht makellos sind.

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Offizielles Musikvideo zum Song “Blooms of Oblivion”

Inspiration: Die Untiefen ihrer Psyche

Mit der Aufnahme ihres Albums beginnt Emma Ruth Rundle im Dezember 2020, kurz nach ihrem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Ihre fragile Psyche, gezeichnet von traumatischen Lebenserfahrungen, Alkohol und Drogen, speist sie in ihr künstlerisches Schaffen ein. Das zeigt sich allein in ihren Lyrics, die sich poetisch mit Trauma, Tod, Verlust, Betäubung und Sucht auseinandersetzen. Mit dieser direkten Auseinandersetzung mit ihren Erlebnissen lässt sie die schmerzhaften Fragmente ihrer Vergangenheit wieder aufleben.

Diesen Schmerz können die Zuhörer:innen in jedem Song greifen, als würden sie Zugang zu den dunkelsten Ecken ihrer Psyche erhalten.

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Offizielles Musikvideo zum Song “Return”

Surrealistische Katharsis

Als wäre ihr musikalisches Werk nicht genug, widmet sie sich als Visual Artist der Gestaltung ihrer Musikvideos. Die artistischen Videos zu Return und Blooms of Oblivion verpackt Emma Ruth Rundle in einen Schleier von Surrealismus. Damit stehen sie ganz im Kontrast zu der bitteren Realität, die sie in ihren Texten behandelt und verkörpern zugleich ihren Balanceakt an der Schwelle geistiger Gesundheit. Doch, indem sie ihre Schwester an dem Video zu Return teilhaben lässt, verwandelt sie das gemeinsame Trauma für sich in etwas Positives, Kathartisches.

Mit Engine of Hell reißt Emma Ruth Rundle, durch präzise abgestimmten Minimalismus, die Zuhörer:innen in ihre schmerzhaften Erinnerungen und schafft zugleich für sich und ihre Fans ein umarmendes, tröstendes Werk aus einnehmenden Klangbildern.

Engine of Hell ist am 05.11.2021 über Sargent House erschienen.