Filmkritik

Der Junge und der Reiher

/ / Bild: © STUDIO GHIBLI 2023

Nach 10 Jahren im verdienten Ruhestand meldet sich Altmeister Hayao Miyazaki mit Der Junge und der Reiher doch noch einmal zurück. Während die ersten Reaktionen aus der ganzen Welt erneut von einem Meisterwerk sprechen, wird das neue Werk des Regisseurs in Japan jedoch zwiegespalten aufgenommen. Was hat es also mit dem Film auf sich: Großes Kino oder Altersschwäche?

Erstaunlich düster ist bereits der Beginn der Handlung von Der Junge und der Reiher: Der junge Mahito verliert seine Mutter bei einem Feuer während des Zweiten Weltkriegs und zieht einige Zeit später mit seinem Vater zu dessen neuer Partnerin. Doch etwas scheint sich mit dem Tapetenwechsel verändert zu haben, denn plötzlich erlebt der Junge allerlei mysteriöse Dinge. In der Nähe des Hauses befindet sich ein magischer Turm, dessen Eingang quasi versiegelt ist und er trifft einen Reiher, der sprechen kann – typisch Miyazaki eben!

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Der Trailer von Der Junge und der Reiher

The same procedure as every film?

Doch auch wenn das alles schon nach altbekannten Elementen aus den bisherigen Filmen des Regisseurs klingt, müssen die Zuschauer:innen von Der Junge und der Reiher erst einmal eine ganze Zeit warten, bis sie die Magie von damals wieder spüren können. Knapp die Hälfte des Films dient als überlanger Aufbau, in dem wieder und wieder deutlich wird, dass hier etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht. Haben die Zuschauenden aber nur ein vorangegangene Werk von Miyazaki gesehen, ist das bereits nach kurzer Zeit klar. Wo Chihiros Reise ins Zauberland schon nach wenigen Minuten die Handlung in Gang brachte, wirkt Der Junge und der Reiher hingegen lange Zeit träge und zäh.

Auf Protagonist Mahitos Schultern liegen hohe Erwartungen/ Bild: © STUDIO GHIBLI 2023

Play it again, Hayao!

Kommt die Handlung aber in Gang, erlebt das Publikum einen wilden Ritt quer durch eine Welt, die von kreativen Ideen nur so überquillt. Das mag auf den ersten Blick wie ein wehrgewordener Traum von Ghibli-Fans klingen, kann aber auch ebenso schnell überladen wirken. Es hilft dabei ebenfalls nicht, dass Miyazaki zwar sehr viele Ideen und Symboliken in Der Junge und der Reiher aufbringt, diese aber viel zu schnell und unzureichend abhandelt, weil ihm die Zeit ausgeht.

Das liegt allen voran daran, dass der Film oftmals wie eine Selbstzitation des Regisseurs wirkt. So erinnert das neue Werk des Regisseurs ein wenig an Wes Andersons Asteroid City: Voll mit charmanten Einfällen, die aber im Wust der eigenen Selbstbeweihräucherung und -zitation untergehen, weil das ja das wäre, was die Leute von den eigenen Filmen erwarten würden. Das wiederum geht auf Kosten von emotionaler Bindung zu den Figuren und plötzlichen Charakterentwicklungen, die definitiv mehr Zeit im Aufbau gebraucht hätten.

Diese süße Wesen sind vermutlich die Cousins der Susuwataris aus Mein Nachbar Totoro/ Bild: © STUDIO GHIBLI 2023

(K)Ein großer Wurf?

Die Erwartungen für Der Junge und der Reiher waren hoch, vielleicht sogar zu hoch. Das heißt nicht, dass das Werk misslungen ist, dafür sieht er zu schön animiert aus und das Voice-Acting ist zu gut, aber der gewisse Funken, der sich sonst in den meisten Miyazaki-Filmen findet, existiert hier nur in ein paar Momenten. Und so rauscht der Film ab einem gewissen Punkt mit seiner Fülle an Themen, genauso wie dem recht generisch geratenen Soundtrack von Joe Hisashi, an den Zuschauer:innen vorbei, ohne, dass groß Gefühle oder eine Bindung aufkommen. Ghibli-Fans, die bereits Bekanntes noch einmal sehen wollen, können aber einen vorsichtigen Blick riskieren.

Der Junge und der Reiher startet ab dem 04. Januar im Verleih von Wild Bunch in den deutschen Kinos.