Alben für die Quarantäne #9

Dominik Eulberg – Mannigfaltig

/ / Bild: !K7 / Indigo

Quarantäne macht wenig Spaß, aber sie ist gerade sehr wichtig. Wenn ihr etwas Sinnvolles gegen die Langweile machen wollt, könnt ihr euch zum Beispiel Zeit für ein Gewerbe nehmen, das gerade seine Existenzgrundlage verliert: Die Kultur- und Musikindustrie. Die M94.5-Musikredaktion präsentiert euch passend dazu ein paar persönliche Lieblingsalben, die ihr unbedingt mal nachgeholt haben solltet…

Der große Traum von der wiederentdeckten Naturverbundenheit während der Quarantäne bleibt aus: Grünflächen sind voll mit Menschen, die sich irgendwie beschäftigen wollen. Aber nicht nur in Zeiten der Pandemie-bedingten Wald- und Wiesenflucht ist Musik für mich die Rettung. Vollen U-Bahnen, Heizungsluft-trockenen Bibliotheken und einsamen Nachtbusfahrten entfliehe ich vorzugsweise mit Dominik Eulbergs aktuellem Album Mannigfaltig. Dominik Eulberg ist bekannt für seinen von der Natur inspirierten Minimal-Techno. Sein erstes Album in acht Jahren strotzt vor Hochachtung für die Natur. Das Projekt hat sogar eine Spaziergang-verschmähende Couchpotato wie mich dazu gebracht, vom Sofa aus davon zu träumen, durch den Wald zu schlendern und Tiere zu beobachten.

„Eulbergs Bestimmungs Service“

Instagram

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Dominik Eulberg lädt auf Instagram vorwiegend Naturbilder hoch. Dazu erklärt er häufig etwas, wie hier zu der Pflanzenart der “Geophyten”.

Nicht nur in der visuellen und musikalischen Gestaltung des Albums drückt sich Dominik Eulbergs Verbundenheit mit seiner natürlichen Umwelt aus. Auf seiner Website bietet er einen Bestimmungs-Service an: User und Fans können ihm Bilder ihrer Natur-Sichtungen zusenden und er verspricht dann zu versuchen diese fachgerecht zu identifizieren. Auch sein Instagram Profil widmet er vorwiegend der Schönheit der Natur.

„Zu jeder Zahl von eins bis zwölf liess sich namentlich eine heimische Tierart finden. So divers ist unsere Natur oder schöner ausgedrückt: so mannigfaltig.“

Dominik Eulberg auf seiner Website zur Benennung von Mannigfaltig
https://www.dominik-eulberg.de/news/

Das Entdecken verschiedener Arten, war laut Eulberg auch die Inspiration für die Benennung von Mannigfaltig: „Die Idee zu dem Konzept kam mir bei einer Wanderung durch meine heimischen Gefilde. Auf einer Blumenwiese erspähte ich einen gelb leuchtenden Schmetterling, der auf der Außenseite seiner Flügel eine Musterung in Form der Zahl Acht hat.“ Und fertig war das Konzept zum Album: Jeder der zwölf Tracks hat eine heimische Tierart als Namensgeber. Die zunächst affektiert und kompliziert wirkenden Namen auf Mannigfaltig haben einen positiven Doppeleffekt: Neben dem Wiedererkennungswert wird hier noch ein Crashkurs über die heimische Fauna geboten.

Von der Eintagsfliege zum Vierfleck

“Eintagsfliege” bietet einen vergleichsweise ruhigen Einstieg in Mannigfaltig. “Zweibrütiger Scheckenfalter” mündet mit einer Kombination von Sounds, die ohne Zweifel an Käfer Gebrumm und Flügelrascheln erinnern. Mit hellen Glocken-artigen Klängen geht es dann weiter im dritten Track “Dreihzehensprecht”, eines der Highlights auf dem Album. Der Song überrascht nach einem hellen Einstieg mit einem Break: hölzernes Knarzen holt uns zurück auf den Boden der Tatsachen und lässt die Melodie sich noch ein Mal von vorne entwickeln. Als einer der ruhigeren Songs auf Mannigfaltig nimmt “Dreihzehenspecht” stufenlos Fahrt auf und leitet in die satten Bässe von “Vierfleck” über. Das Hören macht direkt Lust, die Natur zu erkunden und Dominik Eulberg via Bestimmungsservice davon zu berichten.

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Dominik Eulberg – “Dreizehenspecht”

Vom Neuntöter und dem Elfenbein-Flechtenbärchen

Einer der bekannteren Protagonisten auf Mannigfaltig, ist der Neuntöter, er hat dem neunten Track seinen Namen geliehen. Der Neuntöter ist ein kleiner Vogel, der auf ganz besondere Art und Weise jagt: Er spießt Insekten auf Dornen auf und hamstert diese, bevor er beginnt sie zu verspeisen. Und auch der Track lässt den Hörer eine Weil warten, bevor er sich sukzessiv aufbaut. Das Album wird geprägt durch Tracks mit langen und intensiven Aufbauphasen. So, wie Dominik Eulberg sich acht Jahre Zeit für ein neues Album gelassen hat, so lässt sich auch Mannigfaltig Zeit. Doch das Warten lohnt sich.

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Das Musikvideo zu “Goldene Acht” stammt vom Natur-Dokumentarfilmemacher Jan Haft

Neben gesampelten und modifizierten Naturgeräuschen, tiefen Bässen und verschiedenen Sounds, die alles von metallisch bis hölzern klingen, sind es auch tonreiche Melodien, die das Album prägen. Mal erinnern sie an Streicher, wie bei “Vierfleck”, eine Harfe, wie unter anderem in “Elfenbein-Flechtenbärchen”, oder an Glockenklänge, die immer wieder auf Mannigfaltig herauszuhören sind. Diese melodischen Elemente lassen es einem nicht schwerfallen, sich einen mal wild, mal ruhig, aber immer stetig voran fließenden Bach vorzustellen, der sich seinen Weg durch den Eulberg-Wald bahnt.

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Das Musikvideo zu “Elfenbein-Flechtenbärchen” stammt vom Natur-Dokumentarfilmemacher Jan Haft

Ein Album für den Waldspaziergang – von der Couch aus

Lässt man sich als Zuhörer von den verschiedenen Klangebenen in den Bann ziehen, kann man absolut in ihnen versinken und erst knapp eineinhalb Stunden später wieder rauskommen. Ein stetiger Begleiter, der gegen das einengende Gefühl der eigenen vier Wände Abhilfe schaffen kann. Oder eben auch nur kurz um frische Luft zu schnappen. Frische Luft, die bringt Mannigfaltig in Klangform zur Genüge. Zwar haben gedehnte sphärische Töne und Geräusche meist die Überhand, Tracks wie “Siebenschläfer” oder “Goldene Acht” lassen aber nicht nur lebendiges Waldgewusel vor den Ohren erscheinen, sondern sind auch mehr als tanzbar. Deshalb ist es für mich nicht nur das perfekte Album in Zeiten von social distancing, sondern auch ein sonst treuer Begleiter in allen Lebenslagen.