Kommentar

Das sogenannte “Prostituiertenschutzgesetz”

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Am 17. Dezember ist der internationale Tag zur Beendigung von Gewalt gegen Sexarbeiter:innen. Diese Form der Gewalt ist alles andere als selten, obwohl es sogar ein Gesetz gibt, das Prostituierte genau davor schützen soll. Romy Hölzel findet: Es braucht eine politische Kehrtwende. 

Neun von zehn Prostituierten wurden bei ihrer Arbeit schon sexuell belästigt. Mehr als jede zweite Person, die in diesem Bereich tätig ist, hat bereits sexuelle Gewalt erlebt. Gewalt an Sexarbeiter:innen ist kein Einzelfall, sie passiert jeden Tag. Um Betroffene vor dieser Gewalt zu schützen, wurde 2017 das sogenannte “Prostituiertenschutzgesetz” eingeführt. Die lautesten Kritiker:innen dieses Gesetzes sind die Prostituierten selbst. Sie bemerken, die Regelungen bewirken das Gegenteil von dem, worauf sie abzielen: Sexarbeiter:innen sind dadurch nicht besser geschützt. Das Prostituiertenschutzgesetz drängt sie nur mehr und mehr in die illegale und gefährliche Ecke der Branche. 

DIE NEGATIVEN FOLGEN DES GESETZES

Das Gesetz verlangt von Sexarbeiter:innen unter anderem ihre Tätigkeit anzumelden. Dafür bekommen sie einen sogenannten “Hurenpass”. Das ist ein Dokument, das Prostituierte als solche ausweist – mit Bild und dem vollen Namen. Diese Kennzeichnung führt aber zu Angst bei den Sexarbeiter:innen. Angst vor Diskriminierung, Angst vor Stigmatisierung, Angst, dass Außenstehende wie Familie und Freund:innen von der Tätigkeit erfahren. Viele Betroffene wollen sich deshalb nicht offiziell melden. Die Folge: Nach einer Gewalterfahrung gehen Sexarbeiter:innen seltener zur Polizei, weil sie ja nicht offiziell registriert sind und Konsequenzen fürchten.  

DIE LEBENSREALITÄT DER SEXARBEITER:INNEN

Nicht nur eine verpflichtende Anmeldung ist Teil des Gesetzes, es werden auch Gesundheitsberatungen für die Sexarbeiter:innen angeboten. Außerdem wird den Betreiber:innen verboten, darüber zu bestimmen, welche sexuellen Handlungen die Prostituierten durchführen sollen. Was erst einmal sinnvoll klingt, entspricht absolut nicht der Realität. Die Unterstützungsangebote erreichen die Sexarbeiter:innen kaum, weil sie einfach nicht auf ihre oft erschreckenden Lebensverhältnisse angepasst sind.

Viele Prostituierte sind in einer sozial und finanziell schwierigen Lage, zeigt eine Studie des “Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend”. Oft bekommen sie also nichts von diesen Hilfsangeboten mit oder können sie nicht wahrnehmen. Das liegt daran, dass vermutlich der Großteil der Prostituierten diese Arbeit nicht freiwillig machen. Laut polizeilicher Schätzungen sind gerade einmal 10% der Sexarbeiter:innen aus freiem Willen in dieser Branche tätig. Sie werden durch Drohungen, Erpressung oder andere Methoden an ihre Zuhälter:innen gebunden. Dadurch sehen sie weder eine Ausstiegssmöglichkeit, noch haben sie die Chance auf gesundheitsschützende Angebote zurückzugreifen. 

DAS IST NÖTIG

Ich finde: Allgemeine Regelungen wie die des Prostituiertenschutzgesetzes sind keine Lösung für den Schutz von Sexarbeiter:innen. Sie gehen viel zu wenig auf Prostituierte in Notlagen ein. Obwohl die Notlage leider die Norm ist. Was es stattdessen braucht: Klare, deutliche Hilfsmöglichkeiten für einen Ausstieg aus der Prostitution. Und: Konsequentes Vorgehen gegen Zwangsprostitution. Aber am wichtigsten: Wir müssen aktiv zuhören, was Sexarbeiter:innen wirklich für ihr Wohlbefinden bei dieser Arbeit benötigen.