
Konzertreview
Crusher Tour von yeule
Bei yeules Stopp in Berlin während des Crusher Tours brachte yeule their digitale Realität persönlich zu den Fans: Eine eindrucksvolle, kraftvolle und intime Performance, die trotz minimaler Effekte zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde.
„Evangelic Girl is a Gun“ – ein rauer, markanter neuer Eintrag in der Diskografie des queeren Artists durch seinen stimmungsvollen, cyberpunkigen musikalischen Flair und den das Album begleitenden Visuals. Obwohl das Konzert in Berlin diese Ästhetik nicht ganz so stark umsetzte, da es außer einem Banner im Hintergrund praktisch kein Bühnenbild gab, glich yeule diesen Mangel mit their exzentrischen und lebendigen Energie auf der Bühne auf jeden Fall wieder aus.

CYBER-AUTHENTICITY
Unter der Erwartung, dass der erste Track „Tequila Coma“ des Albums „Evangelic Girl is a Gun“ das Konzert eröffnen würde, schlich sich yeule auf die neblige Bühne und überraschten Fans mit dem düsteren Schlusstrack des Albums „Skullcrusher“. Nach dieser Überraschung stellte sich yeule auf die authentischste Art und Weise mit einem einfachen „Hallo“ vor, während they zu dem persönlicheren Song „1967“ übergingen. Damit war die Bühne frei für einen Artist, der/die sich von der typischen Selbstverherrlichung von Musikstars abhebt. yeule kommt direkt auf den Punkt und verbindet sich durch their Performance mit dem Publikum, ohne dass es zu Ablenkungen kommt. Dadurch standen yeules gesangliche und instrumentale Talente im Vordergrund.

Nichtsdestotrotz schaffte es yeule, mit their Visuals zu beeindrucken. Mit their charakteristischen militaristischen Ledermütze, dem Gothic-Make-up und dem Ledertop passte sie perfekt zur Ästhetik their aktuellen Albums. Auch die Farbwahl der Beleuchtung war tadellos und passte mit einer Mischung aus roter Schärfe, blauer Melancholie und violetter Mystik genau zur Atmosphäre vieler Songs. Obwohl das Fehlen von zusätzlichen Effekten – wie das ikonenhafte Motorrad bei their Auftritt in London – anfangs enttäuschend war, hatte yeule durch their Authentizität als Artist und Performer:in die Notwendigkeit von Gimmicks über Bord geworfen.

EUPHORIE IN DER MENGE
yeule schien während des gesamten Auftritts their Energie und their Sinn für Ausgelassenheit nie ganz zu drosseln, egal ob they nun selig auf der Gitarre herumklimperte, sich Zeit zum Gitarre stimmen nahm oder die Menge mit their eleganten Gesang besänftigte. yeules Energie wirkte immer natürlich an und selbst als their Stimme bei den letzten beiden Songs etwas erschöpft klang, strahlte they immer noch eine klare Leidenschaft für their Musik aus. Das zeigte sich auch in der kristallklaren Tonmischung. Sie hob das Erlebnis auf ein neues Level, da sie für fast jeden Track perfekt abgestimmt war. Die einzige ungünstige Ausnahme war der Titelsong von yeules aktuellem Album „Evangelic Girl is a Gun“. Was eigentlich ein Live-Highlight des Konzerts hätte sein sollen, endete in einem Chaos mit einem unglaublich verstärkten Bass, der yeules Gesang und die hochfrequenten elektronischen Verzerrungen fast unhörbar machte. Trotz dieses unglücklichen Fehltritts machte die Performance von yeules weiteren ikonischen Songs diesen Fehler mehr als wett.

Nach einer Reihe von Performances aus their aktuellen Album, die alle bezaubernder denn je klangen, wechselte yeule schließlich zu their dritten Album „softscars“, mit dem they bekannt geworden ist. Und unter allen Auftritten des Konzerts stach yeules heftige Shoegaze-Ballade „dazies“ als Höhepunkt des Konzerts hervor und vereinte die Fans in einem brausenden Applaus und Gänsehaut. Auch klanglich war der Auftritt von yeule und their Band mit einer umwerfenden, makellosen Instrumental-Performance perfekt. Das gesamte Publikum schien vor Freude und Euphorie in einen Zustand der Hypnose zu verfallen.
EINE BEWEGENDE ZUGABE
Die einladende und warme Stimmung von yeule wirkte ansteckend auf das Publikum und schuf während des gesamten Konzerts eine positive Atmosphäre für alle. Als yeule zu their ersten Finale „Anthems for a Seventeen Year-Old Girl“ – der melancholische Hit aus dem Film „I Saw the TV Glow“ – kam, forderten die Fans eine Zugabe, die sie auch nach 6 Minuten hoffnungsvoller Jubel bekamen. „Ich musste pinkeln“, erklärte yeule den begeisterten Fans. yeule kehrte ein wenig erschöpft, aber trotzdem munter zurück auf die Stage und schenkte dem Publikum eine letzte, einfühlsame Performance voller Magie. Der Humor und die unverblümte Art der Cyber-Ikone während dieses letzten Moments fasste die authentische Natur des gesamten Konzerts perfekt zusammen. “Don’t Be So Hard on Your Own Beauty” war der perfekte, zu Herzen gehende Abschluss eines emotionalen Konzerts.